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Kolumne Neue WerteCamouflage des postmodernen Spießers

Ulrich Gutmair
Kolumne
von Ulrich Gutmair

Er ist giftig, er ist gefährlich, er ist gemein. Ein Hassgesang auf den Geländewagen der neuen Werte.

V om SUV, dem sports utility vehicle, vulgo Geländewagen, ist in dieser Kolumne bereits die Rede gewesen. Ganz Mitte ist voll mit diesen Teilen, sie sind die Pest. Aber warum wollen Menschen überhaupt diese teuren, schweren, für den Stadtverkehr überdimensionierten, viel zu viel Sprit fressenden, das Klima zerstörenden, in kein Parkhaus passenden, für Fahrradfahrer, Kinder und ältere Mitbürger lebensgefährlichen und zu allem Überfluss meist auch hässlichen Dinger besitzen?

Das Aussehen und die spezifischen Eigenschaften des Geländewagens wie Vierradantrieb, großer Abstand von Achsen und Karosserie zum Boden, Ladeflächen, außen angebrachter Ersatzreifen, Bullenfänger etc. ergeben sich nicht aus irgendwelchen ästhetischen, sondern aus funktionalistischen Überlegungen, die gutes Design in Formen übersetzt.

Weil die US-Armee robuste Aufklärungsfahrzeuge für den Krieg in Europa brauchte, gab sie Anfang der Vierziger bei Willys-Overland das Model MB in Auftrag, im Armyslang sogleich Jeep genannt. Die Wehrmacht hatte ebenfalls den Bedarf nach kleinen soliden Autos für den Einsatz hinter der Front erkannt und ließ in der Stadt des KdF-Wagens den Kübelwagen bauen.

Bild: Tal Sterngast
ULRICH GUTMAIR

ist Kulturredakteur der taz.

Wer heute in der Stadt Geländewagen fährt, ins Büro oder zum Shoppen oder um die Kinder von der Schule abzuholen, gibt also vor, in Wirklichkeit auf einer wenn nicht gefährlichen, dann doch zumindest mühseligen und entbehrungsreichen Mission mit ungewissem Ausgang zu sein.

Das wilde Leben

Der Geländewagen ist ein Zeichen, das ein wildes Image vermittelt, ganz so, als seien seine Fahrerinnen und Fahrer außerhalb ihrer Büros, Praxen oder Agenturen ganz besonders lockere und außerdem abenteuerlich gesonnene Leute. Wie sagte J. C. Collins von Fords Marketingabteilung über die Hausfrauenpanzer, die seit Ende der Neunziger Amerikas Straßen verstopfen? "Die einzige Gelegenheit, bei der die Dinger ins Gelände fahren, ist um drei Uhr morgens, wenn der Fahrer von der Garagenauffahrt abkommt."

Der Geländewagen ist Ausdruck eines Paradoxes. Er steht, wenn man ihn in die Vitrine stellt - wie das New Yorker MoMA den originalen Willys-Jeep -, für das modernistische Credo "form follows function". Allerdings nur, solange man das Gerät an sich betrachtet. Ein Geländewagen in der Stadt ist, anders als sagen wir ein Militärstiefel im Berliner Winter, nicht viel mehr als Ornament und Verbrechen. Warum fahren diese Leute nicht kleine, schöne und halbwegs energieeffiziente Sportwagen, wenn sie ihr Geld vorzeigen wollen? Oder, noch besser, gehen teuer essen?

Das Führen von Jeeps, von Land Rovern und vor allem von geländewagenähnlichen Klonen von BMW und Mercedes, Mitsubishi und Toyota ist Ausdruck um sich greifender gear queerness, wie William Gibson die gemeine Ausrüstungsgeilheit nennt. Sie speist sich aus dem Bedürfnis, in einer aus dem Leim gehenden Welt authentisch funktionales Equipment benutzen zu können, um sich gewappnet und beschirmt zu fühlen.

Die Hölle, das sind die anderen. Die Rente nicht sicher, Europa kaputt, und demnächst fällt uns der Himmel auf den Kopf. Gefühlt lauert der Bürgerkrieg schon um die Ecke. Wer Geländewagen fährt, verabschiedet sich symbolisch aus der Gesellschaft.

Landarzt, Förster, Bauer

Der Geländewagen ist der casual friday unter den Automobilen. Ein Statussymbol, das weder Eleganz noch Schönheit verspricht. Er steht beispielhaft für eine neue Form der Repräsentation ökonomischer Macht, die dezidiert nichtbürgerlich, um nicht zu sagen antibürgerlich ist. Zugleich aber ist nichts Befreiendes, Transgressives, Fortschrittliches oder gar Verführerisches am Fahren eines Geländewagens.

