Kolumne Nach Geburt: Passivsportler unter sich
Wenn die eigenen Kinder nur beim Essenfassen in Bewegung geraten, kann das auch ganz gemütlich sein. Oder muss man sich sorgen?
D ie erste „Nach Geburt“-Kolumne meines Freundes erschien vor einem Jahr und handelte davon, wie sich Tochter eins weigert, die Treppe zu benutzen. Daran hat sich seitdem nichts geändert. „Ich bin faul“, sagt sie, und streckt ihre Arme aus. „Ich kann dich nicht auf den Arm nehmen. Ich muss deine kleine Schwester und den Einkauf tragen“, sage ich. Sie denkt kurz nach und erwidert: „Auf deine Schultern?“ Und wieder trage ich rund 30 kg in den dritten Stock.
Ich habe keine Ahnung, warum meine Töchter so bewegungsscheu sind. Sie krabbeln, laufen, rennen oder greifen nur so viel wie gerade nötig. Wenn es nach ihnen ginge, bekämen sie sämtliches Spielzeug angereicht.
Am Vorbild kann es nicht liegen, ich selber nutze jede freie Minute zum Laufen, Schwimmen oder Boxen. Wir haben kein Auto, fahren immer Rad und gehen viel raus. Ich war für Nichten und Neffen immer die Tobe-Tante. Irgendwie war ich davon ausgegangen, auch eine Tobe-Mama zu werden, schließlich reden doch alle immer von dem unstillbaren Bewegungsdrang der Kleinkinder.
Aber weit gefehlt. Stattdessen sitze ich im Schneidersitz auf dem Boden und empfange präzise Instruktionen von einer Zweijährigen. Meine Tochter liebt Rollenspiele. Sie stillt ihre Dinosaurier, hilft ihrer Puppe beim Rutschen und verkauft uns völlig überteuerte Waren aus ihrem Kaufmannsladen. So weit, so süß. Aber wehe, wenn es heißt: „Wir sind in der Musikschule!“ Dann wird es anstrengend, denn der kleine Diktator teilt uns Namen zu und gibt exakt vor, was zu tun ist. Jede Abweichung vom Skript wird mit mahnenden Worten bestraft.
Besonders nervig ist es, dass sie sich die ausgedachten Namen merkt und auch Tage später in anderen Situationen darauf besteht, dass Mama und Papa eigentlich Eva und Jan heißen, während die kleine Babyschwester auf den Namen Bruno zu hören hat. Mich würde es nicht wundern, wenn Tochter zwei inzwischen glaubt, dass das ihr richtiger Name sei.
Vierschanznetournee
Und überhaupt Tochter zwei, das liebste und pflegeleichteste Baby auf der Welt: immer fröhlich, immer zufrieden. Und dafür braucht sie nicht mehr als zwei Quadratmeter Platz. Am liebsten liegt sie vorm Kühlschrank und fummelt die Magneten ab. Wenn ihr das zu langweilig wird, dreht sie sich um und tritt ins Pfannenregal. Rollt ein Flummi vorbei, guckt sie interessiert auf, aber hinterherkrabbeln? Viel zu anstrengend.
„Wo ist eigentlich Euer Papa?“, frage ich und finde ihn vorm Fernseher, wie er gebannt die Vierschanzentournee verfolgt, weil gerade Winterpause beim Fußball ist. Es gibt wirklich keine Sportart, die er nicht perfekt beherrscht. Passiv natürlich. Ich gucke mir meine kleine Familie an, alle sind völlig versunken in das, was sie gerade tun. Und ich nehme mir vor, in Zukunft ein bisschen fauler zu sein, denn das sieht wahnsinnig gemütlich aus.
Abendbrotzeit: Noch bevor ich den dampfenden Topf mit Gnocchi auf dem Tisch abgestellt habe, schreit Tochter eins: „Ist schon abgekühlt!“, und Tochter zwei hüpft vor Aufregung beinahe aus ihrem Hochstuhl. Wenigstens beim Essen kommen sie nach ihrer Mutter.
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