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Kommentar BundespräsidentenwahlHeinrich, Horst, Karl und Joachim

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Für den Posten im Schloss Bellevue, der bisher immer mit Männern besetzt war, wurde reflexhaft wieder ein Mann gesucht. Warum keine Frau?

Der Sessel im Schloss Bellevue ist leer? Da wünscht man sich nen männlichen Kandidaten her Foto: dpa

T heodor Heuss, Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel, Karl Carstens, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Johannes Rau, Horst Köhler, Christian Wulff, Joachim Gauck. Fällt Ihnen etwas auf? Ja, alles Männer.

Wird Zeit, dass endlich mal eine Frau das höchste Amt im Staat bekleidet. So hieß es, als klar war, dass Joachim Gauck nicht weitermacht als Bundespräsident. Und das Namedropping dann? Navid Kermani, Norbert Lammert, Winfried Kretschmann, Frank-Walter Steinmeier, Wolfgang Schäuble, Sigmar Gabriel. Wieder nur Männer.

Mit Gerda Hasselfeldt, Margot Käßmann, Ursula von der Leyen, Jutta Allmendinger waren zwar auch Frauen als Kandidatinnen im Gespräch. Aber das waren zum Teil übereilig herbeigeschriebene und damit lieblose Vorschläge – mit zu erwartenden Folgen: Entweder sagten die Frauen rasch ab. Oder es hieß: zu unbekannt, zu unerfahren, nicht konsensfähig.

Das Dilemma dahinter ist ein altes Problem: Für einen Posten, der bisher immer mit Männern besetzt war, wird reflexhaft wieder ein Mann gesucht. Warum keine Frau?

Die ebenso reflexhaften Antworten lauten: Es gibt keine, die wirklich geeignet ist. Das will keine machen. Die kennt sich mit dem Politikbetrieb nicht aus. Schön möglich, dass das auf manche Personalie zutrifft. Aber beim Sessel im Schloss Bellevue ist es wie mit den Stühlen in Aufsichtsräten: Es gibt Frauen, die talentiert, willens und konsensfähig genug sind. Man muss sie nur suchen – und ermutigen, falls sie selbst nicht auf die Idee gekommen sind zu kandidieren.

Und man muss die Courage haben, auch mal was zu riskieren. Eben nicht auf den einen (männlichen) Konsenskandidaten zu setzen, sondern Ausnahmen zu wagen.

In einem Jahr wählt Deutschland eine/n neue/n Kanzler/in. Kleiner Tipp: Es gibt nicht nur Merkel als geeignete Kandidatin. Auch in den anderen Parteien gibt es potente Frauen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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10 Kommentare

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  • Es ist der alte HUT !

    Die Bevölkerung wird gar nicht gefragt. Als Hitler 1933 vom direkt gewählten Reichspräsidenten Hindenburg zum Kanzler ernannt wurde, war klar: Der Bundespräsident darf nicht die Macht über Deutschland (mit Notverordnungen) bekommen. In Frankreich ist die Präsidentenwahl durch die Bevölkerung geblieben. Charles De Gaulle, Pompidou, Mitterand . . .

    Die Verfassung der BRD lässt diese Macht nicht zu, aber sie sieht auch nicht zu, dass die Macht von den Parlamentariern des Bundestages n_u_r von den Parteien gesteuert wird. Die Regel einer Gewissens-Entscheidung der Abgeordneten wird praktisch für Null erklärt. Ausserdem sollte das Grundgesetz nach dem Friedensvertrag, also der Wiedervereinigung neu beschlossen werden. Auch das wurde mit dem 2+4-Vertrag von 1990 ausgehebelt.

    Nach fast 70 Jahren einer Demokratie in Deutschland, freien Wahlen und europäischer Gemeinschaft, gibt die Abschottung der Wahl des Staatsoberhauptes keine gute demokratische Mitbesitmmung, so wie es Willy Brandt wollte:

    "Mehr Demokratie wagen". . . Der erste parteilose Bundespräsident ist heute im Amt. Daher mein Wunsch:

    Gebt der Bevölkerung das Stimmrecht. Die Aufgaben der Repräsentation Deutschland können so bleiben. Da hat Gustav Heinemann ein Vorbild für die Reinigung vom NAZI - Ballast gegeben.

