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Kolumne PressschlagWolfsburgs schönster Zugang

Kolumne
von Johannes Kopp

Der zweite Spieltag zeigt: Außer beim FC Bayern München sind Erfolge und Misserfolge in der Bundesliga nur schwer zu erklären.

Lange nicht mehr gesehen: Unbändige Freude beim VfL Wolfsburg Foto: dpa

A ller Anfang ist schön in der Fußball-Bundesliga. Am Anfang geht es im Kampf um die Tabellenführung noch hochgradig spannend zu. Klar, der FC Bayern München hat sich bereits am Samstag, am zweiten Spieltag, an die Spitze gesetzt, aber Verfolger Nr. 1, der VfL Wolfsburg, ist noch punktgleich auf Augenhöhe mit dem Serienmeister.

In nächster Nähe befinden sich gleich fünf Teams mit lediglich zwei Punkten Abstand, darunter Mainz und Augsburg. Aufgepasst, FC Bayern! Und beim Auflisten der besten Torschützen muss man jetzt eben noch nicht Robert Lewandowski an oberste Stelle setzen.

Dank dem Zeitplan konnten die Wolfsburger Fans, die an dem Spieltag vor dem FC Bayern ihren Auftritt hatten, gar „Spitzenreiter, Spitzenreiter“-Chöre anstimmen. Bis vor Kurzem hatte jeder geglaubt, dass nur ein Abstieg derlei Gesänge möglich machen könnte. Und die Dortmunder Anhänger fiebern vermutlich dem nächsten Freitag entgegen, weil sie den dritten Spieltag eröffnen dürfen und sogar noch für ein paar Stunden mehr am FC Bayern vorbeiziehen könnten.

Es ist für die frühen Gewinner in der Liga eine Zeit der Unbeschwertheit. Man gibt sich auf den Tribünen dem Glück des Augenblicks hin. „Carpe diem“ lautet das allgemeine Motto. Außer dem FC Bayern sind in den letzten Jahren ja alle mal unter die Räder gekommen. Auch in Dortmund oder Leverkusen weiß man genau, was Abstiegskampf bedeutet.

Der VfL Wolfsburg, der Bayern-Jäger Nr. 1, twitterte am Samstag launig: „Sechs Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz hatten wir schon lange nicht mehr!“ Selbstironie in Wolfsburg? Ein schöner Neuzugang! Und preiswert noch dazu!

Sechs Jungväter am Start

Guter, treffsicherer Humor hat zudem ja immer einen wahren Kern. Und so müssen, ­abgesehen vom FC Bayern München, vielleicht auch die anderen Bundesligavereine die Tabelle künftig von unten lesen. Von Platz zwei bis zu Platz sechzehn, das hat die Vergangenheit gelehrt, ist schließlich für alle immer alles möglich. Ein gutes Polster zum Relega­tionsplatz ist stets von existenzieller Bedeutung.

Beim VfL Wolfsburg hat man in den letzten Jahren nie verstanden, warum man trotz massiver Investitionen immer wieder in den Abstiegskampf verstrickt war. Und am Wochenende wiederum konnte man sich keinen rechten Reim darauf machen, warum man zum Saisonstart gleich zwei Teams aus den Top Fünf der vergangenen Spielzeit geschlagen hat und nun so weit vorn steht. Vermutlich halten sich die Verantwortlichen bei der Suche nach möglichen sportlichen Alleinstellungsmerkmalen zurück, weil man eben weiß, wie schnell es wieder in die andere Richtung gehen kann.

Erfolge und Misserfolge in der grauen Masse der Fußball-Bundesliga zu erklären ist zu einem schwierigen Unterfangen geworden.

Erfolge und Misserfolge in der grauen Masse der Fußball-Bundesliga zu erklären ist zu einem schwierigen Unterfangen geworden. Im Fall von Wolfsburg sind die Beobachter beim Ringen um Erklärungen dafür, dass dieser VfL plötzlich Spiele gewinnt – und dann auch noch zwei hintereinander –, fündig geworden. Ein Babyboom soll an den sportlichen Erfolgen schuld sein. Sechs Jungväter hat man im Team gezählt, die diesen ganz besonderen Schwung hineingebracht haben sollen. Dass bei der Partie in Leverkusen lediglich zwei dieser Väter überhaupt im Team waren, konnte der Popularität der These nichts anhaben.

Bundestrainer Joachim Löw wird die Debatte aufmerksam verfolgen. Ihm hat man ja vor­geworfen, dass seine Analyse des Scheiterns bei der WM nicht genug in die Tiefe gegangen sei.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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