Kommentar Arabische Liga zu Jerusalem: Die üblichen Nahost-Reflexe
Seit Jahren ist die Arabische Liga zerstritten. Beim Thema Jerusalem herrscht das erste Mal wieder relative Einigkeit. Konkretes folgt daraus nicht.
E s ist ein Beschluss der Arabischen Liga in Sachen Jerusalem, der niemanden vom Hocker reißt. Die Anerkennung der USA von Jerusalem als Hauptstadt Israels wird selbstredend scharf verurteilt. Die USA habe damit ihre Rolle als ehrlicher Makler im Nahostkonflikt verloren, lautet das Fazit eines Sondertreffens der Außenminister der Liga.
Immerhin bei dem Thema Jerusalem zeigte die seit Jahren über den Umgang mit Assad und den Konfrontationskurs gegen den Iran zerstrittene Arabische Liga erstmals wieder relative Einigkeit. Selbst mit den USA eng verbündete arabische Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten haben sich diesmal mit ihrer Kritik an Trump nicht hinten angestellt.
Aber konkrete Schritte wurden keine vereinbart. Wie auch? US-Präsident Trump führt mit seiner Entscheidung der Arabischen Welt erbarmungslos ihre eigene Schwäche vor. Die steht da wie auf einem Schulhof, provoziert und vorgeführt. In einem Teil der Länder herrschen Krieg und Krisen, im anderen Regime, die jegliche Proteste auf der Straße unterdrücken, aus Angst, die könnten sich am Ende gegen sie selbst richten.
Bleiben die Tage des Zorns der Palästinenser und die Freude aller radikalen Gruppierungen, für die die Entscheidung Trumps und die vorgeführte Ohnmacht der arabischen Führungen Wasser auf die Mühlen ist.
Westliche Medien prophezeien Feuersturm
Und die westlichen Medien gehen ihren üblichen Nahost-Reflexen nach, prophezeien den Feuersturm und berichten in einem Intifada-Unterhaltungsprogramm, mit der immer wieder ausgedrückten Hoffnung, dass es hoffentlich nicht so schlimm wird. Man weiß ja, seit den Prophetenbeleidigungen, wie empfindlich Muslime und Araber reagieren können. So weit alles berechenbar: von der Verurteilung der Arabischen Liga bis zu den Tagen des Zorns, den Hamas-Raketen und der Berichterstattung.
Das Problem ist, dass die arabische Wirklichkeit wesentlich komplizierter ist. Was bewirkt Trumps Entscheidung, die die Ohnmacht von Regimen aufzeigt und das radikale Lager stärkt? Zu was führt es, wenn Palästinenser, Araber und Muslime sehen, dass der Rest der Welt, etwa im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Trumps Entscheidung nicht unterstützt?
Denken die einen über friedliche Proteste nach, um die Welt weiterhin hinter sich zu bringen? Planen die anderen die nächsten Anschläge im Namen Jerusalems? Resignieren die meisten? Sind nicht die meisten müde der Floskeln von der Intifada bis zum sogenannten Friedensprozess? Denken jetzt nicht alle arabischen Regime nach, wie sie von der Situation profitieren und wie sehr sie dadurch verlieren können?
Und das in einer Zeit, in der so vieles offen ist: Was kommt nach dem IS in Irak und Syrien? Wird sich Saudi-Arabien tatsächlich reformieren oder bricht dort das System Saud zusammen? Verhungern die Menschen im Jemen? Überlebt al-Sisi in Ägypten? Alles in der arabischen Welt ist im Fluss, und der unberechenbare Trump hat sie noch ein Stück unberechenbarer gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin