Kommentar ARD und Mehmet Scholl: Eigenmächtiger Entertainer
Die ARD hat sich von Kommentator Mehmet Scholl getrennt. Für den Sender ist das eine Möglichkeit, eine neue Richtung einzuschlagen.
W ie soll man sich von einem Fußballfachmann verabschieden, dessen Expertisen sich stets auf Stammtischhöhe bewegten, der Taktik für überbewertet und Doping für sinnlos hielt, ein Thema, über das man an schönen Tagen sowieso nicht zu sprechen braucht? Die ARD hat die richtigen Worte zum dann doch etwas überraschenden Abschied von Mehmet Scholl gefunden. Sie bedankte sich bei ihrem „meinungsstarken, streitbaren und originellen Experten“.
Deutlich über eine Million Euro jährlich sollen dem öffentlich-rechtlichen Sender die originellen Bauchkommentare des früheren Bayern-Profi wert gewesen sein. Er wurde als Experte präsentiert und honoriert, wie man eben einen Entertainer honoriert. Der Nachfolger soll in den nächsten Wochen bekannt gegeben werden. Kommt jetzt ein Experte, der etwas von Fußball versteht? Einer, der sich mit den strategischen Entwicklungen des Spiels auseinandersetzt, statt stets auf den nächsten Schenkelklopfer abzuzielen. Nutzt die ARD die günstige Gelegenheit, ihre Analysen künftig mit Fachkompetenz aufzuwerten?
Die Verbindung zwischen der ARD und Scholl scheiterte auch daran, dass Letzterer seine ihm zugewiesene Rolle als Entertainer zu eigenmächtig interpretierte. Er glaubte, er könne auch jenseits aktueller sich aufdrängender Fragen sein eigenes Programm fahren. Kein Wunder, dass er im Juni das Studio verließ, weil ihm das Dopingthema beim Confed Cup nicht schmeckte. Die ARD verpasste es, Signale zu setzten, dass ihr die kritische Auseinandersetzung mit dem aktuellen sportlichen Zeitgeschehen, dass ihr also Journalismus etwas wert ist.
Und der lange Abwägungsprozess bei der ARD, der erst jetzt zur Verabschiedung von Scholl führte, zeigt, wie stark die Beharrungskräfte bei dem Sender sind. Man lotete intensiv aus, ob man mit Scholl die Spaßberichterstattung und den Duz-Journalismus nicht doch fortsetzen soll. Man darf auf seinen Nachfolger gespannt sein.
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