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Kolumne Right TrashWie hältst du's mit Türken-Adolf?

Das Referendum in der Türkei findet auch in rechten Medien viel Widerhall. Dabei offenbaren sich indes auch innerrechte Widersprüche.

Türken-Bashing oder Hoffen auf einen „deutschen Erdogan“? Die rechte Filterblase ist uneins Foto: ap

E s ist das Top-Thema in rechten Medien derzeit: das Referendum in der Türkei. Sicher, genüsslich wird auch das Umfragetief der Grünen ausgeschlachtet. Oder die Meldung, die Gewaltkriminalität in Deutschland sei 2016 durch die Taten von Zuwanderern gestiegen – wobei verschwiegen wird, dass die Opfer meist ebenfalls Zuwanderer sind. Immer wieder aber dreht es sich in der rechten Filterblase momentan um: die Abstimmung in der Türkei.

Das rechte Monatsmagazin Compact widmete diesem Ereignis nicht nur seine April-Ausgabe – Titel: Kalifat BRD –, sondern auch die nach eigenen Angaben erste Sonderausgabe in der Geschichte des Magazins überhaupt. „Erdogan – plant er einen Umsturz in Deutschland?“, lautet die Titelfrage, der die Redaktion auf „28 Seiten voller Hintergründe und Analysen für nur 2,95 Euro“ nachgeht, wie ein dazugehöriges Werbevideo des Verlags verspricht.

Nach dem Ergebnis des Referendums interessieren sich auch die rechten Medien vor allem für das Wahlverhalten der in Deutschland lebenden Türken, die mehrheitlich für die Einführung des Präsidialsystems gestimmt haben. Einen „Faustschlag in die Fresse der Integrationslügner und Islamverharmloser“ nennt ein Kommentator auf dem islamfeindlichen Blog Politically Incorrect dieses Ergebnis. Die europäischen Türken hätten sich „gegen ihre Gastländer entschieden“, heißt es in dem dazugehörigen Artikel. Welche Konsequenz daraus gezogen werden soll, ist klar: Sonderzug-zum-Bosporus-Abschieben-aber-sofort, lautet die einstimmige Empfehlung.

Was die deutschen Reaktionen auf den Ausgang des Referendums angeht, ist die Lieblingszielscheibe in rechten Medien wieder einmal Claudia Roth – die als Frau, Grüne und erklärte Türkei-Liebhaberin seit Jahren so viel rechten Hass auf sich zieht wie kaum ein anderer deutscher Politiker. Roth hatte in einem Interview mit der Welt gesagt, Erdogans Behauptung, Menschen mit türkischem Migrationshintergrund seien in Deutschland nicht willkommen, habe offenbar Früchte getragen. Und tatsächlich seien ja „im Umgang mit unseren türkeistämmigen Mitbürgern in den vergangenen Jahrzehnten Fehler gemacht worden“.

Immer wieder gegen Claudia Roth

Der Focus machte daraus die Überschrift „Deutschtürken stimmen für Erdogan – Claudia Roth sieht Schuld bei Deutschland“. Und spätestens dieser Artikel wird nun in der rechten Onlineblase rauf und runter geteilt, während sich rechte Blogs von Politically Incorrect bis Tichys Einblick fleißig am „Claudia Fatima Roth“-Bashing beteiligen. Auf letzterem gelingt einem Autor außerdem das Kunststück, die Schuld am Wahlverhalten der in Deutschland lebenden Türken der „grün-sozialistischen Bildungspolitik“ zuzuschieben, die „die Kultur des Archaischen“ feiere und so junge Deutschtürken in Erdogans Arme treibe.

Türken abschieben und Claudia Roth gleich mit: Bis hier hin sind sich die rechten Medien einig. Beim genaueren Blick in die Kommentarspalten offenbaren sich allerdings auch einige Meinungsverschiedenheiten: Den türkischen Präsidenten als Türken-Adolf oder auch Erdolf zu bezeichnen, geht einigen Kommentatoren dann doch entschieden zu weit: „Was zum Teufel hat Adolf Hitler mit Recep Tayyip Erdogan zu tun?“, fragt ein empörter Politically-Incorrect-Leser.

Und auch jenseits von Spitznamen-Spielereien gibt es Unstimmigkeiten darüber, wie das, was da gerade in der Türkei passiert, denn nun eigentlich zu bewerten ist: „Unsere drängendsten Probleme wären gelöst, wenn wir einen deutschen Erdogan hätten“, heißt es auf compact-online.de. Eine harte Hand sei so schlecht nun nicht und über das mit der Todesstrafe müsse man sich auch nicht so aufregen, wird häufig angemerkt.

Türkisch und muslimisch einerseits, autoritär und faschistoid andererseits: Auf deutsche Rechte wirkt Erdogans Regime wie ein seltsam gepolter Magnet, der sie gleichzeitig anzieht und abstößt. Keine leichten Zeiten für den rechten Schreiberling – zum Glück gibt es im Zweifel immer noch Claudia Roth.

