Kommentar App zur Datenüberwachung: Geld gegen Daten
Mittels App überwacht Facebook die Smartphone-Aktivitäten seiner NutzerInnen und zahlt dafür. Das zeigt, wie egal den Menschen ihre Daten sind.
W ürde Margarete alias Gretchen Doktor Faust heute auf ein tiefsinniges Gespräch in Marthens Garten treffen, dann würde sie ihn eher nicht fragen: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Sondern etwas in der Richtung: „Alter, wie heißt du bei Instagram? Wie, da bist du nicht?“
Faust würde dann damit prahlen, als aufgeklärter Mensch natürlich nicht auf Instagram zu sein, das gehöre schließlich zu Facebook. Doch Gretchen, schon immer schlauer als er und nur aus taktischen Gründen auf Instagram – schließlich ist ein Leben als Influencerin nicht die schlechteste finanzielle Grundlage für die Versorgung zukünftiger Kinder –, wüsste, dass die Entscheidung ihres Gegenübers nicht aus hehren Privatsphäre- oder konzernkritischen Gründen herrührt. Sondern daher, dass er schlicht nicht durchschaut, wie dieses ganze moderne Zeugs eigentlich funktioniert.
Facebook selbst jedenfalls, also als Konzern und Geschäftsmodell, scheint sich Faust mehr und mehr anzunähern. Die zeitgemäßen Gretchens, also die heutigen Teenager, sind kaum mehr bei Instagram, sondern eher bei Snapchat oder TikTok, was noch früher mal musical.ly war. Apps, die im Gegensatz zu WhatsApp und Instagram nicht zu Facebook gehören.
Facebook macht also, was es kann, es beauftragt eine App, die junge Leute auf ihren Smartphones installieren sollen und die permanent Daten zu Facebook schickt. Daten darüber, welche Apps wie und wann genutzt werden, mit wem man darüber kommuniziert, welche Webseiten besucht werden und, ja, unter Umständen auch Informationen aus verschlüsselter Kommunikation. Und wie zur Hölle bekommt man Menschen dazu, eine derartige Software-Wanze zu installieren? Na, mit dem schlagkräftigsten Argument der Welt: Geld.
Ein erfolgreiche Erziehung
Nun gehen die Zahlen darüber, was der Konzern Nutzer:innen der „Facebook Research App“ so zahlt, auseinander. Das Technologieblog TechCrunch berichtet aktuell von bis zu 20 US-Dollar monatlich plus Boni für weitere geworbene Nutzer:innen.
In E-Mails und Einladungen, die im Netz kursieren, ist mal von 5 US-Dollar monatlich als Grundzahlung plus 10 Dollar monatlich für jede:n weitere:n Nutzer:in die Rede, mal von 30 US-Dollar monatlich plus 10 weitere für jeweils drei aufeinanderfolgende Monate der Teilnahme. Eine Summe, die, je jünger der:die Teilnehmende ist, desto wertvoller erscheint. Und die zeigt erneut, wie gering Menschen den Wert ihrer eigenen Daten einschätzen.
Das Schlimme ist: Sie liegen damit nicht einmal sonderlich falsch. Ob Wohnsituation und Vorlieben, ob Gesundheitsdaten oder Interessenprofile – der Zugriff auf persönliche Daten lässt sich für ein paar Cent besorgen. Die Erziehung war also auf ganzer Linie erfolgreich.
Gibst du mir Bilder, die Adressen deiner Freunde, Informationen über deine Hobbys, Vorlieben und geheimsten Ängste, dann gebe ich dir einen Haufen werbeverseuchte Infrastruktur, die du nutzen darfst und das Versprechen, dass du nie mehr alleine sein wirst. Zumindest dann nicht, wenn du vor dem Computer/Smartphone/Tablet sitzt. Eine verkaufte Seele ist Anfängerkrams dagegen.
Das Vorgehen von Facebook zeigt auch: Der Konzern ist bereit, einiges für den Erhalt seiner Marktmacht zu tun. Denn die betreffende App könnte zumindest die Entwicklerrichtlinien von Apple verletzt haben – und einen Konzern von Apples Marktmacht wird sich auch Facebook nicht ohne Not zum Feind machen. Facebooks Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit könnte also auch ein kleiner Hoffnungsschimmer sein. Denn sie zeigt: Es gibt Raum für Alternativen. Vielleicht auch mal für eine, die Nutzer:innen nicht nur als datenabsondernde Kreaturen begreift.
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