Kolumne Press-Schlag: Seid verschlungen, Millionen!
Kevin de Bruyne, Fußballer des Jahres, will weg von Wolfsburg. Das Gute daran: Der FC Bayern zieht den Kürzeren.
N eulich unfreiwillig ein Gespräch der FC-Bayern-Kundschaft belauscht. Zwei Immobilienmakler bei der Mittagspause. „Ganz klar, wir kaufen den de Bruyne, zack. Und Götze, das kleine Speckröllchen, kriegen die Wolfsburger dann als Entschädigung hinterhergeworfen.“ Dreckiges Lachen.
Oh, mein Fußballgott, warum sind nur alle so schamlos geworden? Und warum fühle ich mich dem so hilflos ausgeliefert? Trost finde ich bei dem fabelhaften Herbert Achternbusch, der dieses Gefühl einst sehr treffend beschrieben hat: „Die Alpen sind schon ein Problem.“ So heißt es in dem Roman „Die Stunde des Todes“. „Dieses Problem muss erst gelöst werden. Solange es so hohe Berge gibt, glaube ich an keine Gerechtigkeit.“
Nun kann man „Alpen“ und „hohe Berge“ mit „FC Bayern“ tauschen, schon sieht man klar. Sicher kann man diesen Koloss ab und an bezwingen, aber man schafft das Problem dadurch eben nicht aus der Welt. Im Gegenteil: Man befeuert dadurch nur die Impotenz- und Kontrollverlustängste, die allen bösen Mächten eigen sind. Oder wie Darth Vader sagt: „You don’t know the power of the dark side.“
Die Todessternmentalität des FC Bayern hat also mit Gerechtigkeit in etwa so viel gemein wie die Zugspitze mit dem Klieversberg. Der ist mit 110 Metern die höchste Erhebung in Wolfsburg. Dort befindet sich der Tennisclub Grün-Gold und man hat einen schönen Blick auf die trostloseste Fußgängerzone Europas. Irgendwo dazwischen: Das Stadion am Elsterweg.
Äonen vor der Volkswagen-Arena, genauer gesagt im Juni 1997, sägte hier das Heinz-Erhardt-Double Willi Reimann als VfL-Trainer seinen Unterarm jubelnd durch die heiße Frühsommerluft. Durch ein 5:4 gegen Mainz 05 feierte Wolfsburg seinen Aufstieg in die Erste Liga. Ein Mainzer Verteidiger namens Jürgen Klopp hatte den VfL mit dem blödesten Ballverlust seiner Karriere nach oben gebracht.
Hohe Berge und gewaltige Wüsten
Seitdem gehört Wolfsburg zum Establishment und ärgert schon mal die Bayern, etwa mit der Meisterschaft 2009 unter dem Tyrannen Felix Magath. Oder in der letzten Saison mit Kevin de Bruyne, der den Rekordmeister beim 4:1-Heimsieg des VfL zutiefst demütigte. Das Imperium lässt sich so was natürlich nicht bieten, in bewährter Manier sollte auch diesmal der beste Spieler des Hauptkonkurrenten schleunigst nach München geholt werden.
Es gibt aber nicht nur hohe Berge, sondern auch gewaltige Wüsten. Von dort stammt Scheich Mansour, Privatvermögen geschätzte 17 Milliarden Dollar. So viel hat nicht mal Uli Hoeneß verspekuliert. Das Hobby des Prinzen aus Abu Dhabi ist Manchester City. Kevin de Bruyne soll dort 275.000 Pfund die Woche verdienen.
Am Wochenende hat Kevin de Bruyne so schlecht gespielt wie selten, eine hundertprozentige Chance zum Siegtreffer beim 1. FC Köln völlig verschludert. Wenn VW in dieser Woche nicht noch schnell 1.000 Mitarbeiter entlässt und das eingesparte Geld diskret in die richtigen Kanäle weiterleitet, wird de Bruyne in Manchester landen.
Was sich schon beim Angebot von Manchester United an Thomas Müller zeigt, wird im Fall de Bruyne wieder deutlich: Im europäischen Maßstab droht der FC Bayern eine Nummer zu werden. Die Regeln des von Karl-Heinz Rummenigge mitdiktierten Financial Fair Plays können mit den einfachsten Bauerntricks umgangen werden. Warum sollte das Kapital denn auf einmal moralisch werden?
Und wer in Deutschland alles plattmacht, darf sich nicht wundern, dass es weltweit eben noch marktradikalere Fressfeinde gibt. Und so steht dann das Alpengebirge vor der Wüste und seufzt: „Solange es so viel Sand gibt, glaube ich an keine Gerechtigkeit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel