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Kolumne MännerIm rosafarbenen Dirndl

Von „Charleys Tante“ bis „Rubbeldiekatz“: Was finden Menschen an Hetero-Männern in Frauenkleidung nur so lustig?

Gar nicht mal so lustig: Ein als Belgiens Königin Fabiola verkleideter Mann. Bild: Reuters

J etzt wird es erst schlechter, bevor es besser wird. Vielleicht hilft ja ein Schluck Bier? Nein, diese Hochzeitsfeier bleibt grässlich. Noch einer? Nichts da. Das Treiben auf der Bühne ähnelt einem Spiegel-Cover mit Hitler-Geschichte: Man will nicht mehr hin-, kann aber auch nicht wegschauen. Dort oben tapsen heterosexuelle Männer in Ballettkleidchen zu klassischer Musik herum. Schulfreunde des Bräutigams. Der Saal tobt vor Freude. Ich flüchte zur Bar, wo ein Freund und eine Freundin stehen. „Warum bloß“, frage ich, „kriegen sich Menschen hierzulande nicht mehr ein, sobald Kerle in Frauenkleider schlüpfen?“

Der Freund schaut mich an, als hätte ich nach seiner Fahrkarte gefragt: „Na, es ist halt lustig!“

„Aber warum?“, frage ich. Heinz Rühmann und Peter Alexander in „Charleys Tante“, der Komiker Bülent Ceylan im rosafarbenen Dirndl bei „Wetten, dass..?“, zuletzt Matthias Schweighöfer in „Rubbeldiekatz“. Warum kümmert sich ZDF History nicht mal um dieses düstere Kapitel deutscher Geschichte?

Bild: privat
Matthias Lohre

ist Politischer Reporter der taz. Vor Kurzem erschien sein Buch „MILDE KERLE – Was Frauen heute alles über Männer wissen müssen“ bei Fischer/Krüger.

Der Freund antwortet mit glasigen Augen: „Weil’s halt lustig ist!“ Noch so eine Antwort, und ich kontrolliere tatsächlich seinen Fahrschein.

Gender als Last?

„Aber woran rührt der Anblick eines heterosexuellen Mannes in Frauenkleidern?“, frage ich. Entlastet der Anblick von einer unbewusst als Last empfundenen Geschlechternorm?

Die Freundin sagt: „Ich find’s auch total schlimm. Wenn Heteromänner Frauenkleidung anziehen, dann doch, um Weiblichkeit als etwas Minderwertiges lächerlich zu machen.“

Ich blicke auf die Bühne. Unterdrücken die Hochzeitsgäste im Tutu, die mit stachligen Sauerkrautstampfer-Beinen über die Bretter hoppeln, also gerade Frauen? „Aber man lacht ja nicht per se über Menschen in Frauenkleidung“, sage ich, „sondern über Männer. Und viele von denen, die sich hier gerade totlachen, sind Frauen. Lachen die über ihre eigene angebliche Minderwertigkeit?“ Auf der Bühne gerät der Zweite von links aus dem Takt – sofern es einen Takt gibt.

„Vielleicht ist es ja andersherum“, rufe ich. „Wenn in Filmen Frauen in Männerkleidung schlüpfen, sind das häufig Emanzipationsgeschichten wie ,Yentl‘: Eine Frau geht in einer Männerwelt ihren Weg. Ziehen Kerle Kleider an, machen sie sich zum Deppen. Nicht, weil sie Weiblichkeit verunglimpfen wollen, sondern weil sie an gesellschaftlichen Codes, die Frauen scheinbar selbstverständlich beherrschen, scheitern.“ „Und“, sagt der Freund, „es ist halt einfach lustig“.

Die Orks und ich

Die Ballerinos verlassen polternd die Bühne. Applaus, krachendes Schulterklopfen. Womöglich ergibt das Ganze, zumindest in diesem persönlichen Rahmen, ja doch Sinn: Die Herren Damen haben sich der Lächerlichkeit preisgegeben und gerade dadurch „ihren Mann gestanden“. Aber was weiß denn ich. Ich war bei „Herr der Ringe“ ja auch für die Orks.

Spät am Abend komme ich mit einigen aus dem Männerballett ins Gespräch. Sie fragen, ob ich beim nächsten Mal mitmachen will. Und, was soll ich sagen? Tutus sollen ja sehr bequem sein.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
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6 Kommentare

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  • T
    tanzmaus

    Wir haben eine Bundeskanzlerin, die in meinen Augen sehr schön zeigt, daß Bezeichnungen wie "typisch Mann" oder "typisch Frau" kaum noch möglich sind. Trotzdem finden auch heute noch geschlechtsspezifische Zuweisungen und Rollenverhalten statt. Wie oft erlebe ich, wenn ein kleiner Junge weint, daß die Mutter sagt: "Ein Junge weint nicht!". Oder wenn ein kleines Mädchen im Dreck wühlt und ermahnt wird "Ein Mädchen macht sowas nicht". Es dauert lange, bis sich ein Mensch über solche Normen hinwegsetzt - wenn überhaupt.

    Und von einer Unisex-Mode sind wir auch noch weit entfernt. Oder wer hat zuletzt einen Mann im Kleid gesehen, abseits von der Bühne oder im Film?

  • P
    petronius

    ich find ja noch nicht mal homomänner in frauenkleidern lustig

  • M
    Marco

    selbst die schlechtesten Männer-in-Frauenkleider-schenkelklopfer-kömödchen sind (vielleicht nicht immer von den macher beabsichtigt) satire über geschlechterrollen/clichees

  • R
    ReVolte

    Warum lachen wir heute immer noch über "Same like it hot"?

    Weil Weiblichkeit eben auch ein Großteil Maskerade bedeutet, welche wiederum eine Fülle von Signalen in Richtung Männer beinhaltet. Lippenstift, knappes Kleidchen etc. - alles auf Wirkung beim Mann bedacht. Männer, die qua Frauenverhalten an den männlichen Beschützerinstinkt adressieren sind daher komisch. Und weil diese Wirkung so meilenweit verfehlt wird, wirkt sie im hohen Maße grotesk.

    Männer wirken auf heterosexuelle Frauen, indem sie überzeugend Autonomie und Durchsetzungskraft vermitteln – nicht mit Schminke und Anmut.

    Bei Frauen in Männerkleidern hingegen kann eine solche Zielrichtung ausgeschlossen werden. Daher wirken solche Frauen doch eher hart und an Männern nicht interessiert. Wenn man in der heutigen Zeit der Unisexfunktionskleidung überhaupt noch diese Unterscheidung treffen kann.

  • D
    dieter

    Es gibt einen richtig guten Film mit einem als Frau verkleideten Mann: Tootsie. Der ist ja auch gar nicht nur komisch gemeint.

    Wenn die deutsche Filmindustrie sowas macht, wird es leider immer schenkelklopfig, Haudraufhumor ohne Gefangene zu nehmen...

  • V
    Veda

    Na, das will ich sehen, Herr Lohre! Also, auf jeden Fall sollten Sie das für ihre Enkelkinder dokumentieren.