Kolumne Rollt bei mir: Getätschelt von den Plastikzungen
Einkaufen im Supermarkt: Kein Vergnügen, wenn man mit dem Rollstuhl unterwegs ist – denn kaum etwas ist behindertengerecht konstruiert.
D er Supermarkt. Ein Ort, an dem nichts dem Zufall überlassen wird, um den Kunden zum Kauf zu verführen. All die Markenprodukte ziehen auf Augenhöhe an ihm vorbei und wollen mitgenommen werden. Aber: Augenhöhe bedeutet nicht Rollstuhlhöhe.
Und so rolle ich durch die Gänge, während die schick designten Verpackungen über meinem Kopf an mir vorbeiziehen. Ich sehe dann weiter unten die schlichteren Zwillinge, welche nicht schick, aber dafür deutlich günstiger sind. Als RollstuhlfahrerIn bleibt man quasi von der Magie der Werbung verschont.
Nur heißt es für RollstuhlfahrerInnen: erst mal reinkommen. Bei manchen Märkten bedeutet das, über den Kopf getätschelt zu werden von den Plastikzungen. Das sind diese meist orangfarbenen Dinger, unter denen andere Leute ihren Einkaufswagen durchschieben. Denn das Drehkreuz daneben ist für den Rollstuhl zu schmal. Eine entwürdigende und schmuddelige Angelegenheit.
Hat man es reingeschafft, beginnt der Parcours. Zwischen Menschen, die die bunten Markenprodukte betrachten, und deren Einkaufswagen gilt es, sich einen Weg zu bahnen. Dann kommen alle zwei Meter die Körbchen mit schön angerichteter Sonderware, die dem Kunden im Weg stehen sollen, um ihn zum Kauf zu animieren. Ein zusätzliches Hindernis – die Sachen kaufen? Nicht mit mir.
„Arme Behinderte“
Als RollstuhlfahrerIn kann man schlecht einen Einkaufswagen vor sich herschieben oder einen Korb tragen, also wird alles auf dem Schoß oder in Taschen (die armen Behinderten werden schon nichts klauen) verstaut und das Ziel, die Kasse, anvisiert. Das richtige Stapeln habe ich in jahrelanger Übung perfektioniert.
Vor der Kasse gibt es noch die Schlange. Man wird manchmal vorgelassen (die arme Behinderte mit ihrem ganzen Kram auf dem Schoß) und manchmal auch angestarrt (die arme Behinderte kauft alleine ein, ach Gottchen). Dann ist man an der Kasse dran – und steckt fest.
Der Gang an der Kasse vorbei ist für manchen Rollstuhl zu schmal. Der absolute Horror, man muss die ganze Schlange hinter sich aufscheuchen und irgendwie rückwärts rauskommen und sich noch mal an einer breiteren Kasse anstellen – wenn es sie denn gibt.
Bezahlen. Als Mensch mit einer Behinderung fühle ich mich nicht frei, in Ruhe das Kleingeld abzuzählen, um passend zu zahlen. Ich spüre die Blicke und male mir die Gedanken aus: Typisch behindert, kann nicht zählen, wie lange dauert das bloß noch? Mit Karte zu zahlen ist auch schwierig, weil die Automaten, an denen man seine PIN eingeben muss, meistens nicht abgesenkt werden können. Mit Mühe und Not verdecke ich das Gerät mit der einen Hand und tippe mit der anderen ein.
Und wenn man nichts gefunden hat und den Laden verlassen möchte? Sich an der Schlange vorbeizudrängen ist unmöglich, ohne den Hausfrauenmob aufzuscheuchen, der akribisch darauf achtet, dass niemand ihnen den Platz in der Schlange streitig macht. Es gibt nur eine Möglichkeit: Sich mit Quängelware, also dem Süßzeug an der Kasse, einzudecken. Endlich mal ausschließlich auf Augenhöhe einkaufen.
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