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Kommentar Boomender RadverkehrRücksicht steckt an

Kommentar von Richard Rother

Nicht nur in deutschen Städten setzen sich immer mehr Menschen aufs Fahrrad. Das ist gut. Doch es fehlt an Sicherheit.

Sollen auch Vorbild sein diese Radfahrer Bild: dpa

D er Radverkehr in Deutschland boomt; immer mehr Menschen steigen auf ihre (Elektro)räder. Vor allem in mittelgroßen Städten mit überschaubaren Entfernungen erfreut sich das Radeln größerer Beliebtheit; selbst bergige Gegenden werden dank der Elektroräder erschlossen.

Das ist höchst erfreulich, denn Radfahren schont die Umwelt und stärkt die Gesundheit. Dass dennoch vieles im Argen liegt, zeigt eine Großumfrage des Fahrrad-Clubs ADFC. Die Missstände sollten so schnell wie möglich behoben werden.

Die größten Ärgernisse der Radfahrer sind: zu schmale, schlecht gepflegte und zugeparkte Radwege; zu wenige und unsichere Abstellmöglichkeiten; Unterbrechungen durch Baustellen; für Radler ungünstige Ampelschaltungen. Das größte Problem aber ist: Viele Radler fühlen sich im Verkehr nicht sicher, auch Vielfahrer.

Das ist ein Alarmsignal. Denn wer sich permanent auf dem Rad oder in Bussen und Bahnen unsicher fühlt, könnte doch wieder aufs Auto umsteigen. Die Probleme sind altbekannt: Drängelnde Auto- und Lasterfahrer, verträumte Fußgänger und rücksichtslose Mitradler. Viele dieser Probleme kann man baulich entschärfen: zum Beispiel durch komfortable und klar erkennbare Radwege.

Dennoch lässt sich nicht jedes Problem baulich lösen: Vorsicht und gegenseitige Rücksichtsnahme aller Verkehrsteilnehmer müssen täglich gelebt werden – auch von Radfahrern. Wer flott über enge und belebte Fußwege radelt, im Dunkeln offensiv ohne Licht unterwegs ist oder jede Kreuzung bei Rot nimmt, braucht sich über negative Reaktionen von Fußgängern und Autofahrern nicht zu wundern.

Oder anders gesagt: Wer selbst mit gutem Beispiel voranfährt, dürfte seltener in Konflikt mit anderen geraten. Rücksicht steckt an – und dann dürfte auch die gefühlte Sicherheit steigen.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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12 Kommentare

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  • Zähne zeigen, Leute.

  • Ich muss sagen, es kommt auch auf das eigene Verhalten an. Ich fahre jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit, und ich habe bisher noch keine kritischen Situationen erlebt. Ich leuchte aber auch wie ein Weihnachtsbaum. Vollreflektierende Weste, Reflektoren an jeder Speiche. Außerdem nehme ich mir meinen Platz, lasse mich nicht in "Parklücken" abdrängen, sondern weiche erst aus wenn ich m.E. gefahrlos überholt werden kann. Und so funktioniert das echt gut. Ich könnte mich allerdings über unbeleuchtete Radfahrer tot ärgern. Dumme, ignorante Deppen, achtlos und sorglos, und sich dann über die bösen Autofahrer aufregen.

  • Vorschlag: Macht doch einfach mal bei den Veranstaltungen namens "Critical Mass" mit.

     

    Die sind zwar nicht überall, aber was nicht ist, wird hoffentlich noch werden.

     

    Dort wird für die Gleichberechtigung des Radfahrwesens im Straßenverkehr gefahren, in Form locker-lässiger, regelmäßig stattfindender Jedermann-Flash-Mobs.

     

    Darin findet aktive Entspannung statt!

     

    Denn von 99,9% der Politiker brauch man bekannterweise nicht das Geringste zu erhoffen (weil sie Autofahrer sind, und Radfahrer sind ja eh nur arme Spinner), die haben allesamt so lange die Hosen voll und merkeln das Thema weg, bis es von selbst über die Ufer tritt und sie sich nicht mehr wegstehlen können!

     

    Sorgen wir dafür!

  • Soweit ich weiß, ist noch kein Autofahrer ums Leben gekommen, der einen Radfahrer umgefahren hat; sei es, durch Alkohol am sicheren Fahren gehemmt, durch zu hohe Geschwindigkeit, durch Telefonieren, durch Verträumtheit, Aggression oder schlicht die Überzeugung, Verkehr sei identisch mit Autoverkehr. Nein, es sind Radfahrer*innen, die von Autos getötet werden.

     

    Diesem Umstand tragen aber die Politik und die Wirtschaft keineswegs Rechnung. Airbag am Auto, der neben den Insassen auch Fußgänger*innen und Radler schützt? Unsexy. Drastische Strafen für Autofahrer, die Fußgänger und Radfahrer anfahren, verletzen, töten? Nicht ADAC-, BILD- und CDU/CSU/SPD-kompatibel. Mehr Kampagnen für Rücksichtnahme gegenüber Nicht-Autofahrern im Straßenverkehr? Eingriff in die elementaren Persönlichkeitsrechte. Mehr breite Radstreifen zu Lasten der Fahrbahn? Kostet Arbeitsplätze in der Automobilindustrie.

     

    Solange die politische Verfasstheit dieses Landes gerade in den Städten den Autoverkehr einseitig privilegiert und keine Alternativen fördert, werden Radfahrer in den Augen der Autofahrer mobile Verkehrshindernisse blieben. Schade. Ein Blick in die Niederlande oder nach Dänemark lohnte sich, falls denn Änderungen gewünscht wären.

  • Irgendwann wird es einen Führerschein auf Probe für Radfahrer geben. Die Aggression, die mit dieser extrem positiven Entwicklung einher geht, ist mir schleierhaft. Aber da entbricht ein Kampf um Raum, auch wo er nicht nötig ist, wo zum Beispiel ein gut-ausgebauter und sauberer Radweg vorhanden ist, geraten Autos und Räder aneinander. Klar, idiotische Autofahrer gehören zu Deutschland - die gefährden Radfahrer (und Kinder, Jugendliche, Rentner, eigentlich alle Menschen) - warum das einige Radfahrer allerdings auch anfangen, habe ich nicht verstanden.

    • @Andreas_2020:

      Gerade dort, wo es den "gut aus gebauten sauberen Radweg" gibt, geraten Radfahrer und Autofahrer aneinander, nämlich an jeder Kreuzung. Und da braucht es weder den "idiotischen rücksichtslosen Autofahrer" noch den "rasenden Radler". Es liegt einfach in der Natur der Sache, dass mit der Anlage dieser Radverkehrtanlagen zusätzliche Kreuzungspunkte geschaffen werden, die die Aufmerksamkeit aller zusätzlich fordern. Nur sind die Ressourcen dafür naturgemäß begrenzt, wodurch es zu den typischen und häufig auch folgenschweren Unfällen kommt.

      • @flueggus:

        Einige Radler schießen auch mit Vollkaracho an der Kita meines Kindes vorbei, obwohl der Verlauf des Fahrradweges nahelegt, dass hier mit Behinderung zu rächnen ist. Das hat in einigen Fällen wohl was mit Mentalität und Angewohnheiten zu tun. Dass ich ein paar Mal noch wüst dann von denen beschimpft wurde und die ihre grundsätzliche Haltung zu Kindern auch zum Besten gegeben haben, will ich nicht verschweigen, obwohl ich das nicht für eine Radler-Mentalität halte, sondern für einen sonderbaren Verwahrlosungszustand in unserer Gesellschaft. Viele Menschen sind eben als Insel für sich selbst unterwegs, sitzen sie auf Rad, sind alle Autofahrer, Passante, ach egal, ein Problem, sind sie hinterm Steuer gibt aggressives Fahren und Hintenkleben. Fahren sie aus welchem Grunde auch immer für den HVV (oder anderen kommunalen Träger), dann donnern sie mit einem Riesenbus an die vorbei. Strafen und Gesetze scheinen für diese 'Minderheit' nicht als Abschreckung auszureichen.

        • @Andreas_2020:

          Der "Verlauf" eines Radwegs sollte immer gradlinig und gut einsehbar sein. Rennt das Kind achtlos auf die Fahrbahn? Nein, weil es dort gefährlich ist. Rennt das Kind achtlos auf den Radweg? Nein, weil es dort ebenso gefährlich ist, für Kind UND Radfahrer. (Gilt übrigens auch bei Erwachsenen.) Es gibt Sachen, die man einfach nicht macht/darf! Das selbe ist wenn Fuß- oder Radwege zugeparkt werden, oder Radfahrer auf dem Fußweg unterwegs sind. Es ist aus gutem Grund verboten! Leute die sich da beschweren, würden sich sicher auch über das Gehupe beschweren, wenn sie mitten auf einer Autobahn Picknicken würden...

          Mitverantwortlich für die Unfälle sind auf jeden Fall auch die Verkehrplaner. Durch die vorhandene Tecknik können die Ampelsteuerungen problemlos optimiert werden. Mir ist nicht ein einziger Radweg bekannt(!), der zu 100% den Vorschriften und damit den Anforderungen entspricht.

           

          Wenn man mal auf dem Radweg unterwegs ist, dauert es keine 5 Minuten bis irgendwas im Weg ist, seien es Fußgänger die dort ohne zu schauen gehen/queren, parkende Autos, rechtsabbiegende Autos die warten bis die Fußgänger durch sind und dabei auf dem Radweg stehen. Das ist das selbe wie, wenn man von einer kleinen Nebenstraße außerorts links auf eine Vorfahrtsstraße abbiegen will, wegen dem vielen Verkehr AUF die Spur die von links kommt vorzieht und wartet, bis dann von rechts frei wird. Wenn dann aber jemand von links kommt, muss der halt warten. Sowas hab ich noch nie gesehn, auch nicht von Radfahrern.

          • @HalverHahn:

            "Es gibt Sachen, die man einfach nicht macht/darf!"

             

            -> Rufen Sie mal Ihre Mutter an und fragen, wie gut Ihr Urteilsvermögen für solche Zusammenhänge mit 1,5 oder 2 Jahren war.

             

            -> Wir reden hier nicht von einer Grundschule oder 12-jährigen Kindern, sondern von einer Kita (0-6 Jahre).

             

            -> Und die sind immer in Begleitung von Erwachsenen und ErzieherInnen.

             

            -> Und ja, mein Kind und Kinder von Bekannten sind schon achtlos auf Fahrbahnen gerannt bzw. den Versuch haben sie unternommen, aber wir, die Eltern, sind ja dabei, dass es nicht passiert, deswegen wurde nichts draus.

             

            Auch da, können Sie Mama und Papa mal anurfen und fragen, was sie so probiert haben. Denn auch Sie waren mal ein Kind und erzählen Sie mir nicht, dass sie mit 1,5 Jahren die Verkehrsregeln kannten.

             

            Das ist doch ganz schöner Unfug, den sie hier schreiben und der Radfahrer als blanke, kranke (Verkehrs-)Egoisten enlarven, Sie fahren doch gar nicht Fahrrad, sondern wollen irgendwas anderes hier beweisen/erreichen.

  • Die Frage ist, will man sich sicher fühlen oder will man sicher sein?

     

    Auf Radwegen mag man sich sicher fühlen, man ist es aber nicht. Die Hälfte aller Radtote gehen auf Rechtsabbiegeunfälle zurück (also rechts abbiegende PKW oder LKW). Meist befuhren die hinterher toten Radfahrer dabei einen Radweg oder den Fußweg. Der Radverkehr gehört sichtbar auf die Fahrbahn! Und wenn immer mehr (dort) fahren, dann fährt man da auch sicher.

  • Und wieder wird auch hier das Märchen der Separation gepflegt, das schon hunderte Radfahrer in den sicheren Tod unterm abbiegenden LKW geschickt hat.

    Rechts neben rechtsabbiegenden Fahrzeugen haben geradeausfahrende Fahrzeuge, auch Fahrräder einfach nichts zu suchen!

    Mal abgesehen davon, dass das Fahren im allgemeinen Fahrzeugverkehr den einzelnen Radfahrer auch recht gut diszipliniert, was vorausschauendes Fahren, aber auch das Beachten von roten Ampeln betrifft.

    • @flueggus:

      Ich selbst könnte mit einer solchen Verkehrsführung gut umgehen und erlebe an mir tatsächlich die Disziplinierung, die du beschreibst. An solchen Stellen sehe ich aber manchmal auch ältere und unsichere Radfahrer, die hier eher in Gefahr sind und sich sichtlich unwohl fühlen. In den Niederlanden gibt es viele separate Wege, die aber dermaßen fett sichtbar sind, dass es gut zu klappen scheint. Aber dort sind auch die Regeln entsprechend und erst recht das allgemeine Verständnis von Verkehr. Die Vollhonks auf allen Seiten fehlen auch dort freilich nicht...