Kommentar Armutsmigration: Placebo gegen die AfD
Die CSU kann stolz von sich behaupten, sie habe etwas getan: gegen jenen „Sozialmissbrauch“, den sie zuvor zum Popanz aufgeblasen hat.

Von Roma bewohnt: altes Fabrikgebäude in Berlin-Mitte. Bild: reuters
Es ist gut, dass die Bundesregierung all jenen Kommunen, die knapp bei Kasse sind und sich deshalb bei der Integration armer Zuwanderer und Flüchtlinge überfordert zeigen, jetzt unter die Arme greifen will. Es ist gut, dass sie für diese Gruppen jetzt gezielte Integrationsangebote schaffen will, und es ist gut, dass sie der Ausbeutung von Arbeitsmigranten durch Dumpinglöhne und Wuchermieten einen Riegel vorschieben möchte. Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn all diese Maßnahmen unter einem anderen Stern gestanden hätten.
„Wer betrügt, der fliegt“, hatte die CSU zur Jahreswende getönt, als die Freizügigkeit in der EU auf Rumänen und Bulgaren ausgedehnt wurde. Sie suggerierte damit, dass es die Mehrheit der Einwanderer aus diesen Ländern nur auf deutsche Sozialleistungen abgesehen hätte. Und sie unterstellte, dass, wer arm ist, automatisch zum Betrug neigen müsse.
Beides ist falsch. Mit Wörtern wie „Sozialtourismus“ und „Armutsmigration“, das zur Chiffre für Roma geworden ist, hat die CSU an alte, antiziganistische Vorurteile appelliert und die Debatte vergiftet. Und das alles nur, um zu verhindern, dass rechts von ihr eine Partei wie die AfD diese Ressentiments aufgreift und erstarkt.
Nichts spricht dagegen, den betrügerischen Bezug von Sozialleistungen zu erschweren. Aber für den massenhaften „Sozialmissbrauch“ durch Einwanderer aus EU-Ländern, vor dem die CSU warnt, hat sie bis heute keinen Beleg. Mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung jetzt beschlossen hat, kann sie trotzdem zufrieden sein. Von besonders steilen CSU-Forderungen ist zwar nicht viel übrig geblieben, und manches davon ist nur ein Placebo für ein Problem, das es so nie gab.
Aber die CSU kann jetzt stolz behaupten, sie hätte etwas gegen einen „Sozialmissbrauch“ getan, den sie selbst erst zum Popanz aufgeblasen hat.
Kommentar Armutsmigration: Placebo gegen die AfD
Die CSU kann stolz von sich behaupten, sie habe etwas getan: gegen jenen „Sozialmissbrauch“, den sie zuvor zum Popanz aufgeblasen hat.
Von Roma bewohnt: altes Fabrikgebäude in Berlin-Mitte. Bild: reuters
Es ist gut, dass die Bundesregierung all jenen Kommunen, die knapp bei Kasse sind und sich deshalb bei der Integration armer Zuwanderer und Flüchtlinge überfordert zeigen, jetzt unter die Arme greifen will. Es ist gut, dass sie für diese Gruppen jetzt gezielte Integrationsangebote schaffen will, und es ist gut, dass sie der Ausbeutung von Arbeitsmigranten durch Dumpinglöhne und Wuchermieten einen Riegel vorschieben möchte. Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn all diese Maßnahmen unter einem anderen Stern gestanden hätten.
„Wer betrügt, der fliegt“, hatte die CSU zur Jahreswende getönt, als die Freizügigkeit in der EU auf Rumänen und Bulgaren ausgedehnt wurde. Sie suggerierte damit, dass es die Mehrheit der Einwanderer aus diesen Ländern nur auf deutsche Sozialleistungen abgesehen hätte. Und sie unterstellte, dass, wer arm ist, automatisch zum Betrug neigen müsse.
Beides ist falsch. Mit Wörtern wie „Sozialtourismus“ und „Armutsmigration“, das zur Chiffre für Roma geworden ist, hat die CSU an alte, antiziganistische Vorurteile appelliert und die Debatte vergiftet. Und das alles nur, um zu verhindern, dass rechts von ihr eine Partei wie die AfD diese Ressentiments aufgreift und erstarkt.
Nichts spricht dagegen, den betrügerischen Bezug von Sozialleistungen zu erschweren. Aber für den massenhaften „Sozialmissbrauch“ durch Einwanderer aus EU-Ländern, vor dem die CSU warnt, hat sie bis heute keinen Beleg. Mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung jetzt beschlossen hat, kann sie trotzdem zufrieden sein. Von besonders steilen CSU-Forderungen ist zwar nicht viel übrig geblieben, und manches davon ist nur ein Placebo für ein Problem, das es so nie gab.
Aber die CSU kann jetzt stolz behaupten, sie hätte etwas gegen einen „Sozialmissbrauch“ getan, den sie selbst erst zum Popanz aufgeblasen hat.
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Kommentar von
Daniel Bax
Autor und Journalist
Daniel Bax ist Autor und Journalist. Er lebt in Berlin und schreibt zu Themen wie Migration, Integration und Religion, über Rassismus und Antisemitismus, Popkultur und globale Musik. Von 1998 bis 2017 war er Redakteur bei der taz: im Kulturteil, im Ressort "Meinung und Debatte" und im Inlandsressort. 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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