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Kommentar Bundeswehr in AfghanistanKein Deutscher unter den Opfern

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Nur weil 2012 keine Bundeswehrsoldaten in Afghanistan starben, ist dem Land nicht geholfen. Der Wehrbeauftragte und der Außenminister sollten demütiger sein.

Für die Bundesregierung ist nicht jeder in Afghanistan gleich wichtig. Bild: dapd

I m vergangenen Jahr ist erstmals kein Bundeswehrsoldat in Afghanistan ums Leben gekommen. Prompt analysiert der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus: Diese gute Nachricht sei nur möglich, weil er sich so tapfer für mehr gepanzerte Gefährte für die Bundeswehr eingesetzt habe. Afghanistan sei friedlicher geworden, erklärt auch Außenminister Guido Westerwelle. Immerhin funkt er aber noch keine Entwarnung.

Das ist alles, mit Verlaub, geschmacklos. Niemand sollte den erfreulichen Umstand, dass 2012 kein Bundeswehrsoldat in Afghanistan starb, hierzulande zur Profilierung nutzen. Das fängt schon mit der Panzerung an. Nicht Leichtsinn war der Grund, warum die Bundeswehr früher nur leicht geschützt durch die nordafghanische Gegend fuhr, sondern dass sie das Vertrauen der Bevölkerung wecken sollte. Der Eindruck, es seien Besatzungstruppen im Land, sollte vermieden werden.

Dass dies kaum gelungen ist, liegt weniger an der Bundeswehr als am Auftreten der US-Truppen. Doch es waren auch die Vereinigten Staaten, die zuletzt mit einem Vielfachen der deutschen Truppen im Norden Afghanistans einrückten und der Bundeswehr den Job abnahmen, „Aufständische“ – und andere? – zu töten. Dies dürfte zur Sicherheitslage des deutschen Militärs erkennbar beigetragen haben.

taz
Ulrike Winkelmann

ist Co-Leiterin des Inlands-Ressorts der taz.

Schließlich aber ist es geradezu eine Verhöhnung der AfghanInnen, ihr Land zu einem sicheren Ort zu erklären, solange nur keine Deutschen unter den Opfern sind. Es sterben weiterhin Zivilisten dort, ebenso afghanische Polizisten und Soldaten. Sie übernehmen die Sicherheitsverantwortung für ein Land, in dem die Nato in zehn Jahren weder Frieden noch Ordnung zu errichten vermochte. Da sollte bei hiesigen Politikern mehr Demut angebracht sein.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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5 Kommentare

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  • T
    tommy

    @Normalo

     

    Sie haben mich falsch verstanden - ich persönlich finde es sehr erfreulich, dass keine deutschen Soldaten letzes Jahr in diesem (meines Erachtens sinnlosen) Einsatz getötet wurden. Ich vermute nur leider, dass dies manche taz-Leser, für die heutige Bundeswehrangehörige ja anscheinend auf einer moralischen Stufe mit der Waffen-SS stehen, dies anders sehen.

  • N
    Normalo

    @tommy

     

    Wer nichts Gutes daran finden kann, dass bestimmte Menschenleben NICHT ausgelöscht wurden, sollte seinen ethischen Kompass überprüfen und sich hüten, auch noch für Andere zu sprechen. Sie mögen noch so ein Anhänger des berühmten Tucholsky-Zitates sein, aber den Tod von Soldaten regelrecht herbei zu wünschen, ist schlicht menschenverachtend.

  • Z
    zensiert

    volle zustimmung dem artikel!

  • N
    Normalo

    Mal wieder der journalistische Beißreflex: Wenn Sie den Politikern jedes offene Wort so im Mund herumdrehen wie hier dem Außenminister, müssen Sie sich nicht wundern, wenn Politiker immer widerwilliger die Wahrheit sagen oder sonstwie Position beziehen.

     

    "Es ist ruhiger geworden" heißt eben NICHT: "Wir haben dort Frieden geschaffen." Es heißt - wenn überhaupt - dass Westerwelle die erfreuliche Reduzierung der Todesfälle auf Null nicht nur für einen statistischen Ausreißer hält, sondern für das messbare Resultat einer allgemeinen Verringerung der Kampfhandlungen in Afghanistan.

     

    Wenn sie also unbedingt beißen wollen, nageln Sie ihn halt auf diese Aussage fest und untersuchen kritisch deren Wahrheitsgehalt. Aber das sollte dann auch reichen. Alles weitere ist einfach nur böswillige Um-Interpretation des Gesagten.

     

    Ich halte Westerwelle übrigens auch nicht für so naiv oder machtbesoffen, dass er (laut) dächte, Irgendwer könnte in Afghanistan Frieden schaffen - außer den Afghanen. Wer auch immer hingegen der NATO ernsthaft vorwerfen will, das in zehn Jahren nicht selbst hinbekommen zu haben, scheint solche Allmachtsphantasien zu hegen. Ich würde an Ihrer Stelle daher den Schrei nach Demut auch ein wenig auf den eigenen Bedezimmerspiegel richten...

  • T
    tommy

    "Kein Deutscher unter den Opfern"

     

    Für viele taz-Leser sicherlich KEIN Grund zur Freude.