Kommentar Anklage Heckler & Koch: Juristische Ladehemmung
Die deutsche Justiz kann beweisen, dass sie die in Mexiko herrschende Straflosigkeit nicht auf internationales Terrain erweitert. Theoretisch.
N ein, die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat sich mit der Entscheidung, gegen Heckler & Koch Anklage zu erheben, keine Lorbeeren verdient. Im Gegenteil: 5 ½ Jahre hat es gedauert, bis sie sich zu diesem Schritt entschloss. 5 ½ Jahre, in denen Tausende durch die Kleinwaffen der Schwarzwälder Rüstungsschmiede gestorben sind. 5 ½ Jahre, in denen keiner der Beschuldigten im Gefängnis saß, obwohl sie de facto Beihilfe zum Mord geleistet haben. Keinem gewöhnlichen Kriminellen wäre die deutsche Justiz mit so viel Freundlichkeit begegnet.
Schlimmer aber ist: Es waren vor allem die Recherchen von Journalisten, die die Beweise geliefert haben, auf denen die Anklage baut. Die Strafverfolger haben sich lange Zeit nicht einmal bemüht, den Kunden, das mexikanische Verteidigungsministerium, zu fragen, wohin die exportierten Waffen denn gegangen sind.
Und wäre da nicht eine journalistische Offensive gewesen, die von unzähligen Artikeln bis zu einem ARD-Themenabend reichten, hätte die Behörde das Verfahren längst im Sande verlaufen lassen. Man kennt dieses Verhalten aus Mexiko. Dort führt es zu jener „Straflosigkeit“, die mit für die exorbitante Zunahme von Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist.
Nun hat die deutsche Justiz immerhin die Chance, zu beweisen, dass sie diese Straflosigkeit nicht auf internationales Terrain erweitert. Leider ist auch da Skepsis angesagt. Vieles spricht dafür, dass Beamte der Exportbehörden in den Deal involviert waren. Da ist die illegale Ausfuhr der schwäbischen Sturmgewehre allerdings keine Ausnahme.
Ohne die fragwürdigen Absprachen zwischen Rüstungsfirmen, Behörden und der Politik wären viele der kriminellen Geschäfte, die mit dem Export von Waffen gemacht werden, gar nicht möglich. Will man diese Geschäfte in Zukunft verhindern, muss man das gesamte Netzwerk des Todes zur Rechenschaft ziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei