Kommentar Ablehnung von Auskunftssperren: Nichts gelernt
Es ist davon auszugehen, dass Rechte wieder auf „Verräter des Vaterlands“ schießen werden. Auskunftssperren könnten diese Vorhaben erschweren.
Nach der Ermordung von Walter Lübcke: Plakat bei einer Demonstrant am 20. Juli in Kassel Foto: dpa
Dass das Bundesministerium des Innern die erste Instanz ist, die vor rechtsextremen Anschlägen warnt, ist selten. Charakteristischer für das Ministerium ist, den Terror von rechtsextremen Netzwerken zu relativieren und sogar zu ignorieren. Die offizielle Einschätzung des Bundesinnenministers Horst Seehofer, dass „der Rechtsextremismus zu einer echten Gefahr geworden“ sei, sollte umso mehr von behördlichen Stellen wahrgenommen werden.
Dass die Aussage des CSU-Politikers erst nach der Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke erfolgte, ist eine Verhöhnung der zuvor Ermordeten und Angegriffenen. Dass sie überhaupt erfolgte, entkräftet diese Unsensibilität gegenüber Opfern und Angehörigen nicht. Doch führt sie zumindest zu mehr Sensibilität für die ausgemachten Feinde der „nationalen Bewegung“? Zu mehr Schutz und schneller Information?
In Bremen kommt das Bürgeramt jedenfalls potenziellen Opfern nicht entgegen. Mit der Ablehnung der Auskunftssperren für deren private Adressen steigen die Angriffsmöglichkeiten. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer rechtfertigt die Ablehnungen seitens der Meldestelle mit Verweis auf die Gesetzeslage – und überträgt die Verantwortung auf die Antragssteller. Sie sollen bitte ihre individuelle Bedrohung „konkret darlegen“.
So werden Betroffene von staatlicher Seite alleingelassen. Sie werden auch alleingelassen, wenn sie die Information über eine Bedrohung erst gar nicht erhalten. Vor rund zwei Jahren stellte die Polizei beim rechtsextremen Netzwerk „Nordkreuz“ eine Liste mit rund 25.000 Namen sicher. Erst jetzt sieht der zuständige Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier (CDU), einen Anlass, betroffene Personen zu informieren.
Die „Nachweisschuld“ blendet die aktuelle Situation und die derzeitigen Dynamiken der militanten Rechten aus. Spätestens nach der Ermordung Walter Lübckes muss man damit rechnen, dass erneut auf „Verräter des Vaterlands“ geschossen wird. Wann, weiß niemand. Wir wissen aber: Mit der Sperrung der Auskunft über private Daten wird die Vorbereitung eines Angriffs zumindest erschwert.
Kommentar Ablehnung von Auskunftssperren: Nichts gelernt
Es ist davon auszugehen, dass Rechte wieder auf „Verräter des Vaterlands“ schießen werden. Auskunftssperren könnten diese Vorhaben erschweren.
Nach der Ermordung von Walter Lübcke: Plakat bei einer Demonstrant am 20. Juli in Kassel Foto: dpa
Dass das Bundesministerium des Innern die erste Instanz ist, die vor rechtsextremen Anschlägen warnt, ist selten. Charakteristischer für das Ministerium ist, den Terror von rechtsextremen Netzwerken zu relativieren und sogar zu ignorieren. Die offizielle Einschätzung des Bundesinnenministers Horst Seehofer, dass „der Rechtsextremismus zu einer echten Gefahr geworden“ sei, sollte umso mehr von behördlichen Stellen wahrgenommen werden.
Dass die Aussage des CSU-Politikers erst nach der Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke erfolgte, ist eine Verhöhnung der zuvor Ermordeten und Angegriffenen. Dass sie überhaupt erfolgte, entkräftet diese Unsensibilität gegenüber Opfern und Angehörigen nicht. Doch führt sie zumindest zu mehr Sensibilität für die ausgemachten Feinde der „nationalen Bewegung“? Zu mehr Schutz und schneller Information?
In Bremen kommt das Bürgeramt jedenfalls potenziellen Opfern nicht entgegen. Mit der Ablehnung der Auskunftssperren für deren private Adressen steigen die Angriffsmöglichkeiten. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer rechtfertigt die Ablehnungen seitens der Meldestelle mit Verweis auf die Gesetzeslage – und überträgt die Verantwortung auf die Antragssteller. Sie sollen bitte ihre individuelle Bedrohung „konkret darlegen“.
So werden Betroffene von staatlicher Seite alleingelassen. Sie werden auch alleingelassen, wenn sie die Information über eine Bedrohung erst gar nicht erhalten. Vor rund zwei Jahren stellte die Polizei beim rechtsextremen Netzwerk „Nordkreuz“ eine Liste mit rund 25.000 Namen sicher. Erst jetzt sieht der zuständige Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier (CDU), einen Anlass, betroffene Personen zu informieren.
Die „Nachweisschuld“ blendet die aktuelle Situation und die derzeitigen Dynamiken der militanten Rechten aus. Spätestens nach der Ermordung Walter Lübckes muss man damit rechnen, dass erneut auf „Verräter des Vaterlands“ geschossen wird. Wann, weiß niemand. Wir wissen aber: Mit der Sperrung der Auskunft über private Daten wird die Vorbereitung eines Angriffs zumindest erschwert.
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Schwerpunkt Rechter Terror
Kommentar von
Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.
■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.
■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.
■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.
■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.
■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.
■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.
■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.
■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.
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