Kommentar Alkoholverbot: Weinfeste für immer
Grün-Rot im Ländle ist gegen ein Alkoholkonsumverbot auf öffentlichen Plätzen. Das spricht für Kretschmanns Instinkt, nicht für seine Vernunft.
W ie man es macht, ist es falsch. Und macht man es falsch, ist es auch nicht richtig. Das gilt speziell für die Grünen, die von ihren politischen Gegnern gerne als regulierungswütige Verbotspartei dargestellt werden. Nun hat sich der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, gegen ein Verbot des Alkoholkonsums an ausgesuchten öffentlichen Plätzen ausgesprochen – und wird dafür vom politischen Gegner kritisiert.
Tatsächlich hatten sich die Gewerkschaft der Polizei, die Städte im Lande, eine Expertenrunde und ein Arbeitskreis einhellig dafür ausgesprochen, Besäufnisse unter offenem Himmel an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten zu untersagen. Während die CDU ihrerzeit keine Mehrheit für einen solchen Beschluss organisieren konnte, verkündete Kretschmann seine Entscheidung jetzt quasi von oben. Für eine nötige Gesetzesänderung sehe er keine politische Grundlage. Einen gesellschaftlichen Konsens hätte es sehr wohl gegeben. Deshalb spricht seine Entscheidung eher für Kretschmanns politischen Instinkt, sich nicht weiter vor die Flinte derer treiben zu lassen, die nicht zögern würden, eine solche Entscheidung zu seinen Ungunsten auszulegen. Und weniger für seine Vernunft.
Es bedarf zwar keiner blühenden Fantasie, sich die Schlagzeilen auszumalen: „Nach Grünen-Verbot: Gibt es jetzt keine Weinfeste mehr?“ Das Weinfest aber ist ein traditionell verankerter Ort gesellschaftskonform herbeigeführter Rauschzustände und soll natürlich nicht verboten werden. Anders als der eher anarchische Exzess auf öffentlichen Plätzen, wo Säuferinnen und Säufer sich erstens gegenseitig die Schädel einschlagen, damit zweitens die Kriminalstatistik vermiesen und drittens generell kein schönes Bild abgeben.
Prävention, heißt es nun aus Kreisen der CDU, sei schön und gut, aber nicht genug. Das Verbot müsse her. Das Verbot wohlgemerkt nur des enthemmten und öffentlichen Konsums einer Droge, an der direkt oder indirekt Jahr für Jahr in Deutschland mehr als 70.000 Menschen zu Tode kommen. Da kann ein wenig mehr Prävention tatsächlich kaum schaden.
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