Kolumne Staralbum: Der Routinierte
Er ist ein Spieler. Seine Routine ist unverwüstlich. Seine Handbewegung variiert zwischen beschwichtigend und anheizend. Er ist der Star dieses Podiums: Kevin Spacey.
D ieser Mann ist ein Spieler. Kevin Spacey spielt nicht nur mit Jeremy Irons im Finanzkrisenthriller "Margin Call" (Wettbewerb), er spielt auch mit dem heftigen Applaus im Pressekonferenzraum des Grand Hyatts: Seine Handbewegung variiert zwischen beschwichtigend - das habe ich doch nicht verdient - und anheizend - kein Mensch unter Gottes Sonne hat das mehr verdient als ich. Er ist der Star dieses Podiums, dieses Films - und das weiß er auch. Einmal delegiert er sogar eine Frage - ob sie ihm nicht passt oder er seine Kollegen auch mal zu Wort kommen lassen will, weiß man nicht. Wahrscheinlich beides.
Möglichst unauffällige Aussageverweigerung gehört sowieso zum Wesen solcher Pressekonferenzen. Filmstars, zumal solche aus Hollywood, wollen den Fragesteller nicht düpieren - das bloß nicht! -, aber auch nicht zu viel nachdenken. Der Unterhaltungswert geht vor! Und so antwortet etwa Paul Bettany, der in "Margin Call" einen Untergebenen von Spaceys Sam Rogers spielt, auf die Frage, wie man denn geldgeile Investmentbanker verkörpere, knapp: "Schauspielerei ist ein bisschen wie Sex. Macht eine Menge Spaß, aber darüber zu reden, ist schwierig." Keine Antwort, aber immerhin eine Pointe. Und dieses Geplänkel scheint den Journalisten - oder sollte man besser sagen: dem Publikum - vollauf zu genügen. Wer Antworten sucht, sucht die woanders.
Auch der mal wieder als Sympathieträger besetzte Kevin Spacey, im Original längst nicht so aufgedunsen und abgerockt wie gerade noch auf der Leinwand im Angesicht des aufziehenden Sturms, verausgabt sich nicht gerade: sagt was Politisches zu Jafar Panahis Nichtteilnahme ("Es ist eine Schande, dass er nicht hier sein kann") und was Nettes über seine Kollegen ("Die Egoschweine konnten wir uns nicht leisten - dafür war das Budget nicht hoch genug"). Ach so, und angeblich kann Jeremy Irons nie seinen Text.
David Denk ist Redakteur im taz-Medienressort.
Wahrscheinlich hätte man Kevin Spacey auch um vier Uhr früh wecken können und er hätte das Gleiche erzählt, so auch, dass es ihn freut, dass der deutsche Finanzminister zur Filmpremiere eingeladen worden sei: "Lessons have been learned."
Diese Routine ist unverwüstlich. Auch die frankokanadische Kollegin, die in der Einleitung ihrer gewohnt wirren Frage erzählt, dass sie erst nach dem Tod ihres Vaters erfahren habe, dass dieser ihre Mutter 45 Jahre lang sexuell missbraucht habe, vermag sie nicht eine Sekunde zu durchbrechen.
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