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Kommentar AfD und VerfassungsschutzDer Ruf nach dem Verruf

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Verfassungsschutz lehnt es ab, die AfD zu beobachten. Gut so! Alles andere wäre ein armseliges Zeichen für die Demokratie.

Jeder sollte ihr Treiben gut beobachten, nur der Verfassungsschutz nicht: Teil der AfD-Fraktion im Bundestag Foto: ap

I n der Demokratie bestimmen die Bürger die Ziele des Staates – und nicht der Staat, was die Bürger denken sollen. Daran hat das Bundesverfassungsgericht erst vorige Woche erinnert und eine Ministerin gerügt, weil sie der AfD auf ihrer Dienst-Homepage symbolisch die „rote Karte“ gezeigt hat. Der Staat müsse im politischen Diskurs neutral bleiben, so Karlsruhe.

Für den Verfassungsschutz gilt diese Neutralitätspflicht nicht. Er darf auch eine politische Partei „beobachten“ und auf den Index setzen. Der Verfassungsschutz ist damit aber ein Fremdkörper in der Demokratie und sollte entsprechend vorsichtig eingesetzt werden.

Man kann sich deshalb nur wundern, wie leichtfertig derzeit viele fordern, der Verfassungsschutz solle die AfD beobachten. Zugleich ist es ein gutes Zeichen, dass der Verfassungsschutz dem öffentlichen Druck bislang nicht nachgegeben hat.

Es wäre doch ein armseliges Zeichen für die Demokratie, wenn der Inlandsgeheimdienst die bundesweit stärkste Oppositionspartei überwacht. Anrüchig wäre dies auch, weil im Herbst ja auch Landtagswahlen in Bayern sind und der CSU-Parteichef Horst Seehofer bald Innenminister und damit oberster Chef des Verfassungsschutzes wird.

Für Strafverfolgung ist die Polizei zuständig

Es ist ja nicht lange her, da hat der Verfassungsschutz noch die gesamte Linkspartei überwacht, inklusive Bodo Ramelow, heute Ministerpräsident von Thüringen. Wer das damals anmaßend und bevormundend fand, sollte nun drei Mal überlegen, ob er den Verfassungsschutz gegen die AfD in Stellung bringen will und ihn so noch legitimiert.

Die Einschaltung des Verfassungsschutzes brächte auch keinen besseren Schutz von Minderheiten und Andersdenkenden. Für Volksverhetzung und Beleidigung sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft zuständig. Die „Beobachtung“ durch den Verfassungsschutz hieße nur, dass die AfD im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird und damit ganz offiziell in „Verruf“ gebracht wird.

Genügt es nicht, wenn Demokraten gegen die AfD demonstrieren? Wenn andere Parteien die Zusammenarbeit verweigern und Medien fast unisono vor der AfD warnen?

Die aktuelle Debatte um AfD und Verfassungsschutz krankt aber auch daran, dass kaum jemand konkret begründet, wo die Probleme der Partei mit der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ liegen. Dass AfD-Politiker Türken in Deutschland als „Kameltreiber“ bezeichnen, ist zwar widerlich, aber sicher nicht ausreichend.

Ausgrenzung hilft nicht gegen Ausgrenzung

Relevant ist dagegen die permanente Anti-Islam-Hetze der AfD. Immer wieder wird Muslimen in Deutschland pauschal die Religionsfreiheit abgesprochen. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ heißt es im Grundsatzprogramm der AfD. Das hat mit legitimer Religionskritik nichts mehr zu tun, hier geht es nur noch um Ausgrenzung.

Wenn aber Ausgrenzung das Problem der AfD ist, dann kann bloße Ausgrenzung der AfD aus demokratischer Sicht keine überzeugende Lösung sein.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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7 Kommentare

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  • Kann mir vielleicht hier jemand Art 18 GG erklären?

     

    "Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen."

     

    Das ist aus meiner Sicht sehr oft auf den Kanälen der AfD und AfD nahen Seiten auf Facebook und Co Tatgegenstand. Wieso kann ich die Leute nicht anklagen oder das Bundesverfassungsgericht z.B. auf Teile der Pegida aufmerksam machen, und ihnen die Grundrechte entziehen?

    • @KLP:

      Sie wollen ernsthaft das schärfste Schwert des rechtsstaatlichen Handelns, die Verwirkung elementarer Grundrechte gegen die AfD in Stellung bringen? Ernsthaft?

      Eine Waffe die noch nicht einmal gegen diejenigen gezogen wurde, die den bewaffneten Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufgenommen haben (z.B. RAF)?

      Nur weil Ihnen die Auffassung der AfD nicht passt?

      Im großen und ganzen beschränkt sich die AfD (bisher) darauf in Teilen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu agitieren. Vom Kampf im Sinne des Artikels 18 GG noch dazu gegen die gesamte freiheitlich-demokratische Grundordnung kann daher aus meiner Sicht nicht die Rede sein.

      Zudem dürfte eine Maßnahme nach Artikel 18 GG, angesichts dessen was sich der Rechtstaat ansonsten von NPD und Co. So bieten lässt, in krassem Widerspruch zum Verhältnismäßigkeit stehen, welcher sämtlichen staatlichen Handeln zugrunde liegt (auch dem der Judikative).

      Mit Verlaub aber der Entzug von Grundrechten wäre ein Abgesang auf Rechtstaat und Demokratie. Es wäre nicht nur der erste Schritt zur Diktatur, sondern deren Vollendung.

      Der Kampf der Zivilgesellschaft gegen Hass, Hetze, Rassismus und Ausgrenzung muss mit fairen Mitteln des Rechtstaats geführt und gewonnen werden, ansonsten ist er von vornherein zum scheitern verurteilt. Es gibt Fälle bei denen der Zweck die Mittel nicht heilt.

  • Hätte die Demokratie keine Mechanismen, um sich selbst zu schützen (vor denen, die sie möglicherweise gern abschaffen würden), müßte man das als fahrlässig und naiv einstufen. Dann könnten Populisten die Demokratie bis zu dem Punkt manipulieren, daß sie sich ganz demokratisch selbst abschafft.

     

    Sie deuten ja selbst schon an, wo die Probleme der AFD mit der Verfassung liegen: Sie agitiert offen gegen Teile des Grundgesetzes, z.B. die Religionsfreiheit und das Diskriminierungsverbot, sie hat bereits zu Gewalt gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen aufgerufen (Schießen an der Grenze) und so weiter. Sie betreibt offen Volksverhetzung. Einige Mitglieder verherrlichen entweder das Dritte Reich oder bedienen sich offensichtlich seines Gedankengutes und seiner Methoden. Außerdem fusioniert die AFD gerade (wenn auch in Zeitlupe) mit der teilweise offen rechtsextremen Pegida.

     

    Das ist Anlaß genug zur Beobachtung, sollte man meinen. Alles andere wäre naiv.

     

    Naiv ist auch, als Linker im Sinne der AFD zu argumentieren. Man denke an Goebbels und seine berühmte Rede, in der er sich über die Toleranz der anderen lustig macht. Für die Rechten ist es nichts als Dummheit, wenn Linke ihnen gegenüber Toleranz zeigen. Wenn man das vergißt, kommt einem der politische Realitätssinn abhanden, und man bestärkt die Rechte noch in ihrer Opferhaltung.

     

    Mit anderen Worten, Sie sind dermaßen bemüht tolerant gegenüber der AFD, daß Sie gar nicht merken, wie Sie denen Munition liefern. Oder anders formuliert: Der typische Drang der Linken zur Selbstzerlegung aus dem Impuls heraus, die Guten, die Korrekten zu sein, und zwar bis zur letzten Patrone. Edel geht die Welt zugrunde.

     

    Glauben Sie, die Rechte hat das noch nicht gemerkt? Die reisen darauf. Und ich möchte nicht, daß am Ende ein neuer Goebbels dieselbe Rede hält wie damals. Wir haben die historische Erfahrung, deswegen: Laßt uns nicht dermaßen naiv sein.

    • @kditd:

      Da gebe ich Ihnen recht. Der Kuschelkurs muss jetzt mal vorbei sein.

       

      Ich verlinke hier auch noch einmal das Toleranz Paradox, falls es wer noch nicht kennen sollte. https://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz-Paradoxon

  • Guter Kommentar. Letztlich würde der Verfassungsschutz die AfD eh wieder nur finanzieren über V-Männer. Aber letztlich ist dies nur einer unserer Verfassungsschützämter. letztlich hat fast jedes Bundesland ja auch einen Verfassungsschutz, wer weiß wen sie finanzieren oder überwachen.

     

    Der Vergleich Linkspartei und AfD finde ich gut. Auch wenn ich die AfD eher als extremistisch und Verfassungsschutzfeindlich einstufen würde. Aber auch nur Teile. Und diese Teile werden sicher überwacht, aber nicht "nur" weil sie Mitglied in der AfD sind.

  • XY gehört zu Deutschland ist eine Nullaussage. Es ist vielmehr eine populistische Nachricht über Sympathie oder Antipathie.

    Wir haben in Deutschland nach wie vor keine echte Trennung von Staat und Kirche und definieren "Religionsfreiheit" als Vorrang der religiösen Regeln vor den staatlichen Regeln. Das ist problematisch - egal bei wem.

    Der Verfassungsschutz ist aber bereits jetzt in der AfD aktiv - genauso wie er die Linke nicht aufgehört hat zu beobachten. An Stelle der vollständigen Beobachtung kommt dann die Beobachtung einzelner Akteure.

    Von daher macht der Geheimdienst mit dieser Mitteilung das, was Geheimdienste gerne machen - sie vernebeln.

  • Als es damals um die Beobachtung der Linken/PDS ging war der Verfassungsschutz komischerweise aber ueberhaupt nich zoegerlich...

     

    (Um klar zu stellen, ich sehe keinen Grund dass der Verfassungsschutz die AfD beobachtet. Von Taten wie die NPD sind sie noch weit enfernt. Andererseits denke ich schon dass der Verfassungschutz auf einem Auge blind ist.)