Kommentar Altlasten der Atomkraft: Hintertür der AKW-Betreiber
Der Staat wird zur Kasse gebeten, wenn ihr Finanzpolster für Rückbau und Entsorgung nicht reicht. Dabei sollten die Atomkonzerne unbegrenzt haften.
Die Atomkonzerne wissen gut, welche Kostenrisiken in den Altlasten der Atomkraft stecken: Rückbau, Entsorgung – da wird noch einiges auf die Erzeuger des Atomstroms zukommen.
In der Betriebswirtschaft lernt man, wie man wirtschaftliche Risiken von einem Unternehmen fernhält: mit der Gründung einer Tochterfirma, die dann anstelle des Konzerns das riskante Geschäft betreibt. Geht es dann schief, lässt man die Tochter in die Insolvenz schlittern, die Mutter bleibt unbehelligt.
36 Milliarden Euro an Rückstellungen hat die Atomwirtschaft gebildet, um damit den Rückbau der Reaktoren und die Entsorgung des Atommülls zu bezahlen. Doch was passiert, wenn die Entsorgung noch teurer wird? Dann gehen die Töchter eben pleite.
Weil aber der Atomdreck der letzten Jahrzehnte natürlich nicht offen in der Landschaft liegen bleiben kann, muss sich dann der Staat der Sache annehmen. Also zahlt dann der Steuerzahler, während diejenigen, die über mehrere Jahrzehnte hinweg mit der gefährlichen Technik Milliarden scheffelten, unbehelligt bleiben.
Um solche Szenarien zu entwickeln, muss man kein Schwarzmaler sein, nur Realist. Denn sie sind wahrscheinlich. Bis April 2022 ist zwar noch gesichert, dass die Atomkonzerne für ihre Töchter haften; „Patronatserklärungen“ nennt sich das. Sie resultieren noch aus dem Atomkonsens aus dem Jahr 2000. Doch in acht Jahren von heute gerechnet können die Konzernmütter diese Verpflichtung aufkündigen.
Und dass sie es tun werden, liegt auf der Hand. Somit ergibt sich ein untragbarer Zustand, den die Regierung schnellstens ändern muss: Ein Gesetz muss her, das auf unbegrenzte Zeit die Verursacher des Atommülls in die Haftung nimmt und keine Hintertürchen mehr offen lässt.
Leser*innenkommentare
Klaus Wallenstein
Da wird den Müll entweder als Stromkunde oder als Steuerzahler sowieso bezahlen müssen, kann es nur eine Devise geben: so rasch wie möglich abschalten und das Vermögen der Rücklage sichern. Alles andere ist dummes Geschwätz von Leuten, die meinen, dass Kapitalismus 'ne tolle Idee wäre.
Wenn die Rücklage aus dem AKW-Strom bis 2035 zuwachsen soll, dann haben wir ja auch noch zusätzlich eine entsprechende Menge an Atommüll. Das ist ein typischer Fall von Atommafia-Rechnung - wir wollen ja nicht immer die Milchmädchen beleidigen.
ioannis
Die Unternehmen haben mit den Laufzeiten geplant ... der Staat hat sie ihnen vorher und ohne wirklichen Grund dichtgemacht. Warum also soll er nicht zahlen?
Rainer Peter Feller
@ioannis Nun ja, so einfach ist das nun auch nicht, selbst wenn die AKWs noch 1000 Jahre laufen würden könnten sie niemals genügend Rücklagen bilden um dem Atomabfall 100.000.000 Jahre zu lagern.
Klaus Wallenstein
Die EVUs haben damit geplant, dass die Glaubensgemeinschaft 'Atomstaat' mindestens so lange trägt wie die ägyptischen Pyramiden stehen. Dummerweise war diese Planung befreit von jeder wissenschaftlichen Grundlage - es war halt nur eine 'Glaubensgemeinschaft'.
Nun lichtet sich der Nebel der atomaren Weihrauch-Messen und zum Vorschein kommt ein planerisches Volldesaster, welches jeder Menschen mit klaren Verstand vom Beginn der kommerziellen Nutzung an hätte erkennen können. Keine Endlagerkonzept, unkalkulierbares Restrisiko, kein Finanzierungsmodell der kompletten Produktionskette.
Wenn der Staat nicht den Kirchenaustritt aus der Atomgemeinde erklärt hätte, wäre der Ernüchterungsschock noch größer gewesen. Es macht nun mal einen Unterschied, ob man 40 Jahre Atomschrott oder 50 Jahre Atomschrott sichern muss.
So haben wir nun ein Ende mit Schrecken - und die Lehre, dass Risikotechnologien nicht nur so heissen, sondern eben dieses sind - ein Risiko. Was bleibt, ist die Aufgabe zu verhindern, dass bei diesem Risiko-Roulette einmal nicht die 'Bank' gewinnt.
ioannis
@Klaus Wallenstein Nun, zumindest ist es ein Unterschied, ob man bis 2013 oder bis 2035 Rücklagen für den Abriß bilden kann.