Kommentar Bergbaustreiks in Bolivien: Töten gegen staatliche Kontrolle
In Bolivien haben viele Genossenschaften die Größe von Bergbaumultis erreicht. Ihr Protest richtet sich gegen die Zulassung von Gewerkschaften.
A rbeitskämpfe werden in Bolivien traditionell mit harten Bandagen geführt. Bilder von kilometerweit verstreuten Steinbrocken auf den Überlandstraßen des Landes gehören ebenso dazu, wie der Knall explodierender Dynamitstangen, wenn die Bergleute protestieren.
Der Tod des Vize-Innenministers Rodolfo Illanes am vergangenen Donnerstag stellt jedoch auch für bolivianische Verhältnisse eine neue Stufe der Eskalation dar. Zum Schlichten war der Regierungsvertreter Illanes den Bergarbeitern, den Mineros, entgegengefahren und wurde mutmaßlich von einigen von ihnen gekidnappt und zu Tode geprügelt.
Ein Teil der bolivianischen Mineros ist in sogenannten Cooperativas organisiert. Ihre Zahl wird auf 1.700 geschätzt, die ihrer Mitglieder auf etwa 10.000. Die Bezeichnung Kooperative führt allerdings bei einer Reihe von ihnen in die Irre. Richtig ist, dass die Mitglieder formal keine Chefs haben, nicht der staatlichen Bergbaugesellschaft unterstehen und auch nicht für Hungerlöhne und unter schlechten Arbeitsbedingungen für die großen Bergbaumultis schuften müssen.
Durch den Boom der internationalen Rohstoffpreise auch bei Erzen und Metallen sind jedoch nicht wenige dieser Kooperative zu großen Firmen herangewachsen, die heute in ihren Ausmaßen den internationalen Unternehmen immer näher kommen. Meist ist es die Kerngruppe aus den Gründungsjahren der Kooperative, die zusätzliche Mitglieder formal einstellt, aber unter prekären Bedingungen beschäftigt. Staatliche Kontrolle findet nicht statt, ganz zu schweigen von der gewerkschaftlichen.
Vor diesem Hintergrund zeigen sich der granitharte Widerstand so mancher Cooperativistas gegen die Zulassung von Gewerkschaften und ihre gleichzeitigen Forderungen nach zusätzlichen Konzessionen für neue Abbaugebiete, um mit den privaten Multis kooperieren zu können, und nach Lockerung von Umweltauflagen in einem ganz anderen Licht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?