Kommentar Amtsverzicht Davutoğlu: Der lange Schatten Erdoğans
Mit Davutoğlu geht ein Ministerpräsident, der diesen Titel verdiente. Sein Nachfolger wird ein Erfüllungsgehilfe des Präsidenten sein.
S eit Donnerstag ist der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu Geschichte. Der Sultan hat seinen Großwesir entlassen, und damit ist Davutoğlu erledigt. Der Mann, der mit Angela Merkel den EU-Türkei-Flüchtlingsdeal aushandelte und der just Donnerstag, als die EU-Kommission grünes Licht für die Visafreiheit gab, damit seinen Lohn einheimsen wollte, ist von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan am selben Tag gefeuert worden.
Der Abgang Davutoğlus hatte sich schon vor einer Woche angedeutet. Doch dass jetzt alles so schnell ging, hat angeblich auch damit zu tun, dass Erdoğan seinem Ministerpräsidenten den Erfolg, die Visafreiheit für türkische Bürger durchgesetzt zu haben, nicht gönnen will.
Aber das ist nicht der wesentliche Grund für Davutoğlus Entlassung. Aus Sicht Erdoğans hat er bei dem wichtigsten Projekt versagt: bei der schnellen Einführung einer Präsidialverfassung, die Erdoğan als Präsidenten die ganze Macht allein verschaffen soll.
Davutoğlu weiß, wie unpopulär dieses Projekt in der Bevölkerung ist, und er war wohl auch nicht scharf darauf, seinen eigenen Posten, den des Ministerpräsidenten, möglichst schnell abzuschaffen. Jetzt wird Erdoğan ganz ohne demokratische Kosmetik durchregieren. Mit Ahmet Davutoğlu geht der letzte Ministerpräsident der Türkei, der diesen Titel noch einigermaßen verdiente. Sein Nachfolger wird zu 100 Prozent ein Erfüllungsgehilfe des Präsidenten sein. Sein einziger Job wird darin bestehen, möglichst schnell Mehrheiten für die neue Verfassung zu organisieren. In der neuen Präsidialverfassung wird das Amt des Ministerpräsidenten dann durch einen Kabinettssekretär ersetzt.
Der Weg dazu führt über den Rausschmiss der kurdisch-linken HDP aus dem Parlament, um anschließend über eine Nachwahl genügend AKP-Mandate zu erringen, um in eigener Machtvollkommenheit der Türkei eine neue Verfassung aufzuoktroyieren. Dass dadurch der Krieg mit den Kurden weiter angeheizt wird und die letzten demokratischen Standards aufgegeben werden, wird ab sofort in Kauf genommen.
Für den Türkei-EU-Flüchtlingsdeal könnte der Abgang Davutoğlus das Aus bedeuten. Erdoğan hasst den Westen mittlerweile so sehr, dass er lieber auf das Abkommen verzichtet, als dass er mit der EU Kompromisse macht.
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