Es spricht auch ganz pragmatisch betrachtet nichts dafür, es sei denn, man wäre Landarzt, Förster oder Bauer. Wenn man aber diesen Gedanken erst einmal formuliert hat, zeigt sich, dass der antibürgerliche Habitus des Geländewagenfahrens nur trügerischer Schein, die Camouflage des postmodernen Spießers ist.

Trotzdem ist Geländewagen zu fahren gesellschaftlich akzeptiert. So mancher Geländewagen kriegt jetzt, und da hört mein Verständnis wirklich auf, durch das neue, zum 1. Dezember eingeführte CO2-Label einen Koscherstempel verpasst. Denn das Label, da hat die Autolobby gute Arbeit geleistet, vergibt seine Noten relativ zum Gewicht des Gefährts. So kann es passieren, dass ein schweres, großes Auto eine grünere CO2-Einstufung bekommt als ein leichteres, das weniger Dreck pro gefahrenen Kilometer produziert.

Als wäre das alles nicht genug, rennen neuerdings Ordnungsamtsmitarbeiter in Uniform am Senefelder Platz herum und belegen Väter mit Strafzetteln, die mit ihren Kindern auf dem Gehweg Fahrrad fahren. Sollen sie sich etwa auf die Straße trauen, wo der SUV regiert? Ich schlage massenhaftes, ostentatives Radfahren auf den Gehwegen von Pankow vor. Aber bitte passt auf die Fußgänger auf, die können nichts dafür!

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Ulrich Gutmair
Kulturredakteur
Kulturredakteur der taz. Hat Geschichte und Publizistik studiert. Aktuelles Buch: "'Wir sind die Türken von morgen'. Neue Welle, neues Deutschland". (Tropen/Klett-Cotta 2023).

17 Kommentare

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  • S
    suswe

    Zitat eines Teilnehmers aus einer Spielshow, schon länger her: "Immer mehr Geländewagen für immer weniger Gelände."

  • J
    Jörg

    @Ano

     

    "... dass der Fahrer nicht nach jeder Tour durch die Stadt in die Werkstatt muss, um das halbe Fahrwerk austauschen zu lassen." Nach ihrer Logik müssten die Werkstätten ja Hochkonjunktur haben, da ja alle normalen PKWs nach einer Stadttour ständig Schrott wären. Nebenbei bemerkt, manche Cityförster bremsen vor jeder Bordsteinkante fast auf Stillstand ab, als ob ihr Monstrum aus Chinaporzellan wäre. Die Angst vor dem Fahrwerkaustausch muss tief sitzen.

    Aber tatsächlich sind diese Kasperautos für wirkliche Belastungen überhaupt nicht geeignet. So berichtete mir ein Kollege von seiner Chilereise, dass die Fremdenführer der Atacamawüste dummerweise ihren Fuhrpark mit Porsche Cayennes ausgestattet hatten. Kein einziger hat die extremen Belastungen der Wüste vertragen. So tauschten Sie sie wieder gegen rustikale, billigere Toyota Cruiser.

    Fazit: reiner kindischer Angeberkrempel

  • M
    Michael

    @ano "Abgesehen davon: ... einen Kinderwagen zu transportieren? Oder ein IKEA-Regal?"

     

    Das haben wir vor 20 Jahren auch mit einem VW Golf Kombi hingekriegt. Aber wahrscheinlich waren damals nicht nur die VW Golf sondern auch die Kinderwagen und Ikea-Möbel etwas kleiner.

  • R
    ricbor

    Netter Daueraufreger der besitzlosen Neidfraktion.Der Autor sollte einer lukrativeren Arbeit nachgehen, dann kann er sich auch so eine Kiste leisten, hehe.

  • TS
    Thomas Sch.

    Eine weitere lustige Geschichte zum Thema "Deutsche Lebenslügen". Soweit ich weiß, wurd der sog. drei-Liter-Lupo von VW nur kurze Zeit produziert und dann mangels Nachfrage wieder eingestampft. Die Lebenslüge besteht darin, daß alle Auto-Journalisten das kleine Ding in den allerhöchsten Tönen lobten und nach der Berichterstattung wieder in ihre Porsches stiegen und nach Hause fuhren. Auch die Leser der Autozeitungen bejubelten einhellig das geniale Sparauto und stiegen nach der Lektüre dann doch in ihre Vectras und Audis und fuhren nach Hause. Tja, liebe VolksgenossInnen, die öffentliche und die veröffentlichte Meinung sind immer noch zwei völlig getrennte und unabhängige Lebenswelten. Tja, in Deutschland kennen wir uns eben bestens aus mit der Gesinnung, die von der Öffentlichkeit abgefragt ist und die wir zur Not auch noch im Schlaf wiedergeben könnten und andererseits singen wir aber auch das hohe Lied, daß die Gedanken und Restteile des Lebens (noch) frei sind.

  • MP
    mister petersson

    Kann es sein, dass mein Kommentar zensiert bzw. wegen Nichtgefallen nicht gepostet wird? Wie liberal ist das denn?

  • P
    Picho

    Ein SUV ist kein Geländewagen - ich habe letzen Winter mit meinem kleinen Suzuki Jimny (Technik II. Weltkrieg) genug von den Dingern aus den Schneebergen gezerrt :-).

  • B
    bushy

    Also, ich habe schon mal einen Mann von Hering gesehen, der auch so eine dicke Karre fuhr. Er parkte, kletterte aus das Auto und dann fragte ich mich, warum so ein Zwerg so eine Kiste braucht. Als seine Frau hinter dem Auto erschien, war mir alles klar. Sie war etwa 3x so groß wie der Fahrer.

    Manche Jeeps kann man auch als Kleinviehtransporter einsetzen.

  • R
    rustdevil

    "Trotzdem ist Geländewagen zu fahren gesellschaftlich akzeptiert"

     

    ???

     

    Hmm, scheinbar gehören Hr. Gutmair und Ich jeweils anderen Gesellschaften an? (Oder ich muss mal mehr auf die Ironie im Text achten?)

     

    Hier im Zentrum Münchens jedenfalls kann ich eine allgemeine gesellschaftliche Missbilligung der "Grünwald Panzer" und ihrer FahrerInnen feststellen.

     

    Jedenfalls "in meinen Kreisen", in denen wird der Kinderwagen zusammengefaltet in den (Carsharing?) (Klein)Wagen gelegt, und für Möbeltransporte gibt zB Dachgepäckträger, alles ganz einfach und problemlos.

     

    Als nicht problemlos gilt der Platzbedarf der SUVs, die Gefahr für andere bei Kollisionen, die CO2 Geschichte (wg. Kinderzukunft und so), der Feinstaub (ein Kat ist wirkungslos auf Kurzstrecken).

     

    Und vom Stilempfinden her?

     

    "So stilsicher wie Sandalen mit Socken" schrieb Tom Hillenbrand vor Jahren bei SpOn,

     

    http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,557662,00.html

     

    Ich (und wohl auch viele andere) fühle mich erinnert an Herrenpelzmäntel, neureiche Russenmafia und Dieter Bohlen. Da Augenrollen alleine wohl nicht hilft:

     

    Ich schlage massenhaftes, ostentatives Ausspucken als kleinen Stilhinweis vor, wahlweise vor die Feinstaubschleuder, bei entsprechenden Luftwerten auch mal auf die Windschutzscheibe.

    Etwas unfein, aber der Feinstaub, Sie müssen entschuldigen... hüstel, hust

     

    (In der Hoffnung das dieser Beitrag noch durchgeht, es fällt mir ziemlich schwer nicht beleidigend zu werden)

  • E
    einer

    Geländewagen gibts schon lange, SUVs sind aber eine Schöpfung der späten Neunziger. Die direkte Übersetzung wäre wohl "Geländesportwagen". Damit erklärt sich auch der enorme Publikumserfolg. Früher mußten Auto-Angeber noch eine grundlegende Stilfrage entscheiden, jetzt gibts einfach 2in1.

  • F
    Frank

    Ich fahre einen Mercedes GLK da mir die Sicherheit meiner Familie am Herzen liegt. Vorallem seit ich einen sehr guten Freund verloren hat der einen Crash in einem Corsa B nicht überlebt hat fahre ich größere und sichrere Autos. Außerdem habe ich auch die Wirtschaft mit dem Kauf angekurbelt, immerhin habe ich knapp 55000€ bezahlt. Und den Punkt den Ano anspricht stimme ich auch zu, mit einem Kleinwagen oder Sportwagen durch die Schlaglochverseuchte Republik zu fahren ist nicht sehr schön. Und mit dem GLK kann ich in 30er Zonen auch mit 30 über die Berliner Kissen fahren.

