Kolumne Zumutung: Und das Klavier perlt Liebe

Erst fand ich den behaarten Mann im rosa Röckchen beliebig. Dann irgendwie ganz nett. Doch dann kam die Telekom. Mit mit nicht, PR-Schergen!

Da schwebt er Richtung Touristen-Hotspot: Bob Carey, Gefangener der Telekom. Bild: dpa

Das fing im November an. „OMG!“, tutete es aus meiner Facebook-Timeline. „Ach, das berührt mich“, schniefte es. „Schaut euch das an, jede Menge LOVE!“ ward gefordert.

Warum ich irgendwann tatsächlich auf den Link mit dem kleinen rosa Fleck geklickt habe - ich weiß es nicht mehr. Eigentlich hege ich ein gewisses Misstrauen gegenüber Mitmenschen, die Witzbildchen, Wortwitzchen und Emofilmchen posten und diese dann zu jenem Teil ihres Lebens erklären, dessen auch ich unbedingt teilhaftig werden müsste. Aber diesmal? OMG. LOVE. Ich klickte.

Und was sah ich? Einen behaarten Mann, der sich vor verschiedenen Hintergründen bewegt, bekleidet mit einem rosa Ballettröckchen. Mal sprang er, mal lag er, mal saß er. Na ja. Durchästhetisiertes, gepixeltes Bildwerk. Ich fand's beliebig.

Aber dann las ich, dass es sich bei diesem Hetero-Bärchen um den Fotografen Bob Carey handelt, liebender Ehemann der Brustkrebs-Patientin Linda Carey. Und dass Bob und sein Tütü durch die Welt reisen, wo Bob all diese funny pictures aufnimmt. Und dass er mit diesem „Tutu Project“ seine Linda wieder zum Lachen gebracht hat. Und noch viele weitere Brustkrebspatientinnen und deren Angehörige. Und dass die Careys eine Stiftung gegründet haben, in die die Erlöse aus den Tütü-Bildern und den Tütü-Postkarten und den Spenden fließen.

Ich dachte beschämt: Eigentlich nette Leute. Ist die Ästhetik nicht gleichgültig, wenn es um etwas Tödliches wie Krebs geht? Und ist Humor nicht doch ein guter Weg, das Interesse für anderer Menschen Nöte zu wecken? Viel Glück, Linda und Bob!

Wie gesagt, das war im November. Dieser Tage aber werde ich gezwungen, mich erneut mit Bobs Röckchen zu befassen. Es ist kurz vor Weihnachten, als ich ihn im Fernsehen wiedersehe. Zusammen mit Linda schlendert Bob durch das von Touristen beräumte Brandenburger Tor. Klaviermusik perlt, Bob knuddelt Linda. Dann zieht er sich aus, streift sein rosa Röckchen über und springt zur Perlmusik in die graue Berliner Winterluft. Klick! Foto! Und aus dem Off spricht eine Stimme: „Besondere Geschichten verdienen das beste Netz.“ Schließlich: „Erleben, was verbindet“. Deutsche Telekom.

Schimpfen Sie mich eine naive Frau, aber das stößt mich ab. Die Telekom, jenes Bonner Unternehmen, das mich aufgrund seiner Weitverzweigtheit und Serviceferne schon zu Wuttränen getrieben hat - ausgerechnet die Telekom schnappt sich so eine OMG-Story und appelliert an mein Mitgefühl? Jene Telekom, die nicht mal weiß, wie man Netzneutralität buchstabiert und die mir das ganze letzte Jahr mit ihrer angedrohten Geschwindigkeitsdrosselung auf die Nerven gegangen ist?

Ausgerechnet die will mich belehren? Und, noch schlimmer: Vermutlich mache ich mit dieser Kolumne der Agentur noch eine richtige Freude. Bei der taz muss man nicht mal Anzeigen zahlen, die schreiben eh drüber? Deshalb hier noch ein paar werbefreie Zeilen Weißraum:

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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