Kommentar AfD beim Katholikentag: Eine Frage der Realitäten
Zum Laienfest der Katholiken im Mai in Münster ist auch ein AfD-Politiker eingeladen. Dagegen erhebt sich Protest. Er ist gerechtfertigt – und doch falsch.
Z wietracht, nicht Frieden, sät eine Einladung, die das Zentralkomitee der deutschen Katholiken zu seinem größten Laientreffen im Mai in Münster aussprach: Zu einer Debatte mit Vertretern von Parteien, die im Bundestag vertreten sind, hat das Komitee auch Volker Münz, kirchenpolitischer Sprecher der AfD, eingeladen. Und das wollen, so formuliert es eine durch eine Fülle von Theolog*innen und katholischen Laienaktivist*innen unterzeichnete „Münsteraner Erklärung“, viele Katholik*innen nicht hinnehmen.
Die AfD, und sei es nur über einen ihrer Funktionäre, stelle „eine Normalisierung einer menschenfeindlichen und hasserfüllten Politik dar“. Außerdem breche die Einladung „mit der bisherigen klaren Linie der Abgrenzung“ zur AfD, die auf dem Katholikentag 2016 in Leipzig befürwortet wurde. Darüber hinaus verkörpere die Präsenz des Bundestagsabgeordneten auf dem Glaubensfestival „einen Bruch“ mit „dem langjährigen breiten und starken Widerstand der Münsteraner Öffentlichkeit“.
Und sie haben ja recht, die Protestierenden: Die AfD ist genau so, wie sie schreiben – gegen das Credo des Christlichen in fundamentaler Weise verstoßend. Rechte und Rechtspopulisten bekämpfen das, wofür die christlichen Kirchen in Deutschland auch kämpften: die offene Gesellschaft. Sie und nur sie markiert die wichtigste Differenz zu nationalsozialistischen Konzepten – Menschenfreundlichkeit, Weltoffenheit und Neugier. Andererseits, und darauf kommt es an, ist die AfD und ihre Wählerschaft eine Realität, und zwar eine durch Beschlüsse nicht aus der Welt zu schaffende.
Insofern ist der Wunsch, der Katholikentag möge AfD-frei bleiben, freundlich, ja, kämpferisch gesinnt, widerspricht aber dem Gebot der Anstrengung im Argumentativen. Jeder private Zirkel darf sich darauf verständigen, sich nicht dem Gift des Rechtspopulismus auszusetzen. Ein Katholikentag, wollen seine Engagiertesten und Menschenachtendsten sich nicht Reinheitsphantasien ergeben, darf dies nicht. Denn auch in katholischen Milieus wird AfD gewählt. Um zu verhindern, dass die AfD aus einer möglichen Ausladung vom Katholikentag ein Martyrium konstruiert, eine Opferrolle ergreift, sollte dies ausgehalten werden: Die AfD als eine deutsche Realität anzuerkennen. Seien ihre Leute Sünder, Zöllner und Zeloten: Man muss sie in der öffentlichen Arena stellen und ihnen die Chance verwehren, sich als Underground zu inszenieren.
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