Kommentar AntifeministInnen-Kongress: Kampfansage an das liberale Europa
Ort und Zeitpunkt des erzkonservativen World Congress of Families waren kein Zufall. Für ein emanzipatorisches Europa verheißt das nichts Gutes.
E s war kein Zufall, dass der World Congress of Families der ultrakonservativen HardlinerInnen zwei Monate vor den Wahlen zum Europäischen Parlament stattfand. Und nicht umsonst lag zwischen den jüngsten beiden Kongressen nicht wie sonst ein, sondern nur ein halbes Jahr. Auf diese Weise konnten die Netzwerke passgenau vor den Wahlen im Mai gepflegt werden. Zwei Mitglieder des EU-Parlaments aus Frankreich und Italien waren geladen, jeweils Mitglieder von Marine Le Pens Rassemblement National und der nicht minder rechtspopulistischen Forza Italia, zudem kamen MinisterInnen und VertreterInnen rechter Parteien aus Ungarn, Polen und Deutschland.
Der World Congress of Familie ist mehr als eine Offensive, um die rechte parlamentarische Politik ins Boot zu holen – sie ist eine Kampfansage des christlich-fundamentalistischen, homophoben und antiemanzipatorischen Kongresses an die Europäische Union und ihre Werte.
Haben die OrganisatorInnen, in den USA beheimatet und global vernetzt, in Ungarn bereits 2017 gemeinsame Sache mit Viktor Orbáns Fidesz gemacht, gingen sie nun einen Schritt weiter: Sie präsentierten sich im Herzen Westeuropas – in Italien, in dem mit der Lega eine rechte Partei mitregiert, und in Verona, das historisch enge Verbindungen zur katholischen Kirche und extremen Rechten hat. Dabei dürfte den HardlinerInnen Italien als Testfall gelten: Was hier funktioniert, lässt sich womöglich auch in andere EU-Länder exportieren.
Was es bedeutet, wenn rechtspopulistische Lobbyarbeit Erfolg hat, war in den vergangenen Jahren anhand von Gesetzen und Referenden über Frauenrechte oder die Ehe für alle etwa in Ungarn, Kroatien oder Serbien zu beobachten. Wie Innenminister Matteo Salvini am Samstag ankündigte, wird er dem Vorbild Ungarn folgen und bald „familienfreundliche“ Gesetze auf den Weg bringen.
Ein massiver Rollback in der Frauenpolitik
Ein Gesetzentwurf der Lega, um Scheidung zu erschweren, ist bereits eingebracht. Anders ausgedrückt: Auch in Italien, wo in einigen Regionen ohnehin bis zu 90 Prozent der ÄrztInnenschaft Abtreibung ablehnen, ist ein massiver Rollback in der Frauenpolitik in greifbare Nähe gerückt.
Zwar war es in Sachen Öffentlichkeit für den Kongress nicht so einfach wie erhofft: Zehntausende gingen auf die Straße, um gegen dessen Ziele zu protestieren. Unwidersprochen lassen sich die Uhren nicht einfach in die Zeit vor der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zurückdrehen. Doch ganz gleich, ob Europa im Mai weiter nach rechts rückt – der Kongress dehnt sein Netzwerk aus. Für ein säkulares, emanzipatorisches Europa verheißt das nichts Gutes.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören