Komiker Oliver Polak über sein Buch: „Jogginghosen sind bequem“
In Niedersachsen aufgewachsen, wurde Oliver Polak in der Provinz sozialisiert. Der Komiker über Gespräche am Tisch der Eltern und selbstreferenziellen Humor.
taz: Oliver Polak, Sie sind der erste Jogginghosenträger, der bei Suhrkamp ein Buch veröffentlicht. Wie fühlt sich das an?
Oliver Polak: Auf jeden Fall interessant, wo immer ich mein Buch präsentiere, fällt die Rede darauf, dass ich Jogginghosenträger bin. Ich bin auch der Erste, der in Adiletten für Suhrkamp präsentiert. Manchmal werde ich deshalb schräg angeguckt.
Ist die Jogginghose Ihre Arbeitsuniform?
Jogginghosen trage ich schon, seit ich 20 bin. Sie sind bequem. In Kreuzberg stößt das noch auf Verwunderung, wenn ich in New York unterwegs bin, stört das niemanden. Es gibt übrigens Jogginghosen von Gucci, die kosten 800 Euro.
Was kostet Ihre?
Ich bevorzuge Modelle der Marke Adidas, die kosten zwischen 80 und 150 Euro.
Früher teilte man Westdeutschland in Puma und Adidas. Warum Adidas?
geboren 1976, ist ein Komiker. Seine jüdische Herkunft und sein Aufwachsen in der norddeutschen Provinz sind immer wieder Themen seiner Shows. 2010 hat er mit Erobique den Song „Lasst uns alle Juden sein“ komponiert. 2013 hat er in dem Videoclip „Ich bin Adolf Hitler“ von K.I.Z. den Führer gespielt. 2017 wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.
Ich war nie Puma, ich war immer Adidas. Was Hosen angeht und Sweatshirts, immer Adidas. Bei Sneakern schwöre ich auf Nike.
Geha oder Pelikan-Füller?
Geha! Gegenfrage: Was wäre das Pendant zum Steiff-Tier?
Da muss ich passen.
Asoziales Stofftier.
Sie sind im niedersächsischen Papenburg aufgewachsen. Welche Ereignisse sind da für Sie prägend gewesen?
Mein Vater war passionierter Zirkus-Fan, auch für mich war der Zirkus ein wichtiger Ort. Papenburg ist ziemlich trist, aber im Zirkus fühlte ich mich wohl. Ansonsten kann ich schon sagen, dass ich ein Kind der Popkultur bin. Sie war Zufluchtsort. Als Neunjähriger sah ich Udo Jürgens in der Weser-Ems-Halle. Das erste Konzert, das ich selbst ausgewählt habe, war ein Auftritt von Erste Allgemeine Verunsicherung.
Auch als Sie älter wurden?
„Gegen Judenhass“. Suhrkamp Verlag, 2018, 128 Seiten, 8 Euro. Ursprünglich sollte das Buch bei Kiepenheuer&Witsch erscheinen. KiWi-Verleger Helge Malchow forderte von Polak, dass er die Anekdote mit Jan Böhmermann aus dem Buch streicht. Polak tat das nicht und ging zu Suhrkamp. Im Buch werden keine Namen genannt.
In der Einsamkeit von Papenburg habe ich zum Glück die Band Blumfeld entdeckt. Angeregt durch ihre Musik habe ich mir als 15-Jähriger ein Schlagzeug zugelegt. Dann bin ich bei einer Punkband eingestiegen, die hieß Satanic Trip. Mit 19 habe ich dann meine eigene Band gegründet. Musik war mein Ding, Comedy war kein Thema.
Über wen lachen Sie?
Als Kind habe ich als Erstes Otto und Hape Kerkeling wahrgenommen. Ich muss sagen, dass der Humor von Bands tatsächlich lustiger war als alle Comedians zusammen. Popkünstler wie Erobique machen auch heute einen besseren Job als die Komiker.
Sie versuchen das, was in den USA Stand-up-Comedy heißt. Was muss passieren, damit Sie etwas zum Lachen bringt?
Es muss weder schlau sein noch tiefsinnig. Guter Humor hat mit einem Überraschungsmoment zu tun. Am besten gelingt das US-Comedians. Ich war selbst im Vorprogramm von Comedy Cellar in New York aufgetreten und habe mir dort Godfrey und Dave Atell angeschaut. Beide großartig. Vorbild von mir ist auch Helge Schneider, er ist ein Musikgenie.
Spielt Humor in Ihrer Familie eine Rolle?
Ich habe den Drang, mich verantwortlich zu fühlen, damit sich andere Menschen gut fühlen. Menschen zum Lachen zu bringen hat mit meiner eigenen Familiengeschichte zu tun. Ich wusste schon als Kind, dass mein Vater im KZ inhaftiert war. Es war ja nicht so, dass bei uns ständig traurige Stimmung deshalb war. Viele Kinder wollen ihren Eltern etwas vorführen, das war bei mir nicht anders. Bei mir ging das durch Humor. Ich habe es später nie drauf angelegt, Komiker zu werden. Erst mit 30 habe ich mir zugetraut, es mal mit Stand-up Comedy zu probieren. Da habe ich schnell kapiert, dass Leute wie Eddie Murphy anfangs ihre eigene Biografie als Basis benutzt haben.
1986 war ich auf Abiturfahrt in Polen. Da haben wir die Gedenkstätte des KZ Auschwitz besichtigt. Auf der Rückfahrt im Bus war anderthalb Stunden Schweigen. Wann haben Sie die Leidensgeschichte Ihres Vaters erfasst?
Es gab nicht den einen entscheidenden Moment. Es war banaler: Oft sind befreundete jüdische Bekannte aus dem Emsland am Sonntag zu Kaffee und Kuchen gekommen. Und die haben nicht über den letzten Mallorca-Urlaub geredet, sondern darüber, wie und wann sie sich in welchem KZ verloren haben, wiedergefunden haben, wer ermordet worden ist. Da saßen auch Auschwitz-Überlebende am Wohnzimmertisch mit der tätowierten Nummer am Arm. Das war für mich als Kind normal, das mitzubekommen. Mein Vater hat offen mit uns darüber gesprochen.
Abstrakt gesehen, sind 25 Prozent der Deutschen latent antisemitisch. In Ihrem Buch schildern Sie, was das für Sie bedeutet: ob im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder bei einem Auftritt in einem Zelt bei einem Kabarettabend in München. Das sind keine Nazis, sondern Kollegen, mit denen Sie beruflich zu tun haben. Zutage tritt eine Mischung aus Ahnungslosigkeit und Vorurteilen.
Sie haben ja vorhin erzählt, wie Sie paralysiert waren, nachdem Sie das KZ Auschwitz gesehen haben, da waren Sie zum Glück nicht allein. Ich erlebe das oft allein, etwa mit einem Fernsehmoderator, der mich fragt, ist alles okay? Und ich sage: nein.“ Und er sagt: sorry, deine jüdische Herkunft ist dein Unique Selling Point, da musst du durch. Eigentlich hätte ich sagen müssen, fick dich, Alter. Aber in dem Moment hatte ich nicht die Eier und habe nichts gesagt. Trotzdem habe ich hinterher bemerkt, ich habe darauf keinen Bock mehr. Ich will gar nicht werten, ob jetzt jeder Antisemit ist, der mir blöd kommt. Ob ich jetzt Stand-up-Comedy mache oder ein Buch über Antisemitismus schreibe, es kommt doch absolut darauf an, wer wann und warum und aus welcher Perspektive eine Bemerkung macht.
Warum strengt Sie der Umgang mit dem Thema Antisemitismus so an?
Ich bin es einfach leid. Im Unterbewusstsein ist Comic Relief für mich eine Kompensation für diese ganze Scheiße.
Wie haben Sie die mehrtägige rechtsradikale Randale in Chemnitz erlebt?
Nachdem ich gesehen habe, wie Tausende Rechte organisiert durch die Straßen laufen und den Hitlergruß zeigen, war ich erleichtert, als die Rapper KIZ in Chemnitz bei #wirsindmehr gespielt haben. Ihre Haltung finde ich wichtig. Genau das hat die Bild-Zeitung infrage gestellt. Leute, die den Hitlergruß zeigen, sind offenbar nicht so ein Problem. 2018 fand in Themar ein Rechtsrockfestival statt, das wird von den Behörden immer genehmigt und sogar von Polizei geschützt. Es heißt ja immer „Wehret den Anfängen“. Ich habe das Gefühl, die Politiker wissen gar nicht, was für manche Menschen Sicherheit bedeutet. Wenn ich deutsche Politiker sehe, die in Jad Vaschem Kränze niederlegen, beschleicht mich oft das Gefühl, die können besser mit toten Juden umgehen als mit uns lebenden Juden.
Sie haben Ihr Buch Mireille Knoll gewidmet, eine Holocaustüberlebende, die in Paris im März von ihrem Nachbarn auf brutale Weise erstochen wurde. Das Motiv war Judenhass.
Ich bin mit älteren jüdischen Menschen, wie sie es auch war, aufgewachsen. Als ich die Meldung ihrer Ermordung im Frühjahr gelesen habe, kam bei mir alles wieder hoch. Den Antisemitismus, den es schon zur Nazizeit gegeben hat, den gibt es heute immer noch.
Der Mörder von Mireille Knoll ist kein Nazi, sondern Muslim. Auch Muslime haben teilweise antisemitische Vorurteile.
Das macht für mich keinen Unterschied. Der deutsche Antisemitismus war immer da, wie ein Bekannter, der in der Ecke sitzt und stillschweigend geduldet wird. Ich glaube nicht, dass Flüchtlinge, die vor Armut und Leid fliehen, als erstes Problem die Juden ausmachen. Es gibt aber einen Nährboden, das ist der arabische Antisemitismus. Der ist viel lauter und aggressiver als der deutsche.
Gibt es eigentlich typisch jüdischen Humor? Und, wenn ja, was macht der?
Ich vermute mal, dass der Humor mit der jahrhundertealten Diaspora zu tun hat. Jüdischer Humor ist selbstreferenziell. Also dass der beste Gag des Abends auf meine Kosten geht, ist ein Beispiel dafür. Ich kann über mich selbst lachen.
Gibt es für Sie als Comedian Tabus?
Keiner meiner Witze ist härter als die Realität da draußen. Ich glaube, je größer das Tabu, desto besser muss der Gag sein. Das gelingt mir manchmal mehr, manchmal weniger.
Jüdisches Leben muss von der Polizei bewacht werden. Wie stellt sich der Alltag für Sie dar?
Schon absurd, dass Polizeischutz erforderlich ist nach alldem, was passiert ist. Ich glaube, jüdisches Leben gibt es hier nur bedingt. Die jüdischen Leute sind aus verständlichen Gründen empfindlich und sehr vorsichtig. Es wird so viel in uns hineinprojiziert und an uns abgearbeitet.
Was macht Sie glücklich?
Nachts mit dem Auto durch Berlin zu fahren und Radio Paradiso hören. Da laufen tolle Softpopsongs. Und Musik der Band The Notwist hören. Ihr Sänger, Markus Acher, kam zu meiner Lesung und hat mir Alben seines Labels mitgebracht. Das sind so Momente, wenn Leute, die mir wichtig sind, auf mich zukommen.
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