Transparenz-Funktion bei Facebook: Warum sehe ich das?

Das Online-Netzwerk will mit einer neuen Funktion Werbung transparenter machen. Ob das ausreicht, ist fraglich.

Silhouette eines Menschen, der in ein Laptop guckt

Hat eine neue Transparenz-Funktion: Facebook Foto: dpa

Ab sofort können Facebook-Nutzer*innen auf Anzeigen in ihrem News-Feed neben der geschalteten Anzeige die Option „Why am I seeing this?“ (übersetzt: „Warum sehe ich das?“) anklicken. Im Vorfeld hatte das US-amerikanische Nachrichtenportal TechCrunch über die Neuerung berichtet. „Der Grund für dieses Feature ist, dass wir Feedback von Nutzern erhalten haben, dass sie gerne mehr Transparenz zu Werbung auf Facebook erhalten möchten“, erklärte dazu Facebook-Sprecher Klaus Gorny der taz.

Bei der neuen Funktion wird seit diesem Donnerstag sichtbar aufgeführt, aufgrund welcher Zielgruppenkriterien die Werbung der zahlenden Firma auf dem eigenen Facebook-Feed auftaucht, wie zum Beispiel Aufenthaltsland, Alter und Geschlecht. Unklar bleibt, ob darüber hinaus Interessen oder politische Meinungen verwertet werden.

Facebook hatte die Transparenz-Funktion „Why am I seeing this“ bereits im Juni 2018 präsentiert, um strengere Auflagen für Drittanbieter durchzusetzen, die Zielgruppen-Marketing einsetzen. Das ist beispielsweise für Online-Shops ein gängiges Vorgehen: Über ihre Kundenlisten können sie abgleichen, welche Kunden auch Mitglied bei Facebook sind, um dann Werbung an eine bestimmte Alters- und Einkommensgruppe zu schalten.

Dieses „Custom Audience Targeting“ ist möglich, weil Facebook seine Nutzer*innen sehr genau kennt: Über das Profil, Likes und Klicks sammelt es umfangreiche Infos über das Verhalten innerhalb und außerhalb des Netzwerks. Ohne Einwilligung des Nutzers verstößt Zielgruppenwerbung in Deutschland allerdings gegen das Datenschutzrecht, entschied zuletzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Zaghafte Offenlegung trotz Milliarden-Klage

Dass NutzerInnen mit Hilfe der „Why am I seeing this“-Funktion künftig einsehen können, warum ihnen welche Werbung gezeigt wird, sei ein Schritt nach vorn, sagt Alexander Fanta, Journalist bei der Online-Plattform netzpolitik.org. Die neuen Angaben seien jedoch bewusst vage gehalten, kritisiert Fanta: „Um tatsächlich wirksam Desinformation und Wahlmanipulation zu erkennen, muss Facebook genau offenlegen, was der Werbekunde selbst eingestellt hat und wieviel er ausgegeben hat“.

Das Unternehmen steht auch wegen Datenschutzverletzungen und die Beeinflussung des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2016 durch die Partnerfirma Cambridge Analytica unter Druck. Im April 2018 hatte Facebook daher strengere Kontrollen für Werbeanzeigen mit politischen Inhalten angekündigt. Laut einem Artikel der Washington Post drohen dem Unternehmen derzeit aufgrund der möglichen Beeinflussung des US-Wahlkampfes Strafzahlungen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar. Die britische Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica hatte über einen Persönlichkeitstest auf Facebook Daten von 87 Millionen Nutzer*innen abgegriffen, damit Profile erstellt und auf dieser Basis ausgewählten Nutzern politische Anzeigen ausgespielt.

Damit, so vermuten einige Beobachter, könnte die britische Firma möglicherweise einen Beitrag zum Wahlsieg von Donald Trump geleistet haben. Außerdem hatten russische Propaganda-Gruppen verdeckt politische Anzeigen auf Facebook geschaltet. In Reaktion darauf und aus Sorge vor einer externen Beeinflussung der bevorstehenden Europawahl hatte die EU-Kommission im vergangenen Herbst einen „Kodex gegen Disinformation“ formuliert und auch Facebook zur Unterschrift gedrängt.

Tools von Non-Profit-Aktivist*innen geblockt

Gemeinnützige Organisationen wie Mozilla und ProPublica haben schon früher Anwendungen entwickelt, um personalisierte Werbung kontrollierbarer zu machen. Facebook deaktivierte die dafür nötigen Schnittstellen jedoch – „aus Sicherheitsgründen“, so Gorny. In einem offenen Brief wandten sich daraufhin Mozilla und 32 andere Organisationen, darunter AlgorithmWatch und Greenpeace, an Facebook. „Wir haben ein Recht darauf zu erfahren, wer für die Beeinflussung unserer Stimme bezahlt, und Facebook ist für die Umsetzung auf seiner Plattform verantwortlich“, heißt es dort. Die Internet-Aktivist*innen seien „tief besorgt“, ob Europäische Nutzer*innen bei der anstehenden Europa-Wahl ausreichend vor Desinformationskampagnen auf Facebook geschützt seien.

Immerhin konnten Mozilla und Co. erreichen, dass Facebook sein Anzeigen-Archiv öffnet. Darin werden für sieben Jahre alle politischen Anzeigen gesammelt. Angaben zu Budgets und anonymisierte Nutzer*innen-Daten könnten „Menschen einen Einblick geben, wie und warum politische Werbetreibende sie ansprechen“, heißt es in der Pressemitteilung von Mozilla. Und: „Transparenz allein wird Probleme wie Desinformation oder Wahl-Hacking zwar nicht lösen, aber sie ist ein entscheidender erster Schritt“, so Mozilla-Vizepräsident Alan Davidson. Ob Facebook so verlorenes Vertrauen zurückgewinnen kann, bleibt offen.

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