Kolumne Ökosex: Herr Gabriel, her mit den 15 Millionen!
Warum der Bundesumweltminister nicht Volkswagen, sondern Ökosex mit Geld zuschütten sollte
Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.
Die Sonne scheint bei Tag und Nacht. Altes Ökosexmotto der solaren Effizienzrevolution. Hat endlich mal nix mit Fußball zu tun. Endlich regiert wieder die schönste Hauptsache der Welt: Klimaschutz! Und endlich hat Klimaschutzdeutschland wieder den Kopf frei, um mutig und entschlossen den Gipfel zu erklimmen, den Meseberg. Mit dem gleichnamigen kleinen Klimaschutz-Päckchen.
Ökosex hat die dünne Klima-Postkarte mal durchgerechnet: Das reicht nicht ganz, um Ende 2008 eine CO2-Reduktion von 50 Prozent hinzukriegen. Wie jeder weiß, ist dies das persönliche Ziel von uns Freaks vom Klimaclub Deutschland. Frage an die Klimaschutzkanzlerin: Gibt es eigentlich Autos, die nur die Hälfte Sprit brauchen und die wir 2008 noch kaufen können?
Da kommt zufällig eine tolle Pressemitteilung vom Bundesumweltministerium (BMU): "Volkswagen ist super dufte", steht da. Das kann nur die Außenseitermeinung eines Niedersachsen sein. Die angebliche Sensation: Da laufen jetzt 40 Golfs in der Erprobung, Twin drive, sogenannte Plug-in-Hybrids. Also Autos, die auch rein elektrisch fahren können, aber für längere Strecken noch einen Verbrennungsmotor haben. Ist ja toll! 2010 wird der Wagen vorgestellt, Verkaufsstart unbekannt. Was das wirklich ist? Nichts anderes als ein prima Grünwaschbär für den Pelz von VW.
Für Menschen mit einem akuten CO2-Minderungswunsch ist es jedoch wieder ein Schlag ins Gesicht. Wie Ökosex berichtete, kann man sich bereits heute in den Niederlanden von einer kleinen Firma einen Toyota Prius zu einem Plug-in-Hybrid umbauen lassen. Merke: heute. Und da schenkt die Bundesregierung mal eben Volkswagen 15 Millionen Euro für diesen begrenzt innovativen Flottenversuch. Wow! Überhaupt, was sind schon 15 Millionen? Normalerweise investiert Volkswagen 15 Millionen, um beim Golf das Handschuhfach zu optimieren. Das sind Peanuts. Die verbraten für Forschung und Entwicklung gute fünf Milliarden im Jahr. Schwerpunkt Verbrennungsmotor. Möchte der verehrte Bundesumweltminister uns eigentlich verkohlen? Braucht Volkswagen 15 Millionen aus der Steuerkasse, um das zu tun, was sie sowieso tun müssen, nämlich konkurrenzfähige Produkte anbieten? Warum gibt er ausgerechnet denen Geld, die noch gestern den Elektroantrieb boykottiert haben? Den bieten bisher nur kleine Unternehmen wie Cityel oder Twike. Haben die jemals 15 Millionen vom BMU gekriegt, um ihre Elektroleichtmobile zu optimieren? Pfeifendeckel.
Unsere Forderung an den Bundesumweltminister: Bitte überweisen Sie umgehend weitere 15 Millionen an Ökosex, denn wir können das Geld für unsere Kampagne "Kein Auto über 120" dringend gebrauchen. Für 15 Millionen Euro kauft Ökosex dann hunderte von Elektroleichtmobilen und lässt real existierende Hybridautos zu Plug-in-Hybriden umbauen. Diese Ökosex-Flotte verlosen wir in einer spektakulären Lotterie unter den armen und bedürftigen Pendlern in Deutschland.
Hierzu eine Anfrage an Ökosex aus dem Bekanntenkreis in Sachen Berufspendeln und Autokauf: Welches Cabrio mit vier Sitzen kommt eigentlich ökosextechnisch in Frage. Cabrio? Gar keins, Karl-Heinz. Es gibt im Moment außer dem Smart Cabrio nix, was unter 120g/km CO2 liegt. Das ist ein umweltpolitischer Skandal ungekannten Ausmaßes. Die Cabrioindustrie zeigt jedem anständigen Klimaschutzdeutschen die kalte Schulter. Liebe Autokonzerne, wer von euch Spaßvögeln als Erster ein Cabrio baut, das weniger als 120g/km CO2 emittiert, bekommt von uns ein Ökosex-Kampagnen-T-Shirt "Kein Cabrio über 120g/km CO2".
Nachtrag zur EM: Gestern Nacht träumte ich, ich stünde mit einem Hyundai an der Tankstelle, schüttete lachend Coca-Cola in den Tank und bezahlte fröhlich mit einer Mastercard. Wussten Sie, dass Schweini, der Freund von Angela Merkel, einen Audi R8 mit 349 g/km CO2 fährt? Ja klar, war zu erwarten. Und Jens Lehmann, der Intellektuelle? Hat einen lächerlichen Range Rover. Das ist so uncool, Jens.
Fragen zur Lotterie? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried CHARTS
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