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Kommentar Bundeswehreinsatz in SyrienNicht ohne meinen Bundestag

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

In Deutschland muss das Parlament Auslandseinsätzen der Armee zustimmen – bisher. Diesen Vorbehalt zu schleifen, ist keine gute Idee.

Wirkt auch wie eine Notbremse: der Parlamentsvorbehalt Foto: dpa

D ie Mitsprache des Bundestages bei Militäreinsätzen stört einige Verteidigungspolitiker in der Union schon seit Langem. Deutschland sei militärpolitisch zu träge, da das Parlament Auslandseinsätzen der Armee in der Regel zustimmen muss, kritisieren sie. Den Parlamentsvorbehalt würden sie deswegen gern schleifen.

Warum das eine schlechte Idee ist, zeigt sich an den Überlegungen aus dem Verteidigungsministerium, über die die Bild-Zeitung am Montag berichtete und die Regierungssprecher nicht dementierten. Demnach prüft das Ministerium, deutsche Tornado-Jets für Luftangriffe nach Syrien zu schicken. Sie sollen das Land bombardieren, wenn syrische Regierungstruppen wieder Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Ein Bundestagsmandat wolle die Regierung in diesem Szenario nachträglich einholen.

Bei Gefahr in Verzug lassen die Gesetze diese Reihenfolge zwar grundsätzlich zu, aber noch nie hat eine Bundesregierung dieses Verfahren für einen Einsatz genutzt, dessen Legitimität so fraglich war wie die eines möglichen Angriffs auf Syrien. Völkerrechtlich wäre ein solcher Einsatz unzulässig. Zu dieser Einschätzung kam nach einem ähnlichen Angriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens im April schon der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Damals wollten die Angreifer ebenfalls einen Chemiewaffeneinsatz vergelten, dessen Hintergründe aber noch nicht unabhängig untersucht worden waren – wer weiß, ob das beim nächsten Mal mit deutscher Beteiligung anders liefe. Und schließlich könnte ein Angriff leicht eskalieren, da Russland in Syrien aufseiten der Regierungstruppen kämpft.

Natürlich gibt es gute Argumente dafür, Assad in den Arm zu fallen und Zivilisten zu schützen. Ob diese Argumente schwerer wiegen als die Einwände, muss aber vorab debattiert werden. Das ist der Zweck des Parlamentsvorbehalts. Einen Vergeltungsangriff auf Syrien macht der übrigens nicht unmöglich: Dass der Bundestag im Zweifel innerhalb weniger Tage in einer Sondersitzung entscheiden kann, hat er mehrfach bewiesen.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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9 Kommentare

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  • Flintenuschis Traum. Die logische Folge seit der völkerrechtswidrigen Bombardierung Serbiens durch die damalige rotgrüne Regierung.

    Heute spielt das Völkerrecht für Union oder Grüne keine Rolle mehr. Damit sind auch die letzten moralischen Hürden für den Angriffskrieg gefallen. Es gilt nur noch die eigene Moral, die eigenenDefinition von Gut und Böse. Fehlt nur noch, die Bundeswehr in Reichswehr umzubenennen. Schon wegen der Traditionspflege.



    Das zukünftige Deutschland wird aller Voraussicht nach schwarz und olivgrün sein. Finstre Aussichten. Beängstigend.

    Und ganz nebenbei: Wer sagt eigentlich, dass ein in Idlib eingesetztes Giftgas nicht (wieder) unter falscher Flagge eingesetzt wird? Da spricht doch einiges dafür. Z.B. die Tatsache, dass NATO Länder schon frühzeitig bekanntgaben, wann sie ihre Bomber schicken würden und nicht, wie sie helfen könnten, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.

  • Und was ist geholfen, wenn deutsche Bomben auf syrischen Boden fallen und dabei vielleicht "nur" Soldaten Assads getötet werden ? Vielleicht wird ihr Befehlshaber sogar durch diese Drohung vom Giftgaseinsatz abgehalten.

    Aber einer Zerstörung Idlibs durch den üblichen russisch-syrischen Bombenterror wird damit indirekt der vorauseilende Segen erteilt. Die gestern gerade noch intakte Stadt Idlib wird auch ohne Gaseinsatz in eine Trümmerlandschaft mit Tausenden Toten verwandelt, und wir werden die gräßlichen Bilder auf dem Sofa konsumieren - ebenso fasssunglos wie folgenlos.

    Schon Obama hat es nicht riskiert -wie angesagt-auf Assads Gas zu reagieren, als es vielleicht noch nicht zu spät gewesen wäre. Jetzt kommen solche symbolischen Drohungen und voraussehbar wirkungslosen Alibi-Aktionen zu spät.

