Kommentar Biller-Roman: Eine Niederlage der Literatur
Maxim Biller hat sich das Verbot seines Romans "Esra" vor allem selbst zuzuschreiben. Für die Literatur ist es allerdings eine Tragödie.
S chreiben ist Macht. Ein Schriftsteller kann, allein durch sein Werk, viel mächtigere Gegner reizen oder den gesellschaftlichen Mainstream provozieren. Er kann seine privilegierte Stellung aber auch dazu benutzen, Kollegen zu schmähen, persönliche Feinde zu bekämpfen oder vergangene Liebschaften zu verarbeiten.
Daniel Bax, 37, ist taz-Meinungsredakteur.
Der Schriftsteller Maxim Biller hat Letzteres getan und sich in seinem 2003 erschienenen Roman "Esra" ausgiebig auf seine Erfahrung einer gescheiterten Beziehung gestützt. Ob ihn dabei Rachegefühle trieben oder ob er nur einem fragwürdigen Authentizitätsbegriff folgte, bleibt vorerst sein Geheimnis. Aber dass er sich auf reale Personen bezog, wurde an vielen Stellen des Romans deutlich.
Damit riskierten er und sein Verlag sehenden Auges die Auseinandersetzung mit den geschilderten Personen, die ihn prompt verklagten und vor Gericht Recht bekamen. Der Roman wurde verboten, nun hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot in letzter Instanz bestätigt. Damit ist für "Esra" der finale Vorhang gefallen. Für die Literatur ist das eine Tragödie, schließlich ist "Esra" trotz allem ein gutes Buch und Biller einer der besten Autoren, die es in Deutschland gibt. Doch diese Tragödie hat sich der Autor zum guten Teil selbst zuzuschreiben. Hätte er auf allzu eindeutige Hinweise verzichtet, hätte er sich seiner Verantwortung als Autor gewachsen gezeigt.
Das Gericht musste zwischen zwei Grundrechten abwägen, zwischen der Kunstfreiheit und den Persönlichkeitsrechten der Klägerinnen: Es hat sich für den Schutz der Privatsphäre entschieden.
Für die Literatur wäre es sicher besser gewesen, wenn sich das Gericht im Zweifel für die Kunstfreiheit ausgesprochen hätte.
So bleibt der fade Nachgeschmack, dass hier ein Roman per Verbot aus dem Verkehr gezogen wird. Kommende Generationen werden vielleicht einmal den Kopf schütteln über die Gründe, aus denen dies einst geschehen ist. Denn die literarische Qualität des Romans liegt jenseits der verständlichen Empfindlichkeiten der Betroffenen oder der fragwürdigen Motive des Autors.
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