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Kommentar AfDEine Partei dreht am Rad

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die kompromisslose Ablehnung von Flüchtlingen rechnet sich für die AfD. Auch dumpfe Parolen schrecken das rechte Wählerpotenzial nicht ab.

Die AfD setzt auf Angst und Schrecken Foto: ap

A ller Dilettantismus, alle peinlichen Fernsehauftritte, alle Demonstrationen mit gewaltsuchenden Neonazis haben nichts genutzt: Der Stimmungsaufschwung für die AfD hält an. Erstmals seit ihrem Bestehen sieht sie ein Meinungsforschungsinstitut als drittstärkste Partei des Landes. Die 10,5 Prozent stehen dabei nicht für eine kluge Strategie – sondern für die zunehmende Radikalität ihrer Anhängerschaft.

Für die Partei geht die Fokussierung auf die kompromisslose Ablehnung von Flüchtlingen auf. Die geschürten Ängste einen das rechte Wählerspektrum wie nie zuvor. Schon seit vielen Jahren wird dieses Potenzial jenseits der Union auf bis zu 20 Prozent geschätzt. Bislang scheiterten alle Versuche, diese Wählerschichten zu binden, ob durch „Republikaner“, Schill-Partei oder Pro-Bewegung. Schuld war stets die eigene Unfähigkeit.

Auch die AfD stellt sich kaum klüger an als ihre Vorgänger. Ihre Fraktionen in drei ostdeutschen Landtagen fallen vor allem durch dumpfe Parolen auf, etwa wenn sie in Thüringen die Zahl der Homosexuellen erfragen will. Darüber hinaus ist wenig zu vernehmen.

Auch der Balanceakt, radikal, aber nicht gewalttätig zu sein, gelingt ihr nicht. Die im Zuge ihrer „Herbstoffensive“ organisierten Demonstrationen waren ein Anziehungspunkt für Nazi-Hools und NPD-Funktionäre – von einem bürgerlichen Erscheinungsbild keine Spur.

Selbst die hierzulande so hoch gelobte innerparteiliche Einigkeit fehlt. Der nächste Machtkampf – diesmal zwischen der Vorsitzenden Frauke Petry und dem Rechtsaußenflügel um Björn Höcke – steht vor dem offenen Ausbruch.

Doch all das wirkt für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung nicht mehr abschreckend. Für den Moment ist der Wunsch nach Ruhe, Ordnung und Seriosität in den Hintergrund gerückt. Die AfD hat das Signal verstanden; sie wird ihren Kurs noch weiter verschärfen. So gefährlich das ist, liegt darin auch eine Chance: Sie könnte das Rad überdrehen.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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12 Kommentare

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  • Den überraschend hohen Prozentsatz darf und sollte man durchaus anzweifeln. Dazu Andrej Reisin vom ZAPP-TV-Magazin:

     

    "Der Leiter eines Meinungsforschungs-Instituts (das laut Medien gleichzeitig die AfD beraten soll), der in Artikeln einen mehr als wohlwollenden Ton gegenüber der AfD anschlägt, verantwortet Umfragen für die "Bild"-Zeitung, in denen die AfD zur drittstärksten politischen Partei wird: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt." http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/blog/AfD-drittstaerkste-Partei-Zweifel-an-Umfrage,afd330.html

  • 7G
    79762 (Profil gelöscht)

    Bisher hat sich in der BRD noch jede rechtsradikale Partei spätestens dann selbst demontiert, wenn sie in die Länderparlamente gewählt wurde und dort durch Dilettantismus und die absolute Unfähigkeit zu konstruktiver politischer Arbeit geglänzt hat. Mal sehen, wie das bei der AfD wird, die es ja offensichtlich auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den nächsten Bundestag schaffen wird.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @79762 (Profil gelöscht):

      Problematisch wird es nur, wenn sich auch die stark umworbene "bürgerliche Mitte" dem rechten Lager verstärkt zuwendet, weil Zweifel daran bestehen, dass alles erneut, wie auch angeblich die Wiedervereinigung, aus der Portokasse gezahlt werden wird. Bei dem Thema Umverteilung verstehen ja auch die Grünen keinen Spaß, wie bereits Herr Kretschmann beim Thema Erbschaftssteuer beweisen durfte!

      • 7G
        79762 (Profil gelöscht)
        @2097 (Profil gelöscht):

        Warum demonstriert die "bürgerliche Mitte" nicht gegen die sie wirklich betreffenden Probleme? Z. B. gegen die steuerliche Privilegierung leistungsloser Kapitalerträge von Großerben mit nur 25% pauschaler Abgeltungssteuer gegenüber bereits mittleren Arbeitseinkommen? Oder die geplante Absenkung des Rentenniveaus auf 43%, beschlossen von Politikern, deren Pensionsansprüche schon nach einer Legislaturperiode höher sind als die gesetzlichen Rentenansprüche der meisten Arbeitnehmer nach 45 Beitragsjahren. Fragen über Fragen....

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @79762 (Profil gelöscht):

          Mobilisierungspotential bei Sozial- und Verteilungsfragen scheint hierzulande ziemlich gering zu sein. Zum einen ist dies sicherlich der gewissen Komplexität geschuldet (wer geht schon gegen Abgeltungssteuer protestieren), zum anderen erscheint vieles aus dem neoliberalen Apothekerschrank wie common sense: niedrige Steuern/Sozialausgaben, Sparsamkeit des Staates, Wettbewerbsfähigkeit (->Lohnzurückhaltung) etc.

          Es wird medial *sehr* viel getan, damit es auch so bleibt.

        • 2G
          2097 (Profil gelöscht)
          @79762 (Profil gelöscht):

          Gute Frage. Anscheinend geht die "bürgerliche Mitte" unrealistischer Weise zum Großteil davon aus, bald selbst so vermögend zu sein und in den Genuss dieser steuerlichen Privilegien zu kommen. Oder anscheinend ist es schicker und gibt einem einen Hauch von Elitismus, sich mit den Vermögenden zu solidarisieren oder sich einzubilden, selber dazuzugehören, anstatt sich realistischer Weise mit den unteren Einkommensschichten und Hartz4- und sonstigen Transferleistungsempfängern zu solidarisieren.

          Ja, ziemlich blöd diese „bürgerliche Mitte“, aber von 1933-1945 hat diese Mitte ja bereits unter Beweis gestellt, wie blöd sie sein kann. Immerhin sind FDP, CDU/CSU ja die Nachfolgeparteien derer, die dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt haben. Bedauerlich nur, dass auch die Grünen und die SPD beim Thema Umverteilung (insbesondere Erbschaftssteuer und verfassungskonformer Vermögenssteuer) nichts fordern und umsetzen, sondern (siehe bspw. Kretschmann) das Auseinanderdriften zwischen arm und reich mit ihrer Steuerpolitik noch beschleunigen. Sehr ärgerlich.

  • Mit dem IS-Terror boomt also der Braune...

    Deutschland hätte nach Hitler nie wieder ein souveränes Land werden dürfen! Jetzt haben wir den Kanibalen Salat. Die Entnazifizierung ist komplett in die Hose gegangen, der Bürgerkrieg steht vor der Tür. Krempeln wir also die Ärmel hoch und beginnen den Widerstand diesmal RECHTZEITIG!

    • @amigo:

      Welches Land hätte in Ihrer Betrachtungsweise denn das Recht auf Souveränität? Wenn Sie die gleuche Skala Anlegen bleibt nix auf diesem Planeten übrig. Nix.

  • Seit Jahrzehnten belegen Studien, dass bis zu 20% der Deutschen ein mehr oder weniger geschlossenes rechtes Weltbild haben. Dies sucht sich immer wieder ein politisches Ventil, sei es die erfolgreiche CDU-Unterschriftenaktion gegen doppelte Staatsbürgerschaft oder die diversen Versuche rechtspopulistischer Parteien. Was ist also neu an der Erkenntnis, dass die AfD-Pegida auch und gerade wegen rechtsradikaler Sprüche Zuspruch bekommen. Es ist wie bei den Eisbergen, 1/7 sieht man, den Rest aber nicht - bisher....

    • @Philippe Ressing:

      brecht hatte recht

       

      die "kontinuität von 33" ist einfach ablesbar an den besitzverhältnissen im oberen premium-segment.

       

      längst wurden auch die latifundien in der ehem. ddr "heimgeholt.