  • Schön, wenn Sie bei meinem Posting etwas dazugelernt habe - ich nicht. Aber zwei Dinge zu Ihrem:

     

    1. Im Grundgesetz steht, dass der Präsident verfassungsgemäß zustande gekommene Gesetze ausfertigt. Punkt. Ohne Bedingungen. Selbst seine oberflächliche Prüfungskompetenz auf materielle Verfassungsmäßigkeit muss man sich mühsam über den Amtseid zusammenreimen. Das ist geltendes Verfassungsrecht, und es hat auch gute Gründe: Zum einen den Primat des Parlaments in der Gesetzgebung und zum Anderen die Rolle Hindenburgs bei der Ermöglichung der Machtergreifung durch Hitler, die man so nicht nochmal sehen will - und eine Machtergreifung durch den Bundespräsidenten selbst auch nicht. Der würde also nicht etwa durch sein Geschlecht gehindert, die "Nibelungentreue" zur Politik von Regierung und Parlament aufzugeben, sondern im Zweifel durch das Bundesverfassungsgericht.

     

    2. Das "Geschachere und Gemauschel" erfolgt nicht willkürlich, sondern nach weitgehend geschlechtsblinder, machtpolitischer Logik. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen unter welchen Bedingungen z. B. Ursula von der Leyen dran gewesen wäre. Aber sie ist nunmal CDU, und die CDU hat es im Moment nicht so nötig, eine der Ihren ins Schloss Bellevue zu bringen wie die SPD. Die wiederum hat zu wenig präsidiables weibliches Spitzenpersonal und weiß im Moment eh nicht, was sie mit einem Mann als Außenminister soll, der wahrscheinlich mit der künftigen US-Regierung auf keinen grünen Zweig kommt und nebenbei beliebt genug ist, um dem Parteivorsitzenden die Kanzlerkandidatur zu versauen. Diese Logik zu durchbrechen, um das Amt auf jeden Fall einer Frau zu geben, hieße das Geschlecht zum Hauptkriterium für die Auswahl zu machen. Und das ist, wie erwähnt, keiner Partei wichtig genug - zumal nicht, solange Merkel weiter die Bühne dominiert.

     

    Will sagen: Es hat NICHTS mit den Geschlechterklischees zu tun. von denen Sie sich offenbar nicht trennen können.

    • @Normalo:

      @Misanthrop

  • Liebe Frau Schmollack,

     

    Sie behaupten pauschal, dass es mindestens eine Frau gebe (wer auch immer das sein soll), die hinreichend erfahren, bekannt, konsensfähig und motiviert wäre, den Präsidentenjob zu übernehmen. Leider haben Sie damit die "reflexhaften" Gegenargumente, die gegen die konkreten, bislang ins Rennen geworfenen Kandidatinnen vorgebracht wurden, nicht auch nur im Ansatz widerlegt.

     

    Es ist tatsächlich nicht einfach, Jemanden zu finden, der die nötige Statur hat UND ins aktuelle politische Machtgefüge in Berlin passt. Und es tut es mir nicht wirklich leid für IHRE Agenda, dass das Geschlecht dabei nicht das vorherrschende Kriterium darstellt und daher Ihre augenscheinliche Herangehensweise ("Es MUSS eine Frau sein, alles weitere ergibt sich dann schon.") sich nicht durchsetzen kann. Löst man sich mal von der feministischen Schwarz-Weiß-Denke, dass Alles, was nicht aktiv frauenfördernd ist, frauenfeindlich sein muss, ist das sogar eine ganz erfrischende Erkenntnis.

     

    Dass es jetzt wohl wieder keine Frau wird, ist dabei zwar kein Zeichen vollendeter Gleichstellung, aber auch keine Hiobsbotschaft, wenn man sich mal anschaut, WARUM gewisse, theoretisch in Betracht kommende Frauen dann doch nicht können oder wollen. Die Gründe dafür sind nämlich alle nicht schlecht und vor allem: Nicht in EINEM Fall ist der Ablehnungsgrund, dass es sich um eine Frau handelt – weder offen noch verdeckt.

