Kolumne Press-Schlag: Wenn der Fußball sauber wär’
Ohne Korruption würde es nie eine Weltmeisterschaft 2022 in Katar geben. Aber auch sonst nirgends, wo man sie haben möchte.
K atar – Fußballfans mit politischem Verstand wissen das – ist nicht sauber. Das Wort, das die Reinlichkeit beschwört, steht immer, wenn es um Sportpolitik geht, für das Gegenteil von Korruption, Bestechung und Manipulation.
Katar etwa soll die Fußball-WM 2022 nur durch Schmiergeldzahlungen an Fifa-Offizielle erhalten haben. Der mittlerweile geschasste Funktionär Mohammed bin Hamman habe, berichtet der englische Sunday Telegraph, fünf Millionen Euro unter seinen Fifa-Kollegen verteilt. Ein Funktionär aus Tahiti habe etwa 305.000 Euro für Anwaltskosten erhalten.
Das ist nicht schön, aber ehe man nun vollmundig fordert, „die WM neu zu vergeben“, wie es der frühere DFB-Chef Theo Zwanziger tut, könnte man ja die ein oder andere Relation in den Blick nehmen.
Etwa die Kosten: Was in zwei Wochen in Brasilien beginnt, kostet umgerechnet 40 Milliarden Euro; was in acht Jahren in Katar stattfinden soll, wesentlich mehr: Das liegt nicht an der Inflation, sondern daran, dass für den Wüstenstaat klimatisierte Stadien gebaut werden sollen. Was Herr bin Hamman also verteilt haben soll, ist nur ein minimaler Bruchteil dessen, was insgesamt in die heiße Luft geblasen wird, wenn in Katar Fußball gespielt wird.
Bestenfalls naiv
So ganz unerlaubt sollte also die Frage nicht sein, ob das vielleicht durchaus erlaubte Werbungskosten sind, die Katar jetzt, wie zuvor Russland, Brasilien, Südafrika oder Deutschland – wie es gerüchteweise heißt – investiert hat, um einmal dieses Megaevent ausrichten zu dürfen.
In der Forderung nach dem sauberen Wettbewerb schwingt immer die Illusion mit, so etwas könnte es geben, wenn nicht reiche und schmutzige Mächte am Start wären. Oder wenn nicht ältere Herren aus dem Fußballverband aus charakterlicher Schwäche heraus prall gefüllte Briefumschläge annähmen.
Diese Sicht ist bestenfalls naiv. Denn gerade die Vergabe von Fußball-WM oder Olympischen Spielen findet immer vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher ökonomischer, politischer und sportlicher Macht statt. Wer hier einen fairen Wettbewerb fordert, sollte sich ehrlicherweise fragen, wie groß denn dann die Chancen für Länder wie Katar oder sogar Brasilien wären, einmal die WM ausrichten zu dürfen. Solche Turniere fänden künftig immer dort statt, wo es eine starke Fußballindustrie gibt, wo Stadien mit guter Infrastruktur existieren und wo die Fernsehübertragungszeiten für das größte und vor allem: zahlungskräftigste Publikum am besten sind. Man nennt es auch Europa.
Und wer von der Fifa verlangt, sie solle berücksichtigen, ob etwa ein Land eine WM nicht auch mal verdient habe, sollte zugeben, dass Südafrika oder Brasilien WM-Ausrichterländer in dieser Kategorie sind – promoted by Fifa.
Fußball ist ein sehr schöner Sport. Doch seine Stadien sind oft schmutzig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch