Kommentar AfD und Siemens-Entlassung: Auf dem Volkszorn reiten
Die AfD versucht, die drohenden Entlassungen bei Siemens für sich zu nutzen und spielt den Klimaschutz gegen Arbeitsplätze aus. Das ist zynisch.
I n Görlitz sind fast tausend Siemens-Arbeitsplätze bedroht. Klar, dass die Populistenpartei AfD, die sich erst sehr spät ein Bekenntnis zum Mindestlohn abrang, bei solchen Gelegenheiten die Arbeiterklasse wieder entdeckt. Der AfD-Abgeordnete Tino Chrupalla war bei der ersten Spontandemo nach der abgebrochenen Belegschaftsversammlung in Görlitz dabei. Klar auch, dass er in seinem Redebeitrag gegen die Konkurrenz der Sozialdemokraten wettern musste, dem vergangenen Arbeiteroriginal.
Aber hinter der schrägen, ja geradezu außerirdischen AfD-Argumentation steckt nicht etwa eine neu forcierte Konfrontation von Kapital und Arbeit. Denn im gleichen Atemzug nimmt die geschrumpfte AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag Siemens für seinen „drastischen Entschluss“ sogar in Schutz.
In absurder, ja geradezu zynischer Weise werden vielmehr Klimaschutz und Energiewende, die zu den Lieblingsfeinden der AfD gehören, gegen Arbeitsplätze ausgespielt. Das ist mindestens Volksverblödung.
Die Grünen sind sowieso schuld, Merkel wird auf einmal wieder zur Klimakanzlerin, ja sogar die angeblich ideologisch versiffte sächsische Union „opfert“ Arbeitsplätze in der Kraftwerksindustrie für erneuerbare Energien und Kohleausstieg. Gäbe es dieses Teufelszeug nicht, hätten wir in der schützenswerten Heimat mehr blühende Tagebaulandschaften! Ignoriert wird, dass gerade die von Schließung bedrohten Werke in Leipzig und Görlitz nur bedingt vom Auftragsrückgang für Kraftwerksturbinen betroffen sind.
Wenn die AfD schon mit dem Volkszorn reiten will, sollte sie besser wieder die bewährte Ossi-Karte spielen. Denn ungeachtet lautstarken Politiker-Protestes kann man kaum von Arbeitersolidarität sprechen. Die wenigen Arbeitsplätze bei Großkonzernen gelten im Osten als privilegiert. „Da hat es uns nach der Wende viel schlimmer getroffen“, ist in der Bevölkerung auch zu hören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien