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Kolumne Press-SchlagScheinriesentaumel in Schland

Und wieder jubeln alle über die DFB-Frauen. Sie stehen zum sechsten Mal in Folge im EM-Finale. Für ihren Ligaalltag interessiert sich niemand.

Grinsen mit Fähnchen: Melanie Leupolz nach dem Finaleinzug Bild: dpa

D as ging ja mal schnell. Plötzlich ist Frauenfußball wieder das ganz große Ding in Deutschland. Gebannt wird die Nation am Sonntag vor den Bildschirmen mitfiebern, wenn die deutsche Nationalmannschaft gegen Norwegen um den Titel bei der Europameisterschaft spielt.

Was noch zum Start des Turniers vor drei Wochen klein und beinahe niedlich daherkam, was vielen nach dem miesen Auftritt der deutschen Fußballerinnen bei der Vorrundenpleite gegen Norwegen – genau, die Finalgegnerinnen – fast schon peinlich war, ist nationaler Angetrunkenheit gewichen. Und immer wieder ist von einer neuen Liebe für den Frauenfußball in Deutschland die Rede.

Ein Sieg gegen Schweden, ein couragierter Auftritt hat gereicht, und schon ist vergessen, dass sich nach der irrsinnigen Heim-WM 2011 beinahe niemand mehr für den Frauenfußball interessiert hat. Sogar DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist mit einem Mal ganz begeistert und begleitet die Mannschaft wie ein stolzer Patriarch im Mannschaftsbus ins Stadion.

Ach, würde er sich doch im manchmal immer noch arg grauen Frauenfußballalltag in Deutschland auch so für die Kickerinnen engagieren! Da ward er schon bisweilen bei einem Spiel der Frauenbundesliga gesehen und hat die Spielerinnen brav gewürdigt. Dass die Liga indes einen derart verkorksten Spielplan hatte, aus dem sich erst weit nach der Winterpause eine Tabelle errechnen hat lassen, die nachvollziehbar war, das scheint ihm egal gewesen zu sein. Dabei ist der DFB als Ausrichter der Frauenliga für den Spielplan zuständig.

Gleichgültiger Verband

Aber wie egal dem Verband ist, wann Frauenspiele stattfinden, das wurde dem Sportpublikum spätestens an dem Tag vor Augen geführt, als der VfL Wolfsburg gegen Olympique Lyon den Champions-League-Titel gewonnen hat. Parallel zu diesem sportlichen Highlight fand das Relegationshinspiel um den letzten freien Platz in der Männerbundesliga zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und der TSG 1899 Hoffenheim statt. Da hat der DFB bei der Erstellung des Rahmenterminkalenders wohl nicht darauf geachtet.

Und so wurde das aus deutscher Sicht wichtigste Klubspiel der Frauen 2013 nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen, dem ja die Rechte für das Spiel um Platz 18 im deutschen Männerklubfußball gehörten. Das spiegelt die Frauenfußballrealität in Deutschland besser wider als die punktuelle Begeisterung rund um die Großereignisse für Nationalmannschaften.

Der Frauenfußball ist auch wegen seiner kurzen Geschichte auf einem weit niedrigeren Entwicklungsstand als das Business der Männer. Gerade deshalb sollte der DFB sich besonders intensiv um die Belange seiner Kickerinnen kümmern. Stattdessen demonstriert Wolfgang Niersbach den Eindruck, dass er sich erst dann für die kickenden Frauen interessiert, wenn die Blicke der ganzen Nation sowieso schon auf diese gerichtet sind.

Absurde Reden des DFB-Präsidenten

Statt sich in den Wochen der Europameisterschaft hauptsächlich zu Fragen des Frauenfußballs zu äußern, schwadroniert Niersbach lieber über eine mögliche Vertragsverlängerung mit Männerbundestrainer Joachim Löw oder sagt über das 50. Jubiläum der Männerbundesliga: „Was die Spannung des Wettbewerbs, die Infrastruktur und die wirtschaftliche Prosperität anbelangt, muss die Bundesliga sich vor niemandem verstecken.“

Und es fällt ihm dabei gar nicht auf, wie absurd solche Sätze wirken, wenn man dabei an die im Land der Superduperrekordeuropameisterinnen für die meisten Klubs nur schwer zu finanzierende Frauenliga denkt.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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11 Kommentare

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  • Wer Männerfussball und Frauenfussball vergleicht, meint es nicht gut mit dem Frauenfussball.

  • J
    joHnny

    werter a. rüttenauer,

     

     

     

    bitte keine tränen... - welches

     

    interesse hat denn die taz am ligalltag des frauenfußball?

     

     

     

    fair play

  • T
    teilchen

    Die ewigen Vergleiche mit dem Jungsfußball nerven. Frauenfußball ist jung, entwickelt sich und hat viele Fans, die sich für Amateursport interessieren. Das sportliche Niveau hat sich ist immens gesteigert und die Zeiten, in denen das deutsche Team in Europa keine adäquaten Gegnerinnen hatte, sind zum Glück vorbei. In die Business-Dimensionen des Männerfußballs wird diese Sportart hoffentlich nie vorstoßen. Wir brauchen in den Medien auch nicht die zu Großereignissen immer wiederkehrenden ermüdenden Artikel über die Missachtung des Frauenfußballs in der Öffentlichkeit (je nach Standpunkt der ArtikelschreiberIn entweder grob ungerecht oder absolut gerechtfertigt...) Es würde schon eine halbwegs ordentliche fachliche Information über die wichtigsten Spiele genügen - vielleicht sogar über die, an denen das deutsche Team nicht beteiligt ist (so zB bei dieser EM das extrem gute und aufregende Viertelfinale Frankreich - Dänemark oder über das spannende Halbfinale unserer Finalgegnerinnen Norwegen gegen Dänemark. Das Jammern über Wolfgang Niersbach oder so blöde Bildunterschriften wie "Grinsen mit Fähnchen" über eine glücklich jubelnde Spielerin könnt ihr euch dann gern sparen.

  • HK
    Hans Klemm

    In dem Bericht über unsere während der Normalsaison fast untergetauchten Mädels wird der Leser tatsächlich nochmals erinnert, dass die nationalen Kämpfe um die Meisterschaft kaum Bedeutung erlangten. In diesem Jahr war es allerdings etwas anders, denn da hatte die weibliche Abteilung des VfL Wolfsburg mit dem tollen "Triple" mehr erreicht als von den Herren des gleichen Clubs wenigstens bruchteilmäßig erwartet wurde. Dem Autor der obigen Zeilen, der mir gegenüber 20 Jahre jünger ist, merkte man an, dass er den unterlegenen Machtkampf um das Amt des DFB-Präsidenten noch nicht so richtig verdaut hat...

     

     

     

    Natürlich hat der selbst-ernannte "Talismann", W.Niersbach, nicht die Ausstrahlung, die sein Vorgänger, Dr. Zwanziger, im Umfeld mit seinen Damen, einschl. der unkündbaren Trainerin hatte. Sein "Untermischen" wirkte irgendwie fremd. Doch vielleicht hilft es irgendwie schon, wenn er erneut im Mannschaftsbus mit den (vielleicht neuen Heldinnen), escordiert von der Polizei, mit dem vorbereiteten Schild: "Europameister 2013" im Gelände des Endspiel-Stadions vorfährt. Im großen Gepäckraum des Busses sind diesmal einige Bündel von 1.000 €- Geldscheinen gelagert. Der Ausgang des Spieles ist entscheidend, ob sich danach jeder Spielerin 15.000 € oder 22.500 € abholen kann. Klappt es als erneuter "Außenseiter" nicht, den Sieg zu holen, muss allerdings der Fahrer vor der bereits gedruckten Aufschrift nur noch das Wort "Vize" davor-kleben....

  • J
    Jake

    "Und so wurde das aus deutscher Sicht wichtigste Klubspiel der Frauen 2013 nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen, dem ja die Rechte für das Spiel um Platz 18 im deutschen Männerklubfußball gehörten."

     

    Nur nebenbei, es ging um Platz 16.

     

    Ich schaue schon mal rein bei den Frauen. Ein ganzes Spiel habe ich mir aber, glaube ich, noch nie angetan.

    • M
      mh
      @Jake:

      Nö, Es ging um Platz 18, da die anderen 17 Bundesligisten schon Feststanden.

  • EL
    Ernst lehmann

    Man sollte die Sache nicht zu hoch hängen: Frauen-Fussball ist der Sommerpausenersatz für richtigen Fussball, nicht mehr und nicht weniger.

     

    Herr Rüttenauer belegt genau dieses, indem er aufzeigt, dass sich im normalen Ligaalltag, wenn es parallel auch Männerfussball gibt, kein Schwein dafür interessiert.

    • BB
      Butter bei die Fische
      @Ernst lehmann:

      Seit wann läuft denn Frauenfussball "parallel" zum Männerfussball? Für die Herren ist doch stets "prime time" reserviert, Frauen dürfen Liga Sonntags morgens um 11 und Europapokal in der Woche um drei oder vier Uhr spielen. Die Anstosszeiten sind eines der größten Hemmnisse für die Entwicklung des Frauenfussballs, ein ehrlicher Wettbewerb findet nicht statt. Bei einem solchen Terminplan hätten die meisten Clubs im Männerfussball auch Existenzschwierigkeiten.

  • F
    Frittenbude

    Was in den letzten 10 Minuten des Halbfinals in beiden Strafräumen abging, war aus fußballerischer Sicht eine einzige Katastrophe. Da ging überhaupt nichts zusammen: wildes Rumgeschacher, Mondbälle, usw. Hatte wenig mit Fußball zu tun. Wenn ich das als Maßstab nehme, und ich denke, dass ein EM-HF durchaus als Maßstab gelten kann, dann ist die momentan vorgesehene Sendezeit im deutschen Fernsehen, dem Niveau Frauenfußballs angemessen.

    • M
      Marta
      @Frittenbude:

      Autschn Frittenbude, soviel Ignoranz tut weh! Wenn man so von Vorurteilen geplagt wird, kann man nicht mehr wirklich hinschauen. Und wenn man nix gesehen hat, sollte man einfach die Klappe halten

      • @Marta:

        Marta, ich habe hingeschaut und auch keinen guten Eindruck gehabt. Soll ich nun auch die Klappe halten — nur damit meine Wahrnehmung nicht ausgesprochen wird?