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Kommentar Befragung der KanzlerinSo wird das nix, Opposition

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Erstmals musste sich Kanzlerin Angela Merkel den Fragen der Abgeordneten stellen. Die Fragen der Opposition waren allerdings zu unpräzise.

Im Rampenlicht: Bundeskanzlerin Angela Merkel musste sich erstmals direkt den Fragen der Abgeordneten stellen Foto: dpa

D ie parlamentarische Demokratie hat seit Jahren keinen leichten Stand mehr. Fast drei Viertel der Deutschen glauben, dass demokratische Parteien Probleme zerreden, statt sie zu lösen. Die Rechtspopulisten punkten mit Diffamierungen der angeblichen Altparteien. Und auch die Behäbigkeit der zweiten Großen Koalition in Folge ist nicht geeignet, Begeisterung zu wecken. Es droht, in Vergessenheit zu geraten, welch ein großes Glück es ist, in einer gefestigten und liberalen Demokratie zu leben.

Allein deshalb war die Premiere wichtig, die am Mittwoch im Bundestag stattfand. Erstmals musste sich Kanzlerin Angela Merkel den Fragen der Abgeordneten stellen. Die SPD hat diese Fragestunde nach dem Vorbild der Prime Minister’s Questions im britischen Unterhaus in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, die Grünen fordern sie seit ­Jahren.

Merkel, die nicht dazu neigt, ihre Politik gut zu erklären, muss den gewählten VolksvertreterInnen dreimal im Jahr Rede und Antwort stehen. Diese Auskunftspflicht, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, stärkt nicht nur die Rechte des Parlaments. Ein Schlagabtausch mit der Regierungschefin kann für die Demokratie belebend wirken, indem er Menschen für den Parlamentarismus einnimmt. Solche Ideen können wie Sprudelbläschen in schal gewordenem Champagner wirken. Die Betonung liegt auf „können“. Sie müssen aber nicht.

Denn die Reform ist nur ein kleiner Schritt, weitere müssten folgen. Merkel hat ihren Auftritt wie erwartet professionell und cool durchgezogen. Sie bewies wieder einmal, dass sie Details aus Dutzenden Themen referieren kann. Sie wich routiniert aus, wenn sie nicht antworten wollte. Und sie nutzte geschickt die Gelegenheit zu Gegenattacken – etwa als sie einem Linken-Abgeordneten vorwarf, Deutschland gegen freien Handel abschotten zu wollen.

Merkel hat gewonnen

Die Opposition dagegen klang erstaunlich brav. Die Fragen waren unpräzise und zu wenig abgestimmt, um die Kanzlerin in die Enge treiben zu können. Merkel hat das Duell, dem sie sich jahrelang verweigerte, gewonnen. Das lag auch daran, dass die Regeln zu ihren Gunsten wirken. So ist es zum Beispiel lächerlich, dass den Abgeordneten keine Nachfragen erlaubt sind. Nur wer direkt nachhaken darf, kann sein Gegenüber in einem wichtigen Punkt festnageln. Auch der Zeitrahmen von einer Stunde ist zu knapp bemessen.

Dabei ist die Merkel-Befragung nur ein Beispiel von mehreren dafür, dass der nötige Mut fehlt. Regierungsbefragungen, in der Staatssekretäre vom Blatt lesen, oder Reden nach Schema F, die sich kaum aufeinander beziehen, haben im Wettbewerb um Aufmerksamkeit keine Chance. Etwas mehr Kreativität wäre ein echter Gewinn fürs Parlament.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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11 Kommentare

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  • Die Kultur der Fragestunde muss sich vielleicht auch erst noch "eingrooven". Wenn wirklich primär Fragen gestellt werden, kann man sicher auch über Nachfragen (=Diskussion) reden. Solange aber bereits der Ausgangspunkt eher als ausformulierte Präsentation der eigenen Sichtweise rüberkommt, besteht dazu kein Anlass. So kommt eh kein Dialog zustande.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Die Fragen der Opposition waren allerdings zu unpräzise"?

    Sehe ich nicht so. Die gute Frau hat auf bestimmte Fragen einfach nicht geantwortet. Was ist an einer Frage, wie "...über 2 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut, oder sind von Armut bedroht. Glauben Sie wirklich, Frau Bundeskanzlerin, dass es diesen Menschen 'gut' geht?", bitte "unpräzise"?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wer bei einer Show-Veranstaltung wie dieser auf dem Terrain der Bundeskanzlerin mitspielt (Heimspiel), braucht sich nicht zu wundern, wenn er vorgeführt wird.

     

    Die Oppositionsparteien (außer der AfD) sollten sich zwei, drei Gedanken darüber machen, ein Forum zu schaffen, das Raum für Zuspitzungen durch Nachfragen gibt. Falls es dazu keine Übereinkunft mit der Regierung/ BKin geben sollte, wäre ein Verzicht oder eine Schweigerunde besser. Weniger ist manchmal mehr.

