Kommentar Attackierte Flüchtlingsheime: Eine übergreifende Strategie
In der letzten Zeit wurden vermehrt Anschläge auf geplante Unterkünfte für Asylsuchende verübt. Die rechte Szene feiert den Hass.

R eichertshofen und Meißen. Limburgerhof und Tröglitz. Lübeck und Zossen. Vorra und Escheburg. Remchingen. All diese Städte und Gemeinden haben eins gemein: Noch bevor Menschen dort Schutz vor Krieg, Verfolgung und Not finden konnten, wurden die geplanten Unterkünfte angezündet oder beschädigt. Eine neue Nichtwillkommenskultur, die die rechtsextreme Szene feiert und befeuert: Die „Schmerzgrenze“ sei erreicht, „die Deutschen“ würden erwachen.
In den vergangenen Monaten fand die neue Aktionsform immer mehr Zuspruch. Warum erst auf „die Asylbetrüger“, „die Kriminellen“ und „Sozialsystemschmarotzer“ warten? Warum nicht gleich ihre Ankunft verhindern? „Wann, wenn nicht vorzeitig, wann, wenn nicht sofort“ scheint vorzuherrschen, wenn bekannt wird, wo eine Unterbringung geplant ist. Selbst wenn die Nutzung nur verzögert wird, ein Zeichen ist gesetzt – gegen die einzelnen Flüchtlinge und Asylsuchenden und die gesamte Flüchtlings- und Einwanderungspolitik.
Im Internet weist die Szene von NPD bis „Der Dritte Weg“ schon länger auf unterschiedliche Weise auf bestehende Flüchtlingsunterkünfte oder geplante Unterbringungsorte hin. Denn die neue Aktionsform löst nicht die alte Aktionsform ab. Seit Monaten greifen „Unbekannte“ vermehrt Unterkünfte an, in denen Menschen untergebracht sind. In Böhlen schossen Täter auf eine Flüchtlingsunterkunft.
Mit den militanten Aktionen offenbart die Szene aber auch, dass es für sie kein Widerspruch ist, zugleich mehr kommunale Akzeptanz zu suchen. In ihrer Strategie geht das Aufgreifen von sozialen Themen mit den Angriffen auf die ausgemachten Feinde einher. Um einen Anschlag zu verüben, muss man aber kein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben; die gewöhnlichen rassistischen Vorstellungen genügen. In Escheburg zündete ein biederer Steuerbeamter die geplante Unterkunft an. Die „Ja, aber“-Rassisten könnten auch andernorts gezündelt haben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade