piwik no script img

Kolumne Wir retten die WeltDer Suchmaschinen-Klimazauber

Hannes Koch
Kolumne
von Hannes Koch

Ein Google-Rivale will Bäume für Suchanfragen pflanzen. Doch die Kompensation von Klimaschäden hat auch Tücken.

Eine grüne Suchmaschine aus Berlin will mit Werbegeldern Bäume pflanzen Foto: dpa

L iebe Leser*innen, noch nie war diese Kolumne so kurz davor, ihr Versprechen in die Tat umzusetzen. Wir retten die Welt. Das können wir jetzt erledigen, quasi nebenbei. Denn ich habe eine tolle Sache entdeckt. Die Alternativ-Internetsuchmaschine Ecosia sagt, sie würde pro Suchanfrage auf ihrer Seite durchschnittlich ein Kilogramm klimaschädliches Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre ziehen. Das funktioniert so: Man tippt seine Suchbegriffe nicht bei Google ein, sondern bei Ecosia.

Unternehmen schalten dort Werbeanzeigen. Die Einnahmen investiert die Firma zum guten Teil in Neuanpflanzungen von Bäumen rund um den Globus. Die holen CO2 aus der Luft. So viel, dass nicht nur der Stromverbrauch der Suchmaschine und ihrer Server neutralisiert wird, sondern die Luft insgesamt sauberer wird.

Faszinierend. Wenn ich mit meinem Wagen 10.000 Kilometer pro Jahr fahre, verursache ich beispielsweise 1.500 Kilogramm CO2-Ausstoß. Weil Ecosia ein Kilo pro Suchanfrage neutralisiert, brauche ich 1.500 Anfragen, und meine Abgase sind weg. Nach 30 Tagen mit jeweils 50 Anfragen sollte ich es geschafft haben.

Demnächst will ich nach Accra in Ghana fliegen. 2.500 Kilogramm CO2 fügt dieser Flug meinem Klima-Sündenregister hinzu. Aber kein Problem: 50 Tage mit jeweils 50 Suchanfragen, und ich wasche meine Hände in Unschuld.

Es klingt wie Zauberei. Man kann den Spritverbrauch seines Landrovers mit Allradantrieb neutralisieren, indem man sich im Netz ausgiebig über dieses Auto informiert und die nächste Alpenüberquerung plant. Geradezu elegant ist das. Das müsste ich dem IPCC mitteilen, den Klima-Wissenschaftlern der Vereinten Nationen. Die fordern eine Politik, um nicht nur weniger Abgase in der Atmosphäre abzuladen, sondern auch welche rauszuholen.

Kein „Ablasshandel“

Diese Ecosia-Geschichte ist doch aber Quatsch, sagen Sie? Fachleute bestätigen, dass ich mich nicht verrechnet habe. Manche Probleme scheinen sich tatsächlich von alleine zu lösen. Plopp. Weg. Abends schlechte Laune. Morgens aufgewacht – gute Laune.

Bald heißt es nicht mehr „googeln“, sondern „Ecosier das mal“. Wo ist der Fehler? Nachfrage bei Ecosia. Meine Rechnungen seien „korrekt“, antwortet die Firma. Dennoch wolle man „diese Denke“ nicht unterstützen. Man betreibe keinen „Ablasshandel“. Wer das Klima schützen möchte, solle Zug fahren, anstatt zu fliegen. Trotzdem rühmt die Firma sich ihrer Super-Duper-Klima-Leistung und schreibt: „Wäre Ecosia so groß wie Google, könnten wir genügend Bäume pflanzen, um 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen zu binden!“

Und das alles aus einem Hinterhof in Berlin-Neukölln. Das Problem steckt wahrscheinlich in den Bäumen. 38 Millionen Pflanzen weltweit kann man schwer im Blick behalten. Vielleicht sind viele schon als Brennholz geendet.

Aus solchen Gründen pflanzt Atmosfair, eine andere Kompensier-Organisation, keine Bäume. Dort kann Geld einzahlen, wer Flüge neutralisieren möchte. Damit baut Atmosfair beispielsweise Solar- und Windkraftwerke. Ob die wirklich arbeiten, lässt sich einfacher überprüfen als Bäume.

So oder so ist das Kompensieren von Klimaschäden eine merkwürdige Sache. Ich verursache hier ein Problem, das irgendjemand ganz woanders auf der Welt behebt. Der Weg dazwischen erscheint verdächtig theoretisch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Hallo, schön, dass über Ecosia - endlich - auch in der taz geschrieben wird.

    Ich selbst nutze Ecosia mittlerweile bereits seit knapp 3 Jahren und bin grundsätzlich sehr zufrieden. Dennoch bin ich Realist genug, um zu wissen, dass Ecosia die Welt nicht retten wird.

    Was mich außerdem nervt, ist, dass an allen Ecken behauptet wird, dass man "mit jeder Suchanfrage" etwas gutes tut. Das ist schlichtweg Quatsch wenn nicht sogar Augenwischerei. Wenn ich jeden Tag 50 mal mit Ecosia suche, aber nie auf eine Anzeige klicke, bringt das genau gar nichts.

    Niemand kann Geld herbeizaubern (auch nicht Ecosia) - es muss schon irgendwie verdient werden.

    Deshalb empfinde ich den kritischen Grundtenor des Artikels als angebracht.

    Ohne Zweifel ist Ecosia eine wirklich tolle Idee und wahrscheinlich ist es sehr viel sinnvoller als mit Google zu suchen (vor allem aus Datenschutzgründen). Aber sein Klima-Engagement auf Ecosia zu reduzieren (solche Leute soll es geben) ist in meinen Augen lächerlich.

    Es gibt durchaus noch mehr Kritikpunkte, siehe hier: my-green-choice.de...osia-suchmaschine/ oder auch hier: blog.wdr.de/digita...chine-als-pranger/

  • 9G
    96204 (Profil gelöscht)

    Statt Lösungsansätze schlecht zu machen, sollte man sich darüber freuen. Keiner kann allein das Klima retten. Deshalb Ecosio zynisch ab zu werten, hätte ich von der ZEIT oder der Süddeutschen, nicht aber von der TAZ erwartet. Arm.

    • @96204 (Profil gelöscht):

      Macht die TAZ ja gar nicht. Sie sagt ja, dass es tatsächlich funktioniert, aber hinterfragt das Konzept kritisch und vor allem unsere Mentalität sich von den eigenen Klimasünden freizukaufen statt das eigene Verhalten zu ändern.

  • Schade, dass in diesem Artikel die großen Unternehmen, die Ablaßhandel betreiben, nicht erwähnt werden. Diese hätten in der Tat die Möglichkeit, aktiv etwas zu tun, wohingegen ich schlecht ein paar kompensierende Solaranlagen bauen kann, mit meinem kleinen Gehalt. Da ist soetwas allemal besser, als nichts zu tun. Alles beginnt mit einem ersten Schritt.

  • Sorry, Ecosia ist nicht neu. Und es gab vorher auch schon Forestle. Ich nutze das seit 10 Jahren.

    Und zu Google bleibt es einfach eine sehr gute Alternative.



    Kein Stromverbrauch ist auch besser als Ökostrom. Aber Ökostrom immer noch besser als Atomstrom.

    Und by the way:

    "Am 9. Oktober 2018 erregte das Unternehmen Aufsehen mit einem an den Energiekonzern RWE gerichteten öffentlichen Kaufangebot in Höhe von 1.000.000 € für den noch existenten Teil des Hambacher Forstes[17], RWE lehnte aber am Abend ein erstes Angebot ab.[18]"



    twitter.com/Ecosia...049699393098698752



    de.wikipedia.org/wiki/Ecosia

  • Gut mal darüber zu berichten, eine wirklich aktuelle Nachricht ist das allerdings nicht -- Ecosia gibt es schon seit fast 10 Jahren.