Kommentar Bildungsplan in Ba-Wü: Sie können auch Vielfalt
Kretschmann will den Bildungsplan-Entwurf erweitern. „Vielfalt“ beziehe sich nicht nur auf Sex, sondern auch auf Religion und Herkunft. Das ist klug.
E in kluger Schachzug, den sich Winfried Kretschmann ausgedacht hat. Einer, mit dem er alle auf einen Schlag zufrieden macht: Künftig wird nicht nur Akzeptanz sexueller Vielfalt an den Schulen im Land gelehrt, sondern auch Toleranz gegenüber Religion und Herkunft von Menschen. So wollte es die CDU.
Wie fortschrittlich! Toleranz und Akzeptanz sollen sogar eine von sechs Leitperspektiven im Bildungsplan werden. Und plötzlich sind alle zufrieden. Müssen es sein. So haben sie es schließlich selbst gefordert.
Die Erziehung zur Akzeptanz sexueller Vielfalt leidet unter dieser Strukturveränderung keineswegs. Dass andere Toleranzbegriffe mitaufgenommen werden, ist konsequent. Und letztlich eine Stärkung.
Zwar wird die Diskussion um den Bildungsplan in Baden-Württemberg noch weitertoben. Doch die salonfähigen Argumente hat Kretschmann seinen Gegnern genommen. Dadurch ist allerdings zu befürchten, dass die Demo-Veranstalter noch mehr als bisher mit irrationalen Ängsten der Eltern arbeiten und ein weiterer Rechtsruck der Bewegung stattfindet.
Doch Kretschmann bewahrt Ruhe. Davon scheint er auch nach gut zwei Jahren an der Regierung noch reichlich zu haben. Warum der Regierungschef zusammen mit seinem Kultusminister in den vergangenen Monaten stoisch am bisherigen Bildungsplan-Entwurf festgehalten hat, wenn nun doch Änderungen vorgenommen werden, bleibt allerdings unverständlich.
In dieser Zeit hat sich die Diskussion hochgeschaukelt. Baden-Württemberg hat unter der Debatte gelitten, in der inzwischen bundesweiten Diskussion kam das Land einmal mehr als rückständig und erzkonservativ daher. Den Vorwurf „Wir können alles außer Vielfalt“ hätte sich das Land durch frühes Einlenken leicht ersparen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene