Kommentar Anti-Terror-Gesetze Türkei: Erdoğans Alleinherrschaft

Der letzte Schritt zu einem autoritären System ist mit dem neuen Maßnahmenpaket vollzogen. Wer kann, geht ins Exil – auch innerhalb des Landes.

Recep Tayyip Erdogan steht an einem Stehpult, zwischen zwei türkischen Fahnen

Erdoğans neuen Gesetzen ersticken jede oppositionelle Regung im Keim Foto: dpa

Es kam wie befürchtet. Am Mittwochabend verabschiedete die Regierungsmehrheit im türkischen Parlament ohne Abstriche ein Paket Anti-Terror-Gesetze, die den Ausnahmezustand de facto zu einem Dauerzustand machen. Damit ist die Transformation zu Recep Tayyip Erdoğans Alleinherrschaft abgeschlossen: Mit den jetzt beschlossenen Gesetzen wird dafür gesorgt, dass jede oppositionelle Regung im Keim erstickt werden kann.

Viele Menschen stellen sich nun die Frage, ob und wie sie in dieser neuen Türkei weiterleben sollen. Obwohl die Zahl der türkischen Asylsuchenden in Deutschland steigt und auch in Griechenland und anderen europäischen Ländern mehr Türken versuchen, Fuß zu fassen, sind die absoluten Zahlen doch immer noch gering. Den wenigen Tausenden, denen ein Absprung ins Ausland möglich ist, stehen vermutlich Hunderttausende gegenüber, die aus den verschiedensten Gründen im Land bleiben müssen, auch wenn sie lieber gingen.

Wenn die Flucht ins Ausland nicht möglich ist, bleibt als naheliegendste und häufigste Form des Überlebens die innere Emigration. Die findet nun in den verschiedensten Formen statt. Man zieht sich zurück ins Privatleben und sucht sich einen Lebensraum in Gegenden, in denen man noch etwas freier atmen kann. Seien es bestimmte Stadtteile in Istanbul oder die Ägäis-Küste oder der kurdische Südosten; wer die Erdoğan-Republik ablehnt, zieht sich zurück.

Das reicht bis in die Parteien. Die säkulare, sozialdemokratisch-kemalistische CHP hat den Kampf um das Land aufgegeben und beschränkt sich auf ihre Hochburgen in Istanbul, Ankara und an der Küste. Dasselbe gilt für die kurdische HDP, die wieder auf den Südosten zurückgeworfen ist. Der herrschende und von der AKP beherrschte Teil des Landes wird dagegen mehr und mehr zu einer Mischung aus Turkmenistan und Katar. Türkentum, Islam und oligarchischer Kapitalismus sind die Wegweiser in die Vergangenheit, in ein Land, das sich anschickt, geistig und politisch ins 19. Jahrhundert zurückzufallen.

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