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Kommentar BischofskonferenzRecht und Selbstgerechtigkeit

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Es wäre falsch, von der Kirche zu verlangen, künftig die Strafanzeige verbindlich vorzuschreiben. Stattdessen müssen übergriffige Priester wirkungsvoll aus dem Verkehr gezogen werden.

B ei ihrem Schlagabtausch um den sexuellen Missbrauch haben sich beide Seiten eine blutige Nase geholt. Die Justizministerin hat fälschlicherweise den Eindruck erweckt, als stelle sich die katholische Kirche über das Recht, wenn sie nicht in jedem Fall Strafanzeige erstattet. Leutheusser-Schnarrenbergers Angriff hatte aber wenig Substanz, denn in Deutschland gibt es keine Anzeigepflicht. Aber auch Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, hat überzogen. Sein Ultimatium, die Ministerin müsse binnen 24 Stunden ihre Aussagen richtigstellen, wirkte allzu selbstgerecht. Hier versuchte sich die Kirche als Opfer zu stilisieren, wo es doch um die Frage nach ihrer Mitschuld geht.

Entscheidend ist, dass übergriffige Priester wirkungsvoll aus dem Verkehr gezogen werden und nicht an einer anderen Gemeinde erneut Kontakt zu Kindern und Jugendlichen erhalten. Dies war früher oft der Fall - und das war der eigentliche Skandal auf Seiten der Kirche. Die seit 2002 geltenden Richtlinien der Bischofskonferenz sehen aber vor, dass dies nicht mehr passieren darf. Und bisher gibt es auch kein Gegenbeispiel, bei dem die Kirche versagt hätte.

Falsch wäre es, von der Kirche zu verlangen, künftig die Strafanzeige verbindlich vorzuschreiben. Es gibt schließlich gute sachliche Gründe, dies nicht zu tun. Denn wenn ein Missbrauchsopfer weiß, dass es mit seiner Offenbarung gleich einen strafrechtlichen Automatismus auslöst, würde das offene Gespräch bei kirchlichen Beratungsstellen erschwert. Das könnte dazu führen, dass am Ende weniger Opfer Hilfe erhalten. Außerdem würde das Opfer erneut zum Objekt anderer gemacht, wenn es selbst keine Möglichkeit hätte, eine Strafverfolgung zu verhindern - zum Beispiel, um sich die damit verbundenen Belastungen zu ersparen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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14 Kommentare

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  • EG
    Ein ganz linker

    Hat einer der werten Zeitgenossen, die hier kommentieren sich eigentlich mal darüber informiert wie ein kircheninternes Untersuchungsverfahren aussieht und wie "kirchenintern" die Sonderstäbe in den Diözesen sind? Wenn dem so wäre wäre ich mich sehr sicher, dass die Kommentare substanzieller und weniger polemisch wären.

    Die Karikaturen, die hier gezeichnet werden erinnern mehr an den Kulturkampf, als an eine sachliche Diskussion aus dem Jahr 2010.

     

    @ clementine, einmal weitergelesen und gesehen was die kirchenrechtliche Konsequenz für den Abt war, der nach 2002 seine Meldepflicht verletzt hat?

  • R
    Renate

    Ich finde das Herr Rath Recht hat.

     

    Der Gedanke daran mich an eine Einrichtung zu wenden und dort meinen sexuellen Missbrauch zu melden,mit der Gewissheit das es gleich zu einer Anzeige kommen wird,würde mich davon abhalten mich dort zu melden.

  • C
    clementine

    Herr Ratz, mit der Recherche geben Sie sich offenkundig nicht viel Mühe. Es sei noch kein Fall bekannt, in dem seit Aufstellen der Richtlinien für den Umgang mit Missbrauchsfällen im Jahr 2002 dieses kircheninteren System versagt hätte? Da sollten Sie mal mit einem einzigen Mausclick zur FAZ schwenken:

     

    "... dass in Ettal bei möglichen Missbrauchsfällen Minderjähriger durch Klosterangehörige gegen die innerkirchliche Meldepflicht verstoßen wurde, hieß es in der Mitteilung. Konkret gehe es um Missbrauchsvorwürfe aus den Jahren 2003 und 2005. Pater Maurus habe es jeweils unterlassen, den Bischöflichen Beauftragten der Erzdiözese über die Vorwürfe zu unterrichten, hieß es."

     

    http://www.faz.net/s/RubC4DEC11C008142959199A04A6FD8EC44/Doc~E8C0F26FDE4CC424FA22FBB9AAF316F43~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  • MH
    Maximilian Haarpointner

    Sagen Sie es doch gleich auf Bayerisch, Herr Rath:

     

    >>Nehmet den Missbrauch hin und betrinket euch, denn "Salvator" heißt "Erlöser".

  • H
    hto

    OFFENSICHTLICH ist es, daß alle "braven Bürger" / Surfer auf dem Zeitgeist vor der katholischen Kirche auch nur BITTSTELLER sind - eine Kirche die VERBOTEN gehört!

  • M
    Mare

    Wieso eigentlich darf die katholische Kirche selbst 'ermitteln'? Stellen wir uns mal vor, da passiert in einer großen Firma ein Verbrechen, aber es kommt kein Staatsanwalt, keine Polizei, nein, die Firma darf selbst 'ermitteln'. Unglaublich.

    Und bei der evangelischen Frau Kläßmann stand sofort die Polizei zur richtigen Zeit am richtigen Ort und die evangelischen Kirchenoberen haben scheinbar auch keine Kontakte, um Ermittlungen zu verhindern. Hm, Recht ist Recht ist Recht oder was?

  • O
    ooops

    .... andererseits wird das Verschweigen und Vertuschen ermöglicht. Schon Aus Gründen der Integrität sollte eine Anzeigepflicht bei Organisationen bestehen in denen ein hohes Machtgefälle, oder/und das Gewaltmonopol involviert ist.

  • S
    saalbert

    Es scheint sich um eine eher harmlose Veranstaltung zu handeln: "sexueller Übergriff". Könnte es sein, dass es sich um Vergewaltigung handelt?

  • A
    avelon

    Als Mutter verlange ich, daß es kein ambivalentes Recht (Kirche - Staat) geben sollte.

     

    Nur beichten und sich versetzen lassen auf die naechste kirchliche Einrichtung, in der die Kinderschaendung weitergehen darf?

     

    ´Schweigen ist Gold. Reden ist silber´?

     

    Auch von Kindesmissbrauch Wissende und jahrzehntelang Schweigende machen sich mitschuldig und strafrechtlich verfolgbar.

     

    Exkommunizieren, ab ins Gefaengnis ... das waere die korrekte Loesung. Kindesmissbrauch bleibt fuer die Opfer lebenslang ein Trauma.

  • RP
    Rudolf Pokorra

    Zum Thema: Bischof Zollitsch

    Ich bin auch ein Opfer des Missbrauchs in der katholischen Kirche und möchte den Bischöfen und dem nicht so kundigen Leser Einblick gewähren in meine Erfahrung. Den die nachhaltigen Auswirkungen des Missbrauchs, sind meiner Ansicht nach den meisten Menschen nicht bekannt.

    Es war Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger Jahre, wo ich als vier bis fünfjähriger Junge von einem katholischen Vikar in einem katholischen Kindergarten in der Stadt Bergkamen, Kreis Unna öfters missbraucht worden bin. Viele Jahre hatte ich das vergessen gehabt.

    Die Erfahrung von Psychologen und Therapeuten weist ganz klar darauf hin, dass die meisten Menschen mit emotional belastendem Hintergrund diese Themen abspalten und vergessen, da Sie oftmals nicht die Möglichkeit haben diese schmerzhaften Dinge zu verarbeiten. Die Traumatisierten Menschen verdrängen also, um überhaupt weiter leben, um weiter funktionieren zu können

    Ein Zitat aus einem psychologischen Fachbuch: „Um mit Konflikten besser klarzukommen, muss ein Kind, das keine gute Verarbeitungsfähigkeit für die Erlebnisse seines Umfeldes haben kann, aufgrund seines noch nicht gewachsenen Intellektes und Unterscheidungsvermögen, dieses Kind also ist gezwungen, die nicht erledigten Thematiken abzuspalten. Diese Abspaltungen werden dann später zu einem größeren Problem.“

    Diese Thematiken der unterdrückten und abgespaltenen Emotionen, können sich im laufe der Jahre verselbstständigen und entwickeln sich dann oftmals weiter zu Resignationsthemen, zu Depressionen oder anderen psychosomatischen Störungen die bis hin zu organischen Erkrankungen reichen. Wisst Ihr was das heißt? Was das alles für Folgen in den Alltag mit hineinbringt? Da gibt es z.B. Verkettung von Problemerscheinungen in der Partnerbeziehung. Schwierigkeiten in der Selbstwahrnehmung und Empfindungsfähigkeit. Es können verschiedenste hartnäckige Ängste, Atemprobleme, geringe Belastbarkeit, dünne Nerven, und die anderen genannten Dinge auftreten. So braucht man in hartnäckigen Fällen ständig Therapien, um sich ein normales Funktionieren in dieser Gesellschaft zu ermöglichen! Die missbrauch betreibenden Menschen, haben größen Anteil daran, dass missbrauchten Menschen eine Menge an Lebensglück, ein gesundes Maß an Leichtigkeit und Angstfreiheit im Leben fehlen!! Manche der geschädigten Menschen bedürfen über Jahre hinweg psychotherapeutischer Hilfe. Es bleibt ein Geheimnis, wie viele Menschen den Missbrauch ausgeblendet haben und nichts mehr darüber wissen. Und es bleibt ein Geheimnis, wie viele von Ihnen durch eigene Hand selber aus dem Leben geschieden sind oder ein Sucht oder Drogenopfer wurden.

    Rudolf Pokorra Freiburg

  • A
    atypixx

    Kommt Rath, kommt Klarheit. Der beste Mann für alles, was mit Recht zu tun hat, und das schon seit Jahren.

  • PW
    Peter Wenner

    Wann sieht die Kirche ein dass der Zölibat eine Teilschuld hat?

     

    Er wurde im 11 Jahrhundert eingeführt um die Kosten der großen Priesterfamilien einzusparen und ist heute überflüssig.

     

    Hardliner können dann ja noch immer freiwillig im Zölibat leben...

  • M
    Martin

    Dieser Kommentar ist ja wohl das widerlichste Beispiel von Schönrederei, das ich in der letzten Zeit gelesen habe.

    Das einzige, wozu die nicht sofortige Anzeige dient, ist die Vertuschung. Man sollte meinen, das zumindest hätte die bisherige Praxis mehr als deutlich gezeigt.

  • WZ
    W. Zimmer

    Weder ein Privatmann noch ein privatrechtlicher Verein ist zur Selbstanzeige verpflichtet, - richtig. Die Großkirchen, auch die römisch katholische sind aber Körperschaften des öffentlichen Rechts, - sonst könnten sie keine Kirchensteuer einziehen. Außerhalb ihres Verkündigungsauftrags (und mit dem haben sexuelle Übergriffe nun wirklich nichts zu tun) sind sie deshalb schon gehalten, Amtshilfe zu leisten und mit den Staatsanwaltschaften zu kooperieren und auch Anzeigen zu erstatten. Einzelheiten sollten in den Konkordaten und in den Ausführungsbestimmungen dazu geregelt sein. Bitte mal recherchieren. Dann geht es hier sachbezogen weiter.