     

    Was das "große Glück" in einer liberalen Demokratie zu leben angeht, habe ich noch nicht verstanden, worin dies besteht. Etwa in solchen Formaten der S c h e i n aussprachen?

     

    Verunstaltungen wie diese forcieren die Verflachung und Verblödung in einer Welt der Inszenierungen. Die große Sedierung bis zum bald stattfindenen finalen Tanz der Lemminge.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Kurzer Nachtrag: die AfD (auch Oppositionspartei) sollte sich natürlich auch Gedanken machen. Ich befürchte: bei ihnen werden zwei, drei nicht ausreichen.

  • Ich war nicht dabei, mich erreichen die Abstiegsangst und das Jasager Gedusel trotzdem. Nur keine Gegenmeinung aufbauen, sonst ist man Verlierer. Ein dummes Regime, das in Fragen der Selbstverblödung und trotzdem unmißverständlich positiven Selbstdarstellung damit gewinnt, daß Kritik entweder nicht zugelassen wird oder sich gleich selbst verbietet, ist das ehrlichste politische Instrumentarium, das einem Volk zur Verfügung steht. Zechprellerei, Diätenprellerei, Rentenprellerei, Sanktionierprellerei, Kundenprellerei. Das Ziel der Demokratie, wir wollen betrogen werden, wurde erreicht.

  • Fazit: internationale Treffen, Handelsabkommen und Geschäfte müssen der gesamten Bevölkerung dienen und nicht nur Unternehmen. Unternehmen bekommen höhere Umsätze und es entstehen mehr Arbeitsplätze – OK. ABER! Unternehmen bekommen auch höhere Margen pro Produkteinheiten durch neue Abkommen. Hier erwarten Menschen noch höheren und ausnahmslosen Mindestlohn, tatsächlich bremsende Mietpreisbremse, Bekämpfung der Obdachlosigkeit wie in Bremen, Aufhebung von Sanktionen bei Hartz IV… noch sozialere Lösungen also pro jeweiliges Thema, das die Bevölkerung in unserem Land momentan jeweils spaltet.

  • Frau Angela Merkel hat die Fragerunde klar für sich gewonnen und die eigene Position der Bundeskanzlerin als unangefochten bestätigt. Sie hat mit den Fachbegriffen jongliert und mit der Vielfältigkeit der Deutschen Sprache brilliert. Unfaire Angriffe seitens der AfD wurden gekonnt unter Verwendung von Fakten (wie EU Rechtssprechung zum Thema Flüchtlinge) und unschlagbaren Argumenten pariert.

     

    DIE LINKE auf die Breite und die Tiefe der sozialen Ungerechtigkeit (seit dem Jahr der Einführung der Agenda 2010) hierzulande hingewiesen:

     

    -Überproportionale Absenkung der Reallöhne seit den 90er Jahren(das Verschlechtert das Lebensniveau für ca. die Hälfte der Bevölkerung enorm, Anm. d. Verf.),

    -Entwicklung der Mieten und Ausnutzung der Situation durch Immobilienspekulanten (selbst aus dem Ausland),

    -Ausweitung der prekären Arbeitsverhältnisse wie Leiarbeit (von 400.000 auf 1 Million Arbeiter),

    -Auswirkung der Agenda 2010 durch massive Verschiebung der Arbeitslosen in den Niedriglohnsektor und v.a. aufgrund dessen drastische Zuname von HARTZ IV Aufstockern (rd. 1,2 Mio. Menschen momentan),

    -In etwa eine Verdoppelung der Kinderarmut.

     

    Bündnis 90/Die Grünen haben mehrere ökologischen Themen ins Gespräch gebracht. Hier wünscht man sich noch stärkere Kritik gegen z.B. Herrn Trump und China, denn die beiden Länder (USA und China) sind für den Energiewandel in der Welt hauptverantwortlich. Und die Grünen müssen eine sozialere Energiewende für Deutschland fordern, die nicht nur auf den Schultern der Bevölkerung getragen wird! Für Unternehmen gelten sehr viele Ausnahmen, außerdem reichen Energieunternehmen die Kosten der Energiewende über Verkaufspreise an die Endverbraucher (v.a. Privathaushalte) weiter.

  • Irgendwie hat die TAZ da wohl irgend ne Kleinigkeit vergessen zu erwähnen:

    //http://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-europa-macht-dicht-1.4005068

  • Kein Nachfragen erlaubt? Da kann man es gleich an den Seibert schicken. die Antwort wird genauso informativ.

  • eine Stunde? keine Nachfragen? klingt nach Steuergeldverschwendung und nicht mehr

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Kreativität? Woher? Von wem?

    Wenn das Format in dieser Form beibehalten wird, dann ist es ein Theaterstück ohne Substanz.

    Dann kann Frau Merkel ruhig zuhause bleiben und die Opposition ebenso.

    Augenwischerei!