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Malene Gürgen
Reportage und Recherche
Redakteurin im Ressort Reportage&Recherche | Jahrgang 1990 | Seit 2014 Redakteurin der taz, zunächst im Berlinressort | 2016-2020 schwerpunktmäßig Recherchen zur extremen Rechten, dazu 2019 "Angriff auf Europa" im Ch. Links Verlag erschienen (mit C. Jakob, P. Hecht, N. Horaczek, S. am Orde) | 2020-2022 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der wochentaz | 2022-2023 Redakteurin im Ressort Zukunft – Klima Wissen Utopien | Seit 2023 im Investigativteam der taz.
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3 Kommentare

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  • Jemand der nicht im Land lebt, sollte gar nicht wählen dürfen, außer bei Kommunalwahlen und da dann alle in der jeweiligen Kommune.

    Ich habe in Amerika massenhaft Deutsche kenngelernt, deren deutscher Horizont am Tag der Auswanderung stehengeblieben ist. So jemand hat kein reales Bild von der derzeitigen politischen Situation des jeweiligen Landes. Der dümmste Deutsche in Kalifornien behauptete 1986 Stuttgart-Wangen liege noch in Trümmern. Solche Gestalten sollte gar nicht wählen dürfen.

  • Erstaunlich! Da muss ja einiges an Selbsthass rumpel in den rechten Lautsprechern!

     

    Man hätte annehmen müssen, rechte Publizisten und Blogger würden sich und ihre Identität bestätigt fühlen, wenn viele der Menschen, die sich am Referendum beteiligt haben, erkennbar rechte „Werte“ wie Nationalismus, Euro-Skeptizismus, die Befürwortung der Todesstrafe, den Glauben an starke Führer (bzw. Hände) und den Segen unbedingter Gefolgschaft teilen. Doch weit gefehlt!

     

    Plötzlich erfahren Leute, die nicht unbedingt als linke Muster-Demokraten durchgehen würden, eine Ablehnung, die sonst nur das „Establishment“ zu spüren kriegt. Wer als Ur-Deutscher heiß umworben werden würde vor der nächsten Wahl, wird völlig abgelehnt, nur weil er Türke ist. Wieso nur? Weil das Wahlgesetz in Deutschland ist, wie es nun einmal ist – gottgegeben und unveränderlich? Oder weil aufrechte Teutsche ihr gefolge nur diesseits der "Rassen"-Grenzen rekrutieren dürfen?

     

    Wie verzagt und/oder borniert kann man eigentlich sein als rechter Blogger oder Publizist? Ich meine: Trauen die sich denn nichts zu? Wenn ja, warum nicht? Wenn nein, wieso maßen sie sich dann die Führungsrolle an?

     

    Fragen über Fragen also. Aber keine Angst: Sie werden nicht beantwortet. Rechte (Publizisten und Blogger eingeschlossen) möchten lieber fühlen, als sie denken wollen. Die Gefahr, dass sie auf Widersprüche stoßen im eigenen Verhalten, die sie mit erklären könnten, ist deswegen extrem gering. Ich werde weiter selber denken müssen. Für die Gefolgschaft reicht es einfach nicht.

  • Schön beobachtet: Die notwendige Kritik an Erdogan macht Türken-Bashing in Deutschland hoffähig. Es ist nur menschlich, dass der Fokus auf kriminelle Ausländer besonders jenen gut gefällt, die schon immer etwas gegen hier lebende Ausländer hatten. Genauso wie umgekehrt Menschen, die Multikulti als Ideal sehen, dazu tendieren bei tatsächlich auftretenden Problemen wegzusehen. Wir selektieren die Fakten, die unser Weltbild stützen.

    Jeglicher Hitlervergleich scheint bei uns verboten. Dabei haben die Nazis - wie alle anderen Verbrecher auch - nicht mit jeder ihrer Handlungen schlimmste Verbrechen begangen. Niemand würde auf die Idee kommen, einen Massenmörder deshalb für weniger schlimm zu halten, wenn er irgendwann mal nett "Hallo" gesagt hat. Bei den Nazis jedoch scheint es diese Angst zu geben. Wer irgend etwas findet, was andere den Nazis nachgemacht haben, ohne gleichzeitig ebensolch schreckliche Massenmörder zu sein, wird bezichtet, die Verbrechen der Nazis zu verharmlosen. Dabei gibt es etliche Regime, die politische Strategien der Nazis kopieren. So hat Göbbels die politische Massenpropaganda etabliert, was anderen Diktaturen als Vorbild diente. Ebenso hat die Machtergreifung von Hitler und Erdogan durchaus ihre Parallelen. Durch Aufrüstung und Bau von Infrastruktur auf Pump ein Wirtschaftswachstum zu erreichen welches in einen Krieg mündet wird auch nach Hitler häufig praktiziert. Dabei muss natürlich gesagt werden, dass die Nazis diese Dinge auch nicht alle erfunden haben.