Kommentar Argentiniens Pleite: Keine Macht den Geiern!
Das vom Internationalen Währungsfonds verordnete Wirtschaftsprogramm hat Argentinien ruiniert. Es wird Zeit, die „Märkte“ zu bremsen.
F ür Argentinien ist es der Weg des geringeren Risikos. Wenn die Ratingagenturen das Land jetzt als „zahlungsunfähig“ einstufen, dann wäre das nur dann schlimm, wenn Argentinien wirklich kein Geld mehr hätte. Aber Argentinien kann zahlen und will zahlen – nur nicht an die zu Recht als „Geierfonds“ titulierten Spekulanten, die es für ihr Recht halten, 1.600 Prozent Gewinn zu machen, die damit vor ein New Yorker Gericht zogen und Erfolg hatten. Ergebnis: Qua Gerichtsurteil bleiben die Zahlungen an alle Gläubiger auf US-Banken eingefroren.
Was hier zur Rede steht, ist weniger die Frage, ob und wie Argentinien in den nächsten Monaten eine Lösung findet. Es geht vor allem darum, ob wahr sein darf, dass die unendliche Gier einiger weniger Spekulanten-Milliardäre tatsächlich ein Rechtsgut sein soll, dessen Wahrung höher einzuschätzen ist als die Leistung eines Landes, sich durch harte und geschickte Umschuldungsverhandlungen aus einer der größten Wirtschafts- und Finanzkrisen weltweit zu befreien.
Die Schulden, die Argentinien zu Anfang des Jahrtausends aufgehäuft hatte, waren aus dem Zusammenspiel zunächst einer Militärdiktatur, dann einer korrupten Regierung Menem, eines zu der Zeit noch 150-prozentig auf Neoliberalismus getrimmten Internationalen Währungsfonds und dem seit den achtziger Jahren explodierenden Finanzkapitalismus entstanden. Kein Cent davon war in die Entwicklung des Landes geflossen, im Gegenteil. Das vom IWF verordnete Programm aus striktem Sparen, Privatisierungen und Parität des Peso zum Dollar ruinierte Staat und Industrie gleichermaßen. Es sind die damals unter US-Jurisdiktion entstandenen Schulden, die qua Gerichtsurteil jetzt erneut die gesamte Erholung der argentinischen Staatsfinanzen infrage stellen sollen.
Spätestens seit den neunziger Jahren ist die Auseinandersetzung zwischen den Gestaltungsmöglichkeiten gewählter Regierungen und auf maximalen Profit orientierten Finanzakteuren zum Dauerthema geworden, nicht nur in Argentinien. Überall versuchen „die Märkte“, die ja gar keine sind, die Politik vor sich her zu treiben. Es ist jetzt höchste Zeit, hier regulierend einzugreifen. Eine Regierung jedenfalls hat die Pflicht ihren BürgerInnen gegenüber, ein Land aus der Krise zu führen. Es kann einfach nicht sein, dass ein paar Spekulanten das Recht haben, sie daran zu hindern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch