Kommentar Alnatura-Preissenkung: Auch Ökokunden gucken aufs Geld

Die Biokette Alnatura senkt die Preise für Milch - und bleibt dabei fair. Das klingt paradox? Ist es aber nicht.

Dass die Bauern höhere Preise erhalten müssen, scheint in Deutschland spätestens nach dem Milchgipfel am Dienstag Konsens zu werden. Dennoch kündigt die größte Biomarktkette Alnatura ausgerechnet jetzt an, für rund 120 Lebensmittel künftig weniger zu kassieren - darunter auch die besonders heiß umstrittene Milch. Das hört sich paradox an, ist es aber nicht.

Die Auswirkungen auf die Bauern halten sich im Fall Alnatura nämlich in Grenzen: Die Erzeuger bekommen auch in Zukunft ein klein bisschen mehr als die durchschnittlichen Biolandwirte und natürlich viel mehr als die konventionellen Kollegen. Die Hersteller der anderen Produkte sollen - glaubt man der Firma - genauso bezahlt werden wie bisher.

Auch auf der Verbraucherseite kann nicht von rücksichtsloser Preisdrückerei die Rede sein. Biomilch war bei Alnatura bisher immer etwas teurer als bei der Konkurrenz. Die Kette warb damit, dass sie ihren Bauern auch mehr zahlt, nämlich einen fairen Preis. Ab August will sie ihren Kunden nun nur so viel berechnen, wie es die Basic AG und andere Konkurrenten schon lange tun.

Wenn Ökopuristen bemängeln, Alnatura verkaufe nun auch über den Preis, statt auf Qualität zu setzen, unterliegen sie einem Trugschluss. Als ob Biokonsumenten - zum Beispiel fünfköpfige Familien - nicht ihre Ausgaben begrenzen müssten. In Wirklichkeit reagieren auch ökologisch bewusste Kunden sehr wohl auf Preisänderungen und entscheiden unter anderem nach diesem Kriterium, in welchem Bioladen sie kaufen. Und es lässt sich nicht leugnen: Ein zu hoher Preisunterschied zu konventionellen Läden schreckt viele Verbraucher davon ab, sich für Bio zu entscheiden. Wer will, dass sich mehr Leute umweltfreundlicher ernähren, muss an möglichst geringen Preisen interessiert sein - wenn sie für alle Beteiligten fair sind.

Diese Grenze könnte theoretisch unterschritten werden, wenn wegen der Alnatura-Reduzierungen nun ein ruinöser Preiskampf in der Biobranche ausbrechen sollte. Aber das ist angesichts des geringen Ausmaßes gering.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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