    Zum Glück hat mal die SPD rechtzeitig die Reißleine gezogen, damit Deutschland nicht durch eine , militärisch und politisch nutzlose Geste der offenbar bombardierungsenwilligen Bundeswehr in das syrische Chaos eingreift.



    Für einmal : Danke, Andrea Nahles !

    • @unSinn:

      "Und was ist geholfen, wenn deutsche Bomben auf syrischen Boden fallen und dabei vielleicht "nur" Soldaten Assads getötet werden ?"

      Die Panavia Tornados die in Jordanien stationiert sind, würden bei einem Angriff ziemlich sicher Taurus Marschflugkörper einsetzen.

      Da ist der Stückpreis 950.000,- EUR, also dem Hersteller MBDA würde das schon helfen...

      Den Leuten da natürlich nichts.

  • Ihnen scheinen da die Entwicklungen der letzten Jahre nicht geläufig zu sein.

    2011 evakuierte die Bundeswehr 132 Zivilisten, größtenteils Deutsche und Briten, aus Lybien vom Ölfeld Al-Nafoura, da eine Rückholung per Zivilmaschine als zu gefährlich galt.

    Dafür verlegte die BW 6 Transall, Fallschirmjäger und Feldjäger nach Kreta, etwa 1.000 Mann. Am 26. Februar landeten diese auf dem Flugfeld des Ölfelds, die Marine ließ sogar 2 Fregatten im Golf von Syrte kreuzen, ohne Zustimmung der lybischen Regierung oder das diese informiert war, es gab auch keine Zustimmung des Bundestages, die Fraktionsspitzen der Parteien waren informiert.

    Hinterher wurde ebenfalls keine Zustimmung des Bundestages eingeholt, das AA und der IBUK nannten es "gesicherten Evakuierungseinsatz mit humanitärer Zielsetzung," deswegen bräuchten Sie keine Zustimmung des Bundestages.

    Dagegen reichten die Grünen eine Organklage ein. Das BVerfG stufte den Einsatz als „Einsatz bewaffneter Streitkräfte“ ein, damit wäre eine Zustimmung des BT erforderlich gewesen, aber verneinte diesen unter folgender Einschränkung.

    "Ist ein von der Bundesregierung bei Gefahr im Verzug beschlossener Einsatz zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer nachträglichen Parlamentsbefassung bereits beendet und eine rechtserhebliche parlamentarische Einflussnahme auf die konkrete Verwendung der Streitkräfte deshalb nicht mehr möglich, verpflichtet der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt die Bundesregierung nicht, eine Entscheidung des Deutschen Bundestages über den Einsatz herbeizuführen. Die Bundesregierung muss den Bundestag jedoch unverzüglich und qualifiziert über den Einsatz unterrichten. "

    Hier das Urteil, www.bundesverfassu...23_2bve000611.html,



    hier eine Zusammenfassung von Pegasus. de.wikipedia.org/w...ion_Pegasus_(2011)

    Damit ist der Parlamentsvorbehalt obsolet, wenn man nur schnell genug zuschlägt.

    • @Sven Günther:

      Es dürfte ja auch verfassungsmäßig noch ein Unterschied sein zwischen einer rechtzeitigen Rettungsaktion für deutsche Staatsbürger aus einem sich abzeichnenden Chaos und einer Beteiligung an einer Drohkulisse, die sich nicht auf die Einstellung a l l e r Angriffe auf die 3Millionenstadt bezieht aus humanitären Gründen.

      Da aber eine solche humanitäre Dimensionierung westlicher Ankündigungen erwartbar Putin und Assad kalt lassen, wird so etwas gar nicht einmal angedacht, geschweige denn versucht.

      • @unSinn:

        Nein, ist es nicht.

        Der Einsatzgrund ist für Einsätze der BW nicht entscheidend, wichtig ist was und wo eingesetzt wird.

  • "dessen Legitimität so fraglich war wie die eines möglichen Angriffs auf Syrien. Völkerrechtlich wäre ein solcher Einsatz unzulässig."

    Da muss sich der Autor aber entscheiden - stehen wir jetzt über dem Völkerrrecht?

    "Natürlich gibt es gute Argumente dafür, Assad in den Arm zu fallen und Zivilisten zu schützen. Ob diese Argumente schwerer wiegen als die Einwände, muss aber vorab debattiert werden."

    Die Grünen sind angeblich dafür - wofür dann die Debatte?

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    "Völkerrechtlich wäre ein solcher Einsatz unzulässig." - damit ist auch alles gesagt.

    • @970 (Profil gelöscht):

      Das ist den drei konservativen Parteien im Bundestag - CDU/CSU, AFD und den Grünen - doch egal.