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Kolumne Russisch BrotFreunde des Machismo und Putins

Zwei russische Fußballprofis feiern ihre Freundschaft und Putins Geburtstag recht maßlos. Nun droht eine lange Haftstrafe.

Pawel Mamajew am vergangenen Donnerstag vor Gericht Foto: imago/ITAR-TASS

D er russische Fußball ist weiter auf dem aufsteigenden Ast. Nach dem 2:1-Erfolg in der Türkei fehlt dem Team von Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow nur noch ein Punkt zum Aufstieg in die höchste Spielklasse der Nations League. Doch kaum einer in Russland redet über den anhaltenden Erfolg des Nationalmannschaftsfußballs in Russland. Das ganze Land redet über zwei Fußballer, die derzeit in Haft sitzen: Alexandr Kokorin und Pawel Mamajew. Die beiden ehemaligen Nationalspieler, der eine in Diensten des FC Krasnodar, der andere bei Zenit St. Petersburg unter Vertrag, sind nach dem Spiel der beiden Teams am 7. Oktober gemeinsam nach Moskau gefahren, um einmal so richtig die Sau rauszulassen. Zwei Tage später befinden sie sich in Polizeigewahrsam. Der Vorwurf gegen die beiden: Hooliganismus.

Videos zeigen, was die beiden in den Knast gebracht hat. Zuerst versuchten die schwer angetrunkenen Profis, den Chauffeur einer bekannten Nachrichtensprecherin des russischen Fernsehens zu vermöbeln. Der hatte die Männergruppe darauf hingewiesen, dass sich eine ihrer Begleiterinnen, die sie nach einem Zechgelage in einem Stripklub mitgebracht hatten, einfach in das Auto seiner Chefin gesetzt hatte. Schnell flogen Fäuste auf den Chauffeur ein.

Kurz darauf kehrten die vom Schlägern müden Helden in ein Café ein. Lust, sich zu benehmen, hatten sie immer noch nicht. Ein Gast des Cafés, der Ministerialbeamte Dennis Pak, versuchte, die Männer zu beruhigen, wurde prompt rassistisch beleidigt, weil den Kickern das Gesicht des koreanischstämmigen Beamten wohl nicht gepasst hat. Die Männerbande beendete den Disput, indem einer von ihnen mit einem Stuhl auf Pak einschlug. Die Kicker verließen das Lokal, um kurz darauf noch einmal wiederzukommen. Sie boten dem Wirt 500.000 Rubel (6.500 Euro) für die Videodatei aus der Überwachungskamera des Cafés. Diese hatte sich aber Pak schon gesichert. Kurz darauf wurde das Filmmaterial im Fernsehen gezeigt, auch von der Straßenschlägerei tauchten schnell Videos auf. Die Fußballer wurden verhaftet und sollen erst einmal bis Anfang Dezember im Knast bleiben. Angeklagt werden sollen die beiden wegen Hooliganismus. Bis zu sieben Jahren kann man dafür in Russland in den Bau wandern.

Aber das ist es nicht, was die Menschen in Russland beschäftigt, was in zahllosen Talkshows im Fernsehen diskutiert wird. Es geht um Grundsätzliches. Es läuft eine Moral- und Anstandsdiskussion, die für die Machowelt des russischen Fußballs völlig neu ist. Trinkfeste Kicker, die ihre Freizeit in Nachtklubs mit wechselnder Frauenbegleitung verbringen, mussten sich bisher keine Moralpredigten anhören. Im Gegenteil Machismo galt als Regierungsprogramm.

Tschetscheniens Diktator Ramsan Kadyrow hat den beiden eine zweite Chance angeboten

Umso interessanter ist der Grund, den Kokorin für die Sauftour mit seinem Spezi Mamajew genannt hat. Bevor der Champagner und der Schnaps Wirkungstreffer bei den beiden gelandet hatten, postete Kokorin ein Bild auf Instagram. Es zeigt ihn mit seinem Kumpel Mamajew. Und es nennt die Gründe für die spontane Party: den zehnten Jahrestag der Freundschaft der beiden und: den Geburtstag des Staatspräsidenten Wladimir Putin am 7. Oktober. Der nun 66-Jährige findet sich auch im Instagram-Profilbild von Kokorin – eingerahmt von einem aus Fingern gebildeten Herz. Da feiert sich ein echter Kerl, der wohl denkt, im Auftrag des Präsidenten durch Nachtklubs zu tigern. Diese Haltung steht nun vor Gericht.

Im Kreml hat man natürlich auch schon über die Schlägerprofis gesprochen. Präsidentensprecher Wladimir Peskow bezeichnete die Videos als „unerfreulich“. Deutlicher fiel die Distanzierung der beiden Klubs von ihren Spielern aus. Krasnodar will Mamajew rausschmeißen und Zenit hat vorsorglich alle Trikots mit Kokorins Namen aus dem Fanshop-Programm genommen.

Eine fußballerische Zukunft für die beiden könnte es derweil ganz woanders geben. Tschetscheniens Diktator Ramsan Kadyrow hat den beiden eine zweite Chance bei Achmat Grosny angeboten. Vielleicht hätte ein solcher Wechsel ja einen erzieherischen Effekt auf die Schläger. Sauforgien sind im streng muslimischen Tschetschenien gewiss schwieriger zu organisieren als in Moskau.

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Andreas Rüttenauer
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2 Kommentare

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  • Zitat: „Vielleicht hätte ein solcher Wechsel ja einen erzieherischen Effekt auf die Schläger.“

    Unwahrscheinlich. Sauforgien sind im streng muslimischen Tschetschenien vielleicht wirklich schwieriger zu organisieren als in Moskau. Aber um nachher auf Leute los zu gehen, deren Gesicht einem nicht gefällt und deren Wagen einer Frau gehört, braucht man sich womöglich in Tschetschenien auch gar keinen Mut antrinken. Vor allem dann nicht, wenn man vorher eine Liebeserklärung an den Präsidenten gepostet hat.

    • @mowgli:

      Genau so siehts aus. Seh ich auch so.