  • G
    G.dude

    gear queerness, oder sagen wir es doch treffender, gear porn, die extreme Schönfindung von etwas, das eigentlich Utensil & Werkzeug ist, aber eben nicht nur, bis hin zur verzückten Leicht-Geil-Findung & auch mal Vernunftausschaltung, ist nun aber jetzt keine Besonderheit von Spießern, die ihr Ego an die Autogröße gekoppelt haben...im Netz finden mittlerweile beleidigende Forums- & Mailbashings statt, weil einer es wagt, Schwachpunkte einer neuen digitalen Filmkamera zu nennen, und auch nicht jeder mit Santoku-Messer ist ein japanischer Meisterkoch...

     

    Deshalb sollten wir, statt kopfschüttelnd so zu tun, als ob nur die jeweils "Anderen halt" auf unlogische, aber emotional befriedigende Fanmotive abfahren, ruhig mal die Gegenfrage stellen, wie es z.B. die Elektromobilität geschafft hat, so lange so unsexy & imagetechnisch eng begrenzt zu bleiben...diesen Winter zum ersten Mal 2 richtig coole Gefährte auf Strom gesehen (1 Cruiserbike mit E-Antrieb sowie eine Art größeres Go-Kart mit Überrollkäfig)...das im Jahre 2011, wo die Autos doch schon längst fliegen sollten!

     

    Jedenfalls, ein "Wow, cool!" erzeugen & noch mehr als die reine Vernunft ansprechen...darum kommt ein alternativer Entwurf letztlich auch nicht herum.

  • MP
    mister petersson

    So überflüssig wie SUVs ist es als 1000. darüber zu schreiben. Ein Artikel ohne weiteren Erkenntnisgewinn aber schön auf der sicheren Seite. Langweilig für den Leser, bequem für den Autor.

  • B
    ber

    @ano:

     

    "... dass der Fahrer nicht nach jeder Tour durch die Stadt in die Werkstatt muss, um das halbe Fahrwerk austauschen zu lassen."

     

    Wenn das der Fall wäre, hätten BILD und Autofahrerlobby längst Radau gemacht.

     

     

    "Abgesehen davon: Schon mal vesucht, mit einem Sportwagen einen Kinderwagen zu transportieren? Oder ein IKEA-Regal?"

     

    Wer Geld für einen Sportwagen hat, kauft keine Möbel von IKEA ;) Abgesehen davon ist in solchen Haushalten oftmals auch der Zweitwagenkombi für solche Aufgaben vorhanden.

  • HM
    Hugo Meier

    Noch zu erwähnen wäre die subjektive Einbildung: Die leuchtenden Augen, mit denen vor allem die damit fahrenden Damen und Dämchen von der gloriosen "Übersicht" und dem "Sicherheitsgefühl" sprechen, das sie im Panzer verspüren -- an die anderen denken sie dabei nicht.

  • A
    Ano

    Zitat:

    "Ein Geländewagen in der Stadt ist, anders als sagen wir ein Militärstiefel im Berliner Winter, nicht viel mehr als Ornament und Verbrechen."

    Zitat Ende

     

    Wie der Militärstiefel in der Stadt, der bei Schnee, Eis und Regen die Füße warm und trocken hält, erfüllt auch der Geländewagen bei den Berliner Schlaglochstraßen seinen Zweck.

    Er sorgt nämlich dafür, dass der Fahrer nicht nach jeder Tour durch die Stadt in die Werkstatt muss, um das halbe Fahrwerk austauschen zu lassen.

     

     

    Zitat:

    "Warum fahren diese Leute nicht kleine, schöne und halbwegs energieeffiziente Sportwagen, wenn sie ihr Geld vorzeigen wollen?"

    Zitat Ende

     

    Das lassen die Berliner Straßenverhältnisse nicht zu. Ein flacher Sportwagen mit seiner geringen Bodenfreiheit setzt bei jedem Schlagloch und bei jeder Beruhigungsschwelle auf.

     

    Abgesehen davon: Schon mal vesucht, mit einem Sportwagen einen Kinderwagen zu transportieren? Oder ein IKEA-Regal?

  • T
    tazleser_by

    Danke für diesen Artikel.

    Hier im Süden Münchens meint ja auch jeder 2te, er müsste so etwas fahren.

     

    Freude machen insbesondere die Frau- und Herrschaften die mit der Breite überfordert sind und immer halb auf der linken Spur fahren oder auf 0 bremsen wenn es mal etwas "enger" wird.

     

    Und, o Wunder, die Förster, Landwirte, etc. fahren dann doch lieber Lada Niva oder einen alten rostigen Kombi.