Kolumne Press-Schlag: Schafft endlich den Kaiser ab!
Im Skandal um die WM 2006 zeigt sich, wie undemokratisch der Fußball derzeit ist. Nun aber ist die Zeit der Kaiserschonung vorbei.
W enn man von der offensichtlichen Botschaft absieht, dass Wolfgang Niersbach nicht mehr allzu lange Chef des größten Sportverbands der Welt bleiben dürfte, so hat uns die Pressekonferenz des DFB-Präsidenten am Donnerstag, bei der er bei allen Fragen zur WM-Vergabe 2006 stammelte, doch noch ein paar Erkenntnisse gebracht.
Wer Auskunft geben könnte über die Schiebereien rund um die Sommermärchenfinanzen, so haben wir bei Niersbach gelernt, ist entweder tot (Robert Louis-Dreyfus und Robert Schwan) oder leidet unter dramatischem Gedächtnisverlust (Wolfgang Niersbach, Wolfgang Niersbach und Wolfgang Niersbach) oder er ist Kaiser, also ein unangreifbarer Beckenbauer.
So etwa haben sich der DFB und sein Präsident die Story zurechtgelegt, mit der sie als die Veranstalter eines von keinerlei Kommerz und Korruption getrübten Fußballfestes in die Weltgeschichte eingehen wollen. Es wird ihnen aber nicht gelingen, glauben kann man das, was uns am Donnerstag vorgetragen wurde, nämlich nicht.
Jeder Fußballfan, der schon mal einen „Tatort“ gesehen hat, verfügt über größere Expertise, als sie vom Noch-DFB-Präsidenten, Ex-DFB-Generalsekretär, Ex-DFB-Direktor, Exvizepräsidenten des WM-Organisationskomitees, Expressechef des WM-OK und Ex-DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach vorgetragen wurde: Dass die Fifa, ehe sie ganz viel Geld gibt, erst mal ein bisschen Geld kassiert, ist eine abenteuerliche Konstruktion, die ja von der Fifa auch gleich dementiert wurde. Dass sich das OK, in Erwartung einer sicher zugesagten Summe von 250 Millionen Franken, nicht an eine Bank wenden mag, um einen Kredit zu erhalten, sondern Privatpersonen anbettelt, ist noch abenteuerlicher.
Richard Berk ist Soziologe und Statistiker. Er sagt, seine Algorithmen könnten bei der Geburt herausfinden, ob ein Kind einmal ein Verbrecher werde. Wie berechenbar sind Menschen? Die Titelgeschichte „Wird dieses Kind ein Mörder?“ lesen Sie in der taz. am wochenende vom 24./25. Oktober. Außerdem: Heini Rudeck fällt das Gehen schwer. Trotzdem besucht er das Grab seiner Freundin täglich. Er setzt sich einfach an den Computer. Und: Klaus von Dohnanyi veröffentlicht die Briefe seines Vaters aus der Gestapo-Haft. Ein Gespräch. Das alles gibt es am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Es ist an der Zeit, im deutschen Fußball den Sturz der Monarchie anzugehen. Bislang trug Franz Beckenbauer seinen Beinamen „Kaiser“ sehr zu recht – nämlich stark an Wilhelm II. erinnernd: So ist er halt, unser Kaiser, sagt das Fußballvolk, nicht allzu helle, immer jedes Problem weglächelnd, und schließlich hat sich der arme Mann doch auch nie um irgendetwas kümmern müssen, alles wurde ihm abgenommen.
Wurde Niersbach verarscht?
Für diese Kaiserschonung darf kein Platz mehr sein. Franz Beckenbauer war immerhin Präsident des WM-OK und als früherer Aufsichtsratvorsitzender des FC Bayern müsste er schon an so etwas wie Verantwortung gewöhnt sein. Bei all den Schiebereien, von denen wir gerade erfahren, ist Franz Beckenbauer die zentrale Figur.
Zentraler vermutlich als Wolfgang Niersbach, auch wenn der sich derzeit noch Präsident nennt. Denn natürlich ist es bei der jeder demokratischen Kontrolle entzogenen Organisation des Fußballs und seiner Weltmeisterschaften nicht unrealistisch, dass es Vieraugenabsprachen über ach so kleine Summen wie dreistellige Millionenbeträge zwischen ach so wichtigen Männern wie Sepp Blatter und Franz Beckenbauer gab, bei denen eine Funktionärsfigur wie Wolfgang Niersbach rausgeschickt wurde.
Halten wir fest. Mag sein, dass auch einer wie Wolfgang Niersbach verarscht wurde. Wir aber sollten uns nicht mehr verarschen lassen.
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