piwik no script img

Kolumne Press-SchlagZeit für die Systemfrage

Kommentar von Johannes Kopp

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach zögert seinen Rücktritt hinaus. Denn weder der Verband noch die Politik übt Druck auf ihn aus.

Der unentschlossene Wolfgang Niersbach grübelt: Soll ich oder soll ich nicht? Foto: dpa

E ntschlossenheit war noch nie die Stärke von Wolfgang Niersbach. Während schon längst über seine Nachfolger spekuliert wird, hat sich der DFB-Präsident in seine Privatgemächer verschanzt und zupft vermutlich immer noch Gänseblümchenblätter. „Ich trete zurück, ich trete nicht zurück, ich trete zurück …“

Dass Niersbach nach seiner Desinformationspolitik und einer offenkundigen Falschaussage, er habe erst im Sommer vom ominösen Privatkredit an den DFB erfahren, nicht mehr im Amt zu halten ist, müsste den meisten klar sein. Umso erstaunlicher ist die Unentschlossenheit, mit der man ihm innerhalb des Verbandes begegnet. Zwar hat der DFB ein Interesse daran, die Schuld zu individualisieren. So hob man in einer Erklärung nach der Razzia der Steuerfahnder hervor, man sei nicht Beschuldigter des Verfahrens. Aber alle wissen nur zu gut, die Probleme sind struktureller Art.

Drei, vier Personen an der Spitze des größten Sportverbandes der Welt konnten einen wie auch immer gearteten krummen Deal auskungeln, ohne dass sie dabei gestört wurden. Die Frage nach der persönlichen Verantwortung ist eigentlich sekundär. Ähnlich wie im Fall der Fifa-Skandale stellt sich zuvorderst die Systemfrage.

An Grundsätzlichem will jedoch keiner rühren. Beispielhaft dafür ist auch die politische Aufklärungsarbeit. Weil der ehemalige Innenminister Otto Schily, der in die damalige WM-Bewerbung mit eingespannt wurde, dem Sportausschuss des Bundestages aus Termingründen absagte, und Niersbach lieber daheim bleiben mochte, wurde Claudia Roth von den Grünen am Mittwoch als Expertin eingeladen.

Wie sie zu der Ehre kam, war Roth selbst schleierhaft. Eine Verbindung zum DFB soll aber nicht verschwiegen werden: Von 2011 bis 2013 war sie Beauftragte für Umwelt- und Klimaschutz in der DFB-Kommission Nachhaltigkeit. Was sie zur Aufklärung des DFB-Skandals beitragen konnte, wurde bislang nicht bekannt.

Aufseiten der politischen Aufklärer saß indes der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Grindel, der zugleich DFB-Schatzmeister und Nachfolgekandidat von Niersbach ist. Die Lobbyisten des Fußballs reüssieren auch als Volksvertreter. Sie sind Teil des Systems. Über seine Insiderkenntnisse wollte Grindel nicht sprechen. Man müsse die externen Untersuchungen abwarten, erklärte er.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Also wirklich, Herr Kopp, muss das denn sein? Wer wird denn gleich das S-Wort nennen? Das ist doch so etwas von out! Wo gibt es denn das heute noch, dieses "System"? Das ist doch ein Relikt aus längst vergangnen, schlechten alten Zeiten. Im guten, schönen Jetzt gibt es doch nur noch Einzelne. Auch Einzelne, die nicht unfehlbar sind und die man deshalb manchmal wechseln muss. Wie ein Verschleißteil in der Waschmaschine oder in seinem Liebligs-PKW. Deswegen gibt man doch sein Fahrzeug nicht gleich auf den Schrott und seine Miele auch nicht in den Altstoffhandel! Die Dinge sind doch eigentlich noch gut! Genau so, wie der DFB. Genau so wie die FIFA und gewisse Königshäuser – nur eben nicht für jeden gleichermaßen. Gewisse Unterschiede müssen ja auch einfach sein.