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Kommentar ArmutsmigrationPlacebo gegen die AfD

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Die CSU kann stolz von sich behaupten, sie habe etwas getan: gegen jenen „Sozialmissbrauch“, den sie zuvor zum Popanz aufgeblasen hat.

Von Roma bewohnt: altes Fabrikgebäude in Berlin-Mitte. Bild: reuters

E s ist gut, dass die Bundesregierung all jenen Kommunen, die knapp bei Kasse sind und sich deshalb bei der Integration armer Zuwanderer und Flüchtlinge überfordert zeigen, jetzt unter die Arme greifen will. Es ist gut, dass sie für diese Gruppen jetzt gezielte Integrationsangebote schaffen will, und es ist gut, dass sie der Ausbeutung von Arbeitsmigranten durch Dumpinglöhne und Wuchermieten einen Riegel vorschieben möchte. Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn all diese Maßnahmen unter einem anderen Stern gestanden hätten.

„Wer betrügt, der fliegt“, hatte die CSU zur Jahreswende getönt, als die Freizügigkeit in der EU auf Rumänen und Bulgaren ausgedehnt wurde. Sie suggerierte damit, dass es die Mehrheit der Einwanderer aus diesen Ländern nur auf deutsche Sozialleistungen abgesehen hätte. Und sie unterstellte, dass, wer arm ist, automatisch zum Betrug neigen müsse.

Beides ist falsch. Mit Wörtern wie „Sozialtourismus“ und „Armutsmigration“, das zur Chiffre für Roma geworden ist, hat die CSU an alte, antiziganistische Vorurteile appelliert und die Debatte vergiftet. Und das alles nur, um zu verhindern, dass rechts von ihr eine Partei wie die AfD diese Ressentiments aufgreift und erstarkt.

Nichts spricht dagegen, den betrügerischen Bezug von Sozialleistungen zu erschweren. Aber für den massenhaften „Sozialmissbrauch“ durch Einwanderer aus EU-Ländern, vor dem die CSU warnt, hat sie bis heute keinen Beleg. Mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung jetzt beschlossen hat, kann sie trotzdem zufrieden sein. Von besonders steilen CSU-Forderungen ist zwar nicht viel übrig geblieben, und manches davon ist nur ein Placebo für ein Problem, das es so nie gab.

Aber die CSU kann jetzt stolz behaupten, sie hätte etwas gegen einen „Sozialmissbrauch“ getan, den sie selbst erst zum Popanz aufgeblasen hat.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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3 Kommentare

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  • Guter Kommentar von Herrn Bax.

     

    „Wer betrügt, der fliegt“

    "Aber für den massenhaften „Sozialmissbrauch“ ... hat sie bis heute keinen Beleg."

     

    Könnte doch genauso für 'Deutsche' gelten. Ist vielleicht auch indirekt so angelegt.

    Schön die Pseudo-Leistungsgesellschaft befeuern und das Klima anheizen.

     

    "um zu verhindern, dass eine Partei wie die AfD diese Ressentiments aufgreift"

     

    Wie lang noch lässt sich ein Unterschied zwischen Union und AfD medial beschwören?