Kolumne Minority Report: Bad cop, bad cop
In Kleve verbrennt ein junger Mann in der JVA, in Frankfurt gründen Polizisten den „NSU 2.0“. Wer kann sich in diesem Land noch sicher fühlen?
Es gibt in diesem Land Dinge, die sich nicht jede Person gleichermaßen leisten kann. Zur Polizei gehen zum Beispiel. Sich Hilfe zu holen und Anzeige zu erstatten, das steht zwar allen Bürger_innen zu. Aber die meisten Menschen, die ich kenne, tun dies nur in den allerschwerwiegendsten Fällen, und das auch nur widerwillig. Denn die deutschen Sicherheitsbehörden, so scheint es, sind keine Anlaufstelle für sie.
Nachrichten, wie diese aus Kleve in Nordrhein-Westfalen, bestätigen dieses Misstrauen leider nur: Ein Untersuchungsausschuss soll nun doch den Tod von Amad A. aufklären. Der syrische Geflüchtete war zu Unrecht monatelang inhaftiert worden, man hatte ihn mit einem Mann aus Mali verwechselt, und schließlich war er bei einem Brand in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt ums Leben gekommen.
Bislang behauptete das nordrhein-westfälische Justizministerium, es habe sich um einen zwar tragischen, aber nicht zu verhindernden Suizid gehandelt. Brandgutachter, die den Fall im Auftrag des TV-Magazins „Monitor“ überprüften, widersprechen: „Der Brand, so wie er beschrieben ist von der Staatsanwaltschaft, ist so nicht möglich.“
Was ist das für ein Land, in dem 2018 ein Mensch weggesperrt wird, weil er mit einem anderen verwechselt wird, der ihm wohl weder ähnlich sieht noch ähnlich wie er spricht? Ist es nicht dasselbe Land, in dem bei Anhörungen der südsyrische vom nordlibanesischen Akzent sehr klar unterschieden werden kann, um den Anspruch auf Asyl zu überprüfen?
Polizisten bedrohen Anwältin
Es ist jedenfalls das Land, in dem alle paar Jahre rechte Strukturen innerhalb der Polizei sichtbar werden. Erst gerade führte die Anzeige einer Rechtsanwältin in Frankfurt am Main möglicherweise zur Enttarnung einer weiteren rechtsextremen Zelle. Seda Başay-Yıldız, die den mutmaßlichen Bin-Laden-Leibwächter Sami A. sowie die Familie des NSU-Opfers Enver Şimşek vor Gericht vertreten hatte, erhielt im August ein Drohschreiben vom, so der Absender, „NSU 2.0“: Man werde ihre zweijährige Tochter „schlachten“, daneben stand der Name des Kindes und Başay-Yıldız Privatadresse.
Der grundlose Abruf ihrer Daten im Melderegister führte nun offenbar zu fünf Frankfurter Polizeibeamten mit rassistischer und verfassungsfeindlicher Gesinnung. Sie sind bislang nur vom Dienst suspendiert, die Ermittlungen laufen, heißt es aus Frankfurt.
„Bis heute verharmlost die Gesellschaft rechte Übergriffe als Dumme-Jungs-Streiche und redet rassistische Morde als Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten klein“, heißt es sehr treffend in dem gerade erschienenen Buchband „Der NSU-Prozess. Das Protokoll“.
Es wäre überraschend, wenn die Ermittlungen in Frankfurt und Kleve die Strukturen diesmal ernst nehmen würden, statt sie kleinzureden. Ich glaube, wir haben diese Überraschung bitter nötig.
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