     

    Und nicht zuletzt: Ja, das Machtzentrum um Angela Merkel herum ist von ziemlich vielen Männern bevölkert, aber sie ist und bleibt die absolut dominierende politische Figur unseres Landes. Mehr sichtbare weibliche Führung und Führungskompetenz gibt es auf dem ganzen Planeten nicht. Sie ist vielleicht keine „orthodoxe“ Feministin, aber DAS ist auch keine legitime Gleichstellungsanforderung. In jedem Fall verblasst das Präsidentenamt neben der Bedeutung dieser Frau, und damit verblasst ebenso eine vermeintliche Notwendigkeit, auch dieses Amt (gezielt) mit einer Frau zu besetzen.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      Wunderbar. Ihre Sicht ist etwa die schwarz-schwarz-rote Sicht der Groko und ist eine klare Antwort darauf, warum die Hälfte der Bevölkerung von diesem Amt weiter ausgeschlossen bleibt.

      Frauen würden eventuell dieses Geschachere, Gemauschel und Abnicken nicht einfach mitmachen. Außerdem sind selbständige und kritische Geister in diesem Amt nicht gewünscht.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Wie sexistisch von Ihnen, dass Sie die Fähigkeit bzw. Bereitschaft, dieses "Geschachere, Gemauschel und Abnicken" mitzumachen, am Geschlecht festmachen. Meinen Sie etwa wirklich, Frauen seien aufgrund ihrer Disposition weniger in der Lage als Männer, Vor- und Nachteile einer politischen und rechtlichen Konstellation gegeneinander abzuwägen und dann eine pragmatsiche Entscheidung zu treffen?? Da unter- (oder, je nach persönlicher Prio-Setzung, über-)schätzen Sie aber die Hälfte der Bevölkerung gewaltig, würde ich sagen.

         

        Tatsächlich ist das Bundespräsidentenamt eben ein zuvorderst symbolisches. Wer das versteht, kann auch verstehen, warum es so und nicht anders durch die machtpolitischen Mühlen der Hauptstadt gedreht wird - egal welche Parteien gerade am Drücker sind. Und das "Abnicken" steht nunmal in der Verfassung und hat gewichtige historische Gründe.

         

        Der Platz, den die Präsidentenwürde für hemmungslosen Idealismus (oder ein solches Privatleben) lässt, ist somit gering. Aber auf der anderen Seite kommt man nirgends so "billig" an eine große, aufmerksame und wohlwollende Zuhörerschaft (oder eine so üppige Rente).

         

        Insofern KÖNNTE es den Preis einer eher gekungelten Erlangung des Amtes und des Verzichts auf unmittelbare politische Entscheidungsmacht wert sein - für Männlein wie Weiblein. Wer es in die vorderen Reihen von Politik, Wirtschaft, Kultur oder Wissenschaft gebracht hat, dürfte ohnehin schon ein wenig Teflon entwickelt haben, wo mal Reibungsflächen mit den eigenen Idealen existierten.

        • 4G
          4932 (Profil gelöscht)
          @Normalo:

          Sie entwickeln in Ihren 4 Absätzen selbst einen sehr positiven Erkenntnisgewinn und ich hoffe, daß Sie so weiter machen.

          Ich bleibe jedoch dabei, daß es erstens nicht sein dürfte, daß ein solches Zwitteramt (höchstes Amt mit minimaler Einflußmöglichkeit) ausschließlich Männern zugeschachert wird und zweitens, daß im GG nicht steht, daß jedes Gesetz 'abgenickt' werden muss, sondern genauso 'zurückgewiesen' werden kann. Das zweite ist warscheinlich auch der Grund, weshalb man Frauen ausschließt, da ihnen Nibelungentreue und Männerbündnisse naturgemäß fremder sind, als den treuen Kameraden.

  • Frau Schmollack, ich hätte mich über Ihren Vorschlag für eine BP-Kandidatin gefreut.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Sehr berechtigte Hinweise von Frau Schmollack.

    Aber da CDU/CSU und SPD nicht gerade moderne Parteien sind, die Männergesellschaft in diesen Parteien auch noch nichts von Gleichberechtigung hält, wird das noch eine Weile so bleiben. Frau Merkel ist so eine Alibiperson. EINE Frau, das muss genügen, so CDU/CSU und SPD.

  • doof ist halt: Alternativ wird reflexhaft nach 'einer' Frau gesucht.

     

    Und niemand sucht nach der am besten geeigneten Person ...