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Kolumne Wir retten die WeltTesla-Gangster ganz weit vorn

Hannes Koch
Kolumne
von Hannes Koch

Der Kavalierstart an der Ampel gilt als Ökosünde. Aber was, wenn die Breitreifen-Raser plötzlich vollelektrisch am Start sind?

Auftanken fürs Öko-Rasen: Tesla Model S Foto: reuters

D as Auto an der Ampel schaukelt im Rhythmus der Bässe. Die beiden Basecap-Typen schauen kaum über den Türrand, so tief hängen sie in ihren Rennsitzen. Gangsterrap dröhnt aus den runtergelassenen Fenstern.

Kreuzberg normal. Dann fährt der Wagen an. Lautlos. Die 700 Meter bis zu den Yorckbrücken schaffen die PS-Kids in gefühlten drei Sekunden. Die anderen Fahrer überlegen noch, ob Grün ist. Mir wird klar: Der schwarze, breite, flache, superschnelle Wagen war ein Tesla, einer dieser Elektro-Sportwagen aus den USA. Kostet um die 80.000 Euro.

In mir erhebt sich der Mittelstandspuper. Die Insassen sahen aus, als kämen sie aus Neukölln. Wahrscheinlich haben sie den Hauptschulabschluss vergeigt, das Auto geklaut oder mit Gewinnen aus dem Drogenhandel finanziert. Aber Tatsache bleibt: Die Dicke-Hosen-Jungs sind ganz weit vorne.

Während 99,9 Prozent der Gesellschaft noch fossil unterwegs sind, haben die Tesla-Gangster die Bedeutung der Ökomobilität erkannt. Vielleicht geht es ihnen in erster Linie um den Wert der Karre als Ego-Booster. Trotzdem erfolgt die Selbstbewusstseinssteigerung klimaneutral.

Wir dagegen sind zu drei Vierteln eine erdölbasierte Familie. Meine Exfrau fährt einen Benziner-Kleinwagen, ich ebenfalls. Unser Sohn macht gerade den Führerschein. Ich glaube nicht, dass Ökologie ein wichtiges Kriterium seiner Fahrzeugwahl bilden wird. Nur unsere Tochter müssen wir zum Führerschein tragen. Sie lehnt Autofahren wegen der Umweltschäden ab.

Die Tesla-Besatzung setzt genau das um, was Firmenchef Elon Musk plante. Weil vollelektrische Fahrzeuge noch innovativ, schwer zu verkaufen und teuer sind, ließ er Ferrari-mäßige Vorzeigegeschosse entwickeln, mit denen Reiche ihren materiellen, aber auch ökologischen Vorsprung zeigen können. Durch das Vorbild wird E-Mobilität attraktiv, die Mittelschicht will es nachahmen, der Markt wächst, die Preise sinken, das Produkt setzt sich durch.

Dass nun auch Hängehosenträger aus unseren urban ghettos als role models in Sachen Klimaschutz auftreten, ist wohl eine unbeabsichtigte Nebenfolge der Tesla-Strategie.

Dass nun auch Hängehosenträger aus unseren urban ghettos als role models in Sachen Klimaschutz auftreten, ist wohl eine unbeabsichtigte Nebenfolge der Tesla-Strategie. In jedem Fall gibt es nicht nur Hoffnung in ökologischer Hinsicht, sondern stellt auch soziale Hierarchien auf den Kopf.

Vielleicht sollte ich öfter die Randgebiete unser Stadt besuchen und mich nach ökologischem, sozialem, kulturellem und ökonomischem Fortschritt umschauen. Man hört ja, dass das Leben dort auf der Straße stattfindet, Nachbarschaften noch funktionieren, jeder jedem hilft, aus Türkisch, Arabisch, Deutsch und Rumänisch eine neue Weltsprache entsteht, ein modernes Esperanto gewissermaßen, das tatsächlich gesprochen wird.

Es heißt auch, dass vermeintliche Elendssiedlungen inzwischen mit selbsterzeugtem Ökostrom erleuchtet und beheizt werden, weil der billiger ist als Elektrizität aus dem Netz. Vielleicht summen dort auch schon Drohnentaxis durch die Luft, in denen kostenlos Haschisch angeboten wird – etwas, das die Berliner Grünen einfach nicht durchsetzen.

Und man erzählt sich, dass dort nachts Autos abgefackelt werden. Wahrscheinlich, um die alten Dreckschleudern zu zerstören und den sauberen Ökomobilen den Weg zu bereiten. Wenn ich hingehe, dann am besten zu Fuß. Ich will nicht als Ökosau erscheinen und dafür eins auf die Fresse kriegen.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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8 Kommentare

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  • "Wahrscheinlich haben sie den Hauptschulabschluss vergeigt, das Auto geklaut oder mit Gewinnen aus dem Drogenhandel finanziert." Oder einfach nur mal Mama oder Papas Auto ausgeliehen.

  • Klimaneutral? Der Akku wird doch in Berlin bestimmt mit Atomstrom geladen.

  • Ich habe gar nicht genug Geld, um meinen Kindern den "Führerschein" aufzuzwingen. Früher habe ich manchmal Dichtungsmasse in Auto-Auspuffe gesprüht. Wie macht man das eigentlich bei Elektroautos?

    • @Mika:

      Die müssen Sie hacken. Per App.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Man mag ja von Preissegment und Fahrdynamik halten was man will.

    Ein grosser Verdienst von Tesla ist es, in das Thema e-Mobilität wirklich Dynamik und Aufmerksamkeit gebracht zu haben.

    Und andere Hersteller aus ihrem Schlummerschlaf gerissen zu haben.

     

    Ich konnte mal einen Tesla probefahren. War nett.

    Als Folge steht jetzt bei mir ein Ampera in der Garage und läd, tanke nie, und hab eine gute Ergänzung zum ÖV Jahresabo.

  • Mal ne entspannte Reflexion!?

     

    Weiter so und danke für die zwei drei Lacher für mich uns meine First Lady!

  • Schön, dass Sie sich lebst als "Mittelstandspuper" bezeichnen, sonst läge mir wohl ähnliches auf der Zunge...

     

    Sie können Menschen also an ihrem optischen Äußeren ansehen welcher "Schicht" sie angehören? Respekt, in einer Zeit wo die Mode ziemlich frei ist und auch ein Millionärssöhnchen und Töchterchen wie die "krassesten Ghettotypen" rumrennen können.

     

    Mit der Ökobilanz von Elektrofahrzeugen haben Sie sich anscheinend auch noch nicht so wirklich beschäftigt, Ihr schlechtes Gewissen einem konventionell angetriebenen Auto muss noch! nicht soooo groß sein. Die Produktion von E-Autos macht noch einen Großteil der ökologischen Vorteile kaputt. (Trotzdem ist die Tendenz natürlich gut, es muss halt noch viel entwickelt und geforscht werden).

  • Dann könne mer den cali.Witz ja e-abwandeln 2.0 - 4.0

    "Steht 'n 7nerBMW & 'n Tesla vor der Villa?

    klar - Die Putzfrau ist da!"

    Na Mahlzeit!

     

    (das mit Verbrauch vs Kaffernstart -

    Is dich doch - mit Verlaub Herr Koch -

    Rauch&Schall - Nich die! Höhe vom Ball!

    10l/tsd. immer noch - SUV Boliden et al.

    Die - Reißen doch - Das große! Loch!;)((

    Der Startfurz dagegen - Schnurz!

    Nee nee - Es gelingt hier wieder mal -

    'n tazi-Eigentor - per 2-fach pupitazMoral!