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Kommentar BruttoinlandsproduktMini-Minus ist nicht das Problem

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Das fehlende Wachstum ist nicht das Problem: Deutschland leidet vor allem unter der Deflation in den europäischen Nachbarländern.

Container-Terminal im Hamburger Hafen: Noch boomt der Export. Bild: reuters

A uch wenn es nur die Zahlen für ein Quartal, also einen relativ kurzen Zeitraum, sind: Viele Ökonomen hat erschreckt, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland zwischen April und Juni abgesackt ist. Wegen der sich täglich verschärfenden Krisen im Nahen Osten und der Ukraine ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesunken. Aber: Es ist nur ein Mini-Minus von 0,2 Prozent. Sieht noch nicht nach einer Bruchlandung für den deutschen Klassenprimus aus.

Die Abschwächung hat erstens mit einem statistischen Effekt zu tun: Nach dem starken Jahresauftakt fielen die Zahlen nun nicht mehr so berauschend aus. Zweitens: Deutschland hat sich jahrelang bestens entwickelt – die Binnennachfrage ist stark, die Exporte boomten. Es ist fast ein Wunder, dass ein von schwächelnden Ökonomien geradezu umzingeltes Land so lange so gut performt hat.

Also: Schwamm übers BIP-Minus, alles halb so wild – wenn sich die Konfliktherde nicht aufheizen. Das wahre Unglück kommt – derzeit – nicht von den mauen deutschen BIP-Zahlen. Beunruhigender ist, dass die Eurozone weiter Richtung Deflation taumelt.

Trotz drastischer Rettungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank sank die Inflation im Juli auf den tiefsten Stand seit Oktober 2009. Während der Preisauftrieb in Deutschland gering ist, sinken die Preise in Bulgarien, Griechenland, Spanien, Portugal und der Slowakei. Das Horrorszenario: Wenn alles billiger wird, investiert niemand mehr, ergo verkaufen die Firmen nichts mehr. Wenig Preisauftrieb plus Schwächelkonjunktur auch in für Deutschland wichtigeren Ländern, das beunruhigt bei der derzeitigen Krisendynamik viel mehr.

In Frankreich wurden die Wachstumserwartungen gerade halbiert, Italien steckt bereits in der Rezession. Deflation heißt, dass in Europa Zinsen und Wachstum jahrelang niedrig bleiben.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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1 Kommentar

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  • Mit schrittweiser Erhöhung der Mehrwertsteuer Deflation bekämpfen!

     

    Die Sparpolitik in Euroland führt mittlerweile erkennbar zu Deflationstendenzen.

     

    Gott behüte uns vor einer Deflation wie wir sie schon sei 20 Jahren in Japan beobachten können!

     

    Mit einer schrittweisen Erhöhung der MwSt können die PIIGS-Staaten wie auch Frankreich eine scheinbare Inflation initiieren und so die Wirtschaftstätigkeit impulsieren. Mit dem Mehreinnahmen könnten sie z.B. die Einkommensteuerfreibeträge erhöhen, die Einkommensteuersätze für die unteren Einkommensschichten senken oder auch ihre Staatsdefizite verringern - auch eine Kombination aus niedrigerer Einkommenssteuer und Defizitabbau wäre möglich.

     

    Deutschland hat genau das getan: mit der "Merkel-Steuer" sollten die Sozialabgaben und damit die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Von den Sozialdemokraten im Bundestagswahlkampf 2005 noch verunglimpft wurde die MwSt mit Hilfe er SPD dann in der ersten Groko sogar um 3 Prozentpunkte zum 01. 01. 2007 erhöht.

     

    In der Folge hat Deutschland über 200 Milliarden Steuermehreinnahmen erzielt, seine öffentlichen Haushalte konsolidiert und die Wirtschaftstätigkeit samt Binnennachfrage impulsiert.

     

    Die EU lässt derzeit eine MwSt-Höchstsatz von 25% zu. Worauf warten die PIIGS-Staaten und Frankreich eigentlich noch?