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Kommentar AfD und alternatives MilieuIn der Schweiz ist Weidel grün-links

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Alice Weidel hat eine aus Syrien geflüchtete Putzfrau, so der aktuelle Skandal. Tatsächlich hat sie noch viel mehr Kontakt zur alternativen Szene.

Mut zu Deutschland, aber nicht zur Schweizer Heimat mit integrierten MigrantInnen? Foto: dpa

W er den Mund spitzt, muss auch flöten können: So heißt das in norddeutschem Idiom, wenn jemand nach oben will und dort Durchhaltevermögen beweisen muss. Alice Weidel, die Spitzenkandidatin der AfD, hätte wenigstens ahnen können, dass auch ihr Privates ermittelt werden kann, ehe sie den prominenten Posten bekleidete, den ja eigentlich Frauke Petry für sich beansprucht. Jedenfalls wusste das Publikum, also wir, schon vor Erscheinen der aktuellen Ausgabe der Zeit, dass sie überwiegend in der Schweiz zu Hause ist und dort mit ihrer Frau eine Familie hat.

Das Zeitungsstück, das die Person Weidels skandalisiert, kreist um die – vonseiten Weidels nicht dementierte – Tatsache, dass die Politikerin und ihre Frau am Wohnort Biel, Schweiz, eine Asylbewerberin als Putzfrau („Freundin“) beschäftig­-(t)en. Aber ausgerechnet das soll ein Anlass sein, Alice Weidel politisch zu erledigen?

Grund zur Aufregung ist nicht, dass Weidel Personen bezahlt, die sie, so lernten wir, kategoriell politisch ablehnt, Personen ohne deutschen (oder schweizerischen) Pass, Flüchtlinge und Migranten. Letzteres wussten wir – und das ist ein Grund, sie und ihre Partei nicht zu wählen. Irritieren sollte uns vielmehr, dass Weidel und ihre Frau zur, im weitesten Sinne, grünalternativ­libertären Szene von Biel zählen. In dieser – wie in unserer – Szene gibt es große Verstörung ob der Denkweisen Weidels.

Wir als solide Die-Welt-­­soll-besser-werden-Menschen müssen nun lernen: Die Kultur, die die AfD politisch zu beleben sucht, eine rassistische, vor allem aber elitäre, ist auch unter Grünalternativen zu Hause – und diese Weltanschauung, ja, die Klassenlage als mittelschichtsorientierte, antiproletarische Ökos deutet auf eine gewisse Affinität zu Exklusions­wünschen (gegen den migrantischen Pöbel, ironisch gesagt) hin.

Wenn sich also Alice Weidel rassistisch äußert und so kenntlich wird als eine Frau, die Einwanderer mit – aus ihrer Sicht – falscher Hautfarbe und misslicher Religion verabscheut, muss das keine Überraschung sein, nur weil sie lesbisch verheiratete Mutter ist und auf ein geschmackvolles Leben setzt. Insofern ist die Personalie ihrer Putzhilfe kein Widerspruch. Ein oft verhohlener Elitismus ist ja in grünalternativen Kreisen durchaus üblich: Hier anschlussfähig zu sein, muss nicht Alice Weidel zum Grübeln bringen – sondern jenes Milieu, in dem sie gern lebt.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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16 Kommentare

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  • "Die Kultur, die die AfD politisch zu beleben sucht, eine rassistische, vor allem aber elitäre, ist auch unter Grünalternativen zu Hause – und diese Weltanschauung, ja, die Klassenlage als mittelschichtsorientierte, antiproletarische Ökos deutet auf eine gewisse Affinität zu Exklusionswünschen (gegen den migrantischen Pöbel, ironisch gesagt) hin.

    (..) Ein oft verhohlener Elitismus ist ja in grünalternativen Kreisen durchaus üblich: Hier anschlussfähig zu sein, muss nicht Alice Weidel zum Grübeln bringen – sondern jenes Milieu, in dem sie gern lebt."

     

    Zum Schluß kommt Herr Feddersen auf sein Anliegen: eigentlich sei Weidel eine typische elitistisch-arbeiterfeindliche arrogante Grüne.

    (Also: was Feddersen unter grün versteht = burgeois, schon der Genosse Stalin ist mit diesen ja angemessen verfahren).

     

    "Die Grünen Heuchler/Verräter werden hinweggefegt *groll*, "wenn die proletarische Revolution.."

     

    Ach ja, Herr Feddersen.

  • Zumindest weiß jetzt jeder das Frau Weidel ihrer Putzkraft 25 Franken bzw 22€ die Stunde bezahlt hat. Da dürften sich die meisten Putzkräfte, denen Frau Merkel gestern erst eine Riester Rente empfahl, wundern.

    • @auswurftaste:

      Sie wissen aber schon, dass die Lebenshaltungskosten in der Schweiz deutlich höher sind gegenüber denen in Deutschland?

       

      Lebensmittel zum Beispiel sind ca. 40% teurer als in Deutschland. Die von Ihnen ausgerechneten 22 € haben dort also nur die Kaufkraft von ca. 13 € bei uns.

      • @cursed with a brain:

        Die 13€ sind aber selbst dann noch immer 100% über dem was eine Putzkraft hier bekommt

  • Also, ich verstehe diese braun-alternative Mentalität nicht. Weg mit den Muslimen und Asylanten, aber solange sie noch da sind, sollen sie mir die Wohnung putzen und um die Schwarzarbeit zu kaschieren,erkläre ich, sie hätte sich nur als "Freundin" im Haushalt aufgehalten.

  • Das klingt mir jetzt aber sehr herbeiargumentiert...wenn jemand hier rechts und dort links ist, eine Schnittmenge darin zu finden, dass man sich für was Besseres halte und lieber deshalb unter sich bleiben möchte? Zumindest der grüne Aspekt dabei ist mehr als aus der Luft gegriffen, die hiesigen Grünen sehe ich dabei in keinster Weise.

    Mal abgesehen von herbeifantasierten Unterstellungen.

    Dieser ganze Beitrag ist für mich " geeeht's noch???" und Weidel ist entweder eine hochgradig gespaltene Person, sehr opportunistisch oder extrem unglaubwürdig in beiden Lagern.

    Aber es freut mich, dass sich die AFD so effizient selbst demontiert und an der Realität scheitert.

  • Braun-alternativ ist doch nix Neues. Wie ging noch der alte ÖDP-Witz: "Eigentlich war Hitler ja gar nicht so übel - aber die Autobahn..."

     

    Und die Frau Weidel hat gar nix gegen SyrerInnen, sondern findet jede sollte eine haben.

    • @hessebub:

      Wenn Sie schon Hitler ansprechen... Der Hatte ja nachweislich einen Hoden... Ob das irgend welche Auswirkungen auf ihn hatte oder seine Ideologie deswegen unwarhaftig oder gar falsch sein könnte und seine Anhäger wie die NPD oder indirekt die AfD nur in die Irre führt?

  • Die AfD ist ja gar nicht gegen Ausländer sofern diese den ihnen zugewiesenen Rang einnehmen und als Billigstkräfte den Vollmenschen alles Mögliche finanzieren.

  • Der Fall mit Frau Weidel hat den Autor dieses Kommentars offenbar auf einen Gedanken gebracht (Assoziation), der an sich sicherlich interessant und relevant ist, und auch stärker in den Diskurs gebracht werden sollte, aber letztlich mit Frau Weidel und dem angesprochenen Fall mit der Putzhilfe nichts mehr zu tun hat.

     

    Es gelingt ihm aber nicht, sich von dieser Story zu lösen, wodurch ein durch und durch konfuser Kommentar entsteht... Er hätte sich besser für eines von beiden Themen entschieden (oder zwei getrennte Kommentare verfasst), dann wäre wohl ein echter Beitrag zur Diskussion geleistet worden.

     

    (Im Übrigen wurde Weidels Teil-Dementi inkorrekt wiedergegeben.)

    • @Existencielle:

      Es gibt doch ein gemeinsames Thema, nämlich: Frau Weidel verhält sich privat ganz anders als man von ihr erwarten würde. Dieses Thema umfasst die beiden Fälle "stellt Flüchtlingsfrau ein" und "hat Kontakt zum alternativen Milieu"

       

      Die Konsequenz daraus ist auch korrekt: Man kann aus einzelnen Eigenschaften nicht ableiten, dass jemand antirassistisch ist.

      • @Yoven:

        "Die Konsequenz daraus ist auch korrekt: Man kann aus einzelnen Eigenschaften nicht ableiten, dass jemand antirassistisch ist."

         

        Dem stimme ich zwar zu, sehe aber nicht, wie das eine Konsequenz aus dem anderen ist.

         

        Vielmehr sehe ich da grundsätzliche Probleme bzgl. der Logik:

         

        Die Aussage "Kein Schaf ist schwarz" ließe sich leicht _widerlegen_, indem man nur ein schwarzes Schaf (so es denn existiert) findet.

        _Beweisen_ hingegen lässt sie sich jedoch kaum, da solch ein Beweis nur gelänge, wenn man wirklich alle Schafe restlos überprüfen würde (was als nicht zu bewältigende Aufgabe angesehen werden kann -- zumal man nie wüsste, ob man nicht vielleicht irgendwo eines übersehen hat).

  • Fast wie in den USA, wo die gut verdienende Frisco-Community nach dem 20Sek-Plaudern mit Putzfrau Conchita sich auf der guten Seite der Menschheit wähnt...

  • Die Motivation dahinter ist doch klar: beruflich hat sie anscheinend nicht viel erreicht. Ihr Lebenslauf ist äußerst lückenhaft und die wenigen nachvollziehbaren Stationen sind nicht gerade ein Einstellungskriterium.

    Als Bundestagsabgeordneter bekommt man 9.541,74 Euro Diäten zzgl. 4.318,38 Euro Kostenpauschale. Das macht steuerfreie 13.860,12 Euro im Monat nur dafür, dass sie gewählt wurde. Auf vier Jahre sind das 665.285,76 Euro. Im Gegenzug muss sie nichts tun, nicht einmal anwesend sein.

    Genau das ist die Motivation der AfD-Politiker. Jede andere Partei über 5% hat zumindest die Chance auf eine Regierungsbeteiligung.

  • „Alice Weidel hat eine aus Syrien geflüchtete Putzfrau, so der aktuelle Skandal. Tatsächlich hat sie noch viel mehr Kontakt zur alternativen Szene.“

     

    Soll das heißen, dass man „aus Syrien geflüchte Putzfrauen“ jetzt einfach „zur alternativen Szene“ rechnen kann? Das wäre doch sehr erklärungsbedürftig.

  • Es wird immer absurder.Gut,dass ich in der "Partei" bin.Alles andere